11.29
Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Linhart: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Bundesregierung! Werte Abgeordnete des Hohen Hauses! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Es ist mir eine große Freude und herzlichen Dank, dass ich heute die Möglichkeit habe, mich im Zuge der Debatte zur Regierungserklärung an Sie alle zu wenden.
Als Diplomaten sind wir es ja gewohnt, dass wir uns international, in der Welt, aber auch in Österreich für unser Land, für Österreich, einsetzen, und als ich vorgestern Abend den Anruf bekommen habe, habe ich auch nicht lange überlegt, denn ich sehe das als Chance, dass ich mich für unser Land und für unser Österreich einsetze. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Es ist mir eine Ehre, zum ersten Mal in meiner Funktion als Außenminister im Hohen Haus zu sprechen. Ich trete dieses Amt mit großem Respekt an. Ich werde mich dabei von jenen Werten leiten lassen, die mich auch in den vergangenen Jahren im diplomatischen Dienst begleitet haben: Dialog und Verbindlichkeit bei klarer inhaltlicher Position im Einsatz für unser Land.
Einleitend darf ich Ihnen versichern: Österreichs Diplomatie steht nie still, und die Arbeit geht nahtlos weiter, denn auch die außenpolitischen Krisen und Konfliktherde legen keine Atempause ein: Afghanistan entwickelt sich zu einem sicherheitspolitischen schwarzen Loch, das die gesamte Region destabilisieren könnte. In Syrien und im Jemen herrscht die Sprache der Gewalt anstelle des Dialogs. Das Wiener Atomabkommen mit dem Iran hängt an einem seidenen Faden. In Belarus, Myanmar und Nicaragua wird den demokratischen Kräften die Luft zum Atmen genommen. Die Grausamkeiten des islamistischen Terrorismus blicken uns auch aus immer mehr afrikanischen Staaten entgegen, von Mali über Somalia bis nach Mosambik.
In wenigen Tagen werde ich zum ersten Mal nach Luxemburg reisen – nächste Woche Montag –, um mich mit meinen EU-Amtskolleginnen und -Amtskollegen zu diesen und weiteren Brandherden zu beraten. Zuvor werde ich mich aber schon auf die erste Auslandsreise als Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten begeben: noch diese Woche nach Sarajevo und damit in die Region des Westbalkans, zu unseren Nachbarn, Freunden und hoffentlich in absehbarer Zeit auch Verbündeten innerhalb der Europäischen Union. Die enge Abstimmung mit den EU-Partnern steht für mich als überzeugter Europäer im Zentrum.
Wir brauchen eine starke EU, eine Wertegemeinschaft, einen Champion für eine auf Regeln basierende Weltordnung, in der die Herrschaft des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren gilt, denn nur in enger Partnerschaft mit unseren europäischen und internationalen Verbündeten können wir die Herausforderungen von heute und morgen bewältigen: die globale Covid-19-Krise und ihre sozialen und wirtschaftlichen Folgen, die Chancen und Risiken, die der Einsatz neuer Technologien mit sich bringt, und den Klimawandel als die entscheidende Aufgabe heutiger und künftiger Generationen. Genau aus diesem Grund ist es mir auch ein persönliches Anliegen, die erfolgreiche Zusammenarbeit im Format der Slavkov-Staaten und der Central Five, also Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien, fortzusetzen. Ich freue mich darauf, noch in diesem Monat meine C5-Kolleginnen und -Kollegen nach Wien einzuladen.
Ich versichere Ihnen, dass wir weiterhin unsere Stimme für friedliche Lösungen von Konflikten am Verhandlungstisch erheben werden, für die Menschenrechte und Grundfreiheiten, die für mich ein universelles Gut darstellen, gegen jegliche Form des Antisemitismus, für eine starke transatlantische Partnerschaft, die es erlaubt, unser Lebensmodell gegen autoritäre Gegenentwürfe zu verteidigen, und für unsere offene, pluralistische und demokratische Gesellschaft. Ich bin überzeugt, dass dieser Wertekatalog Grundstein unserer Stabilität und unseres Wohlstands ist und dass unser diplomatischer Einsatz dafür ein Mehr an Sicherheit für die Österreicherinnen und Österreicher bringt.
Vor diesem Hintergrund freue ich mich sehr auf die große Herausforderung, die vor mir liegt, und ich möchte mich an dieser Stelle auch für das Vertrauen, das Sie alle in mich setzen, ganz herzlich bedanken, insbesondere aber bei dir, Herr Bundeskanzler, lieber Alexander, und auch beim gestern einstimmig gewählten Klubobmann Sebastian Kurz. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)
Als Teil des ÖVP-Regierungsteams freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit meinen Kolleginnen und Kollegen innerhalb der Bundesregierung sowie mit dem Hohen Haus, mit Ihnen, liebe Damen und Herren Abgeordnete. Vor uns liegt eine spannende und intensive Zeit, in der es gilt, gemeinsam bestmöglich für die Österreicherinnen und Österreicher im In- und im Ausland zu arbeiten. (Ruf: Der sitzt ja auf einem ÖVP-Ticket, logisch! – Abg. Meinl-Reisinger: Ihr solltet die Redenschreiber austauschen! – Heiterkeit bei den NEOS.) – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Abg. Fürst.)
11.35
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lopatka. – Bitte.