10.59
Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
In der Standortdiskussion hört man europaweit – im Europaparlament war es besonders stark, muss ich sagen – immer wieder zwei Positionen, über die diskutiert wird. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)
Die eine ist: Wir sind ein katastrophaler Standort – die Steuern sind zu hoch, die Sozialstandards sind zu hoch, die Umweltstandards sind zu hoch, das muss alles runter, denn das ist alles viel zu teuer. Und dann gibt es die andere Position, die man ständig erzählt bekommt: Unsere Unternehmen sind so großartig, wir sind Exportweltmeister, wir haben die besten Unternehmen, die innovativsten Unternehmen der Welt. – Das geht 30 Jahre schon so dahin, beide Positionen, und eine von beiden muss falsch sein: Entweder sind wir ein katastrophaler Standort oder wir haben keine großartigen Unternehmen, die sich weltweit durchsetzen. Und natürlich ist das Zweite richtig. Klubobmann Wöginger hat das völlig richtig gesagt, die Auftragsbücher sind voll, Jobs werden gesucht, Österreich ist derzeit, so wie es ist, ein großartiger Standort. Und das gehört ausgebaut und stärker gemacht, nicht geschwächt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Es gibt dann oft die Drohung mit China: China ist das am meisten exportierende Land der Welt. Wir müssen uns vor China fürchten, verteidigen, müssen unsere Löhne senken, unsere Umweltstandards senken, um mitzuhalten. – Ja, eh, China exportiert am meisten, aber es gibt halt auch ziemlich viele Chinesen und Chinesinnen, es ist ein sehr großes Land. Tatsache ist, dass Österreich von 200 Staaten auf der Welt bei den Pro-Kopf-Exporten auf Platz sieben ist. Wir sind Platz sieben bei den Pro-Kopf-Exporten! Wir sind ein großartiger Standort, und den sollten wir erhalten.
Wenn wir uns die Länder auf der Tabelle rund um uns herum anschauen – vor uns und knapp hinter uns –, dann sieht man, dass die Top 10 alles Länder mit einem hohen Lebensstandard, mit einem hohen Sozialstandard, mit einem hohen Umweltstandard sind. Ein guter Standort zu sein heißt, ein guter Lebensraum zu sein. Nur dann ist es attraktiv, dort zu sitzen. Das beweist schlicht und einfach die Evidenz. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Das heißt, wir sollten Standards heben, nicht senken. Deswegen ist die Europäische Union auch ein guter Standort, deswegen ist die Europäische Union gegenüber anderen Standorten, die da nachhecheln, so weit voraus. Der Binnenmarkt der Europäischen Union stellt sicher, dass wir uns nicht bei einem Standort nach dem anderen nach unten konkurrenzieren und schlechter machen. Jetzt kommt zum Beispiel eine Mindestlohnrichtlinie – hoffentlich –, die dafür sorgt, dass wir nicht mit den Löhnen nach unten gehen, uns selbst als Standort, als Lebensraum schwächen, unattraktiver machen, um Unternehmen herzubekommen, sondern dass wir uns stärker machen und Mindestlöhne europaweit durchsetzen. Wir wollen in Österreich diese nicht senken, wir müssen die anderen heben. Und das ist vollkommen richtig, dass diese Standortpolitik so gemacht wird. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Loacker: ... Begeisterung!)
Es ist auch richtig, dass das im Ökobereich passiert, im Umweltschutzbereich, dass wir da nach oben gehen, dass wir im Handelsbereich auch darauf schauen müssen, wie solche Standards gehoben werden.
Das Nächste, was kommen muss, ist ein Lieferkettengesetz. Es müssen internationale Konzerne dazu verpflichtet werden, dass in ihrer Lieferkette die Umweltstandards, die Sozialstandards und die Menschenrechte eingehalten werden, weil das alles Faktoren sind, die, wenn man sie nicht einhält, ein Kostenfaktor sind. Man kann billiger produzieren, wenn man sich nicht um das Klima kümmert, wenn man sich nicht um die Menschenrechte kümmert und wenn man sich nicht um Arbeitsstandards kümmert. Warum soll man internationalen Konzernen den Wettbewerbsvorteil geben, so billig zu produzieren und dann nach Österreich zu exportieren – beziehungsweise, aus unserer Sicht, zu importieren? Das gehört zum Schutz unseres Standorts teurer gemacht! (Beifall bei den Grünen.)
Natürlich ist der nächste Punkt dabei eine ökosoziale Steuerreform. Wir müssen in Österreich umsteuern und in diesem Bereich attraktiver werden. Da laufen jetzt die Gespräche. Ich hoffe, dass wir in den nächsten ein bis zwei Monaten da zu einem guten Ergebnis kommen und Vorreiter werden, europaweit Vorreiter werden und etwas herzuzeigen haben. – Das zur Standortpolitik.
Ich möchte als Coronabetroffener, der nach zehn Monaten noch Schwierigkeiten am Rednerpult hat, ein bissl zu Luft zu kommen, noch etwas anhängen: Ich finde es teilweise unerträglich, wie diese Diskussion geführt wird – unerträglich! Da gibt es Menschen, die seit Monaten leiden, monatelang nicht aufkommen, abgesehen von denen, die auf der Intensivstation liegen, vorgestern 22 Tote, und dann wird das verharmlost bis zum Gehtnichtmehr. (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Scherak.)
Bittersalze, Grüntee und frische Luft sollen gegen diese tödliche Krankheit helfen! Bittersalze, Grüntee und frische Luft – das muss man einmal wirken lassen. Das ist dermaßen fokussierte Unintelligenz, dass es wehtut, wirklich. Wenn Dummheit leuchten würde, dann könnte man mit der FPÖ ein Solarkraftwerk betreiben. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Der war gut!) Das ist nicht zu glauben. Jeder einzelne Redebeitrag erneuerbare Energie – ihr seid das einzige Fossil, das das noch zusammenbringt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf: Unglaublich!)
11.05
Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.