11.51

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Herr Vizekanzler! Herr Außenminister! Werte Regierungsmitglieder! Werte Kollegen und Kolleginnen! Über eines bin ich froh: dass ich heute keinem Misstrau­ensantrag gegen einen Kanzler zustimmen werde, sondern gleich zwei Diplomaten zum neuen Amt gratulieren kann, denn ja, da sind wir uns einig, die österreichische Innen­politik kann jetzt ein wenig Diplomatie gebrauchen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischen­ruf bei der SPÖ.)

Als außenpolitische Sprecherin ist es mir wichtig, dass sich Österreich nicht von der weltpolitischen Bühne verabschiedet und in unserem gemeinsamen Europa zur Isolation neigt. Außen- und Europapolitik werden mit dir, Herr Bundeskanzler, in Österreich an Bedeutung gewinnen. Da bin ich mir sicher, und das ist gut so. (Beifall bei den Grünen.)

Sie, Herr Außenminister, werden maßgeblich mitbestimmen, welche Rolle wir innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft einnehmen werden, und Sie werden diese Rolle, wie ich annehme, mit Ihrer Erfahrung und mit Weitsicht gut ausfüllen. Sie beide werden die Aufgabe haben, die Reputation Österreichs nach dem internationalen Auf­sehen der letzten Tage zu verbessern. Dafür wünsche ich Ihnen beiden viel Kraft, die werden Sie brauchen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Haubner und Gabriela Schwarz.)

Wieso es gut ist, dass das Budget noch beschlossen wird: Die Mittel für Äußeres werden um 10,5 Millionen Euro oder 1,9 Prozent auf 560,4 Millionen Euro erhöht. Als unseren gemeinsamen Erfolg werte ich auch die Aufstockung des Auslandskatastrophenfonds um 2,5 Millionen Euro oder die Vervierfachung des freiwilligen Kernbeitrags für die UNHCR-Flüchtlingshilfe von 0,5 Millionen Euro auf 2,2 Millionen Euro.

Diese viele Arbeit, die daraus folgt, aber auch die Diplomatie, die wir alle heute bemühen, soll den klaren Blick auf das Wesentliche aber nicht verschleiern. Die Fakten, werte Kollegen und Kolleginnen, liegen nämlich auf dem Tisch, und ja, sie sprechen eine klare Sprache: Falschaussagen und Fakenews, Steuergeld für Schlagzeilen, frisierte Umfra­gen auf Staatskosten. Es geht dabei um Straftaten, die nach dem österreichischen Straf­gesetzbuch als Verbrechen bestraft werden. Wegen solcher Straftaten wurden einem früher die bürgerlichen Ehrenrechte, also das Wahlrecht und die Wählbarkeit, entzogen und das nicht von ungefähr. (Abg. Belakowitsch: ... Klubobmann!) Die Manipulation der öffentlichen Meinung stellt nämlich eine Gefährdung des öffentlichen Diskurses dar.

Deshalb können wir natürlich nicht zur Tagesordnung übergehen. Was uns da nämlich – abseits der rechtlichen Komponente – vorliegt, ist tatsächlich eine moralische Bankrott­erklärung, und ich gestehe, dass ich gegenüber der nun erzielten Lösung des Sessel­rückens skeptisch bleibe. Ja, ich verstehe die Bedenken der Bevölkerung, der Oppo­sition und auch der politischen BeobachterInnen, aber bekanntlich trifft der kluge Prophet seine Vorhersagen immer erst im Nachhinein. Sicher ist, dass es die vom Bundes­prä­sidenten erwähnten Argusaugen brauchen wird, denn eines muss uns allen klar sein: Im sogenannten House of Kurz ist Kevin nicht allein zu Haus (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), und natürlich agiert da niemand voneinander getrennt, das hat ein Netz­werk so an sich.

Dass die Volkspartei jetzt einen Klärungsprozess braucht, weiß sie selbst. Auslieferung, Aufklärung, Antikorruptionsmaßnahmen sind ein Muss, und alle Ämter bis zur Aufklärung niederzulegen wäre aus meiner Sicht eine Selbstverständlichkeit. Das viel zitierte Vertrauen der Bevölkerung ist nämlich genug erschüttert, deshalb darf es jetzt keine Verharmlosung geben. Im Gegenteil: Wir müssen alles sichtbar machen, wir müssen alles aufklären, denn bekanntlich stirbt die Demokratie im Dunkeln. Ich nehme aber auch an, dass Sie, Herr Bundeskanzler, kein Interesse daran haben, vom Schallen- zum Schattenberg zu werden. Diese Bedenken können aber nur Sie selber durch konkretes Handeln aus dem Weg räumen.

So wie ich in diesem Moment im Interesse des Landes und seiner Bevölkerung meine Bedenken hintanstelle, so appelliere ich an alle hier im Hohen Haus, Ihre Arbeit der Demokratie und dem Rechtsstaat unterzuordnen! Es steht schlicht zu viel auf dem Spiel. Die Frage, die sich jetzt für viele stellt, ist, mit wem hier eigentlich noch ein demokra­tischer Staat zu machen ist, und deshalb ist es das Mindeste, dass die Staats­anwalt­schaft unabhängig von politischer Einflussnahme arbeiten kann und die Vorwürfe aufge­klärt werden.

Man wünscht sich noch ein Letztes im Interesse dieser Demokratie hinsichtlich Rechts­staat und Pressefreiheit: dass diese Vorwürfe nicht zutreffen. Ob aber an den Vorwürfen nichts dran ist, kann allein und wird allein die Justiz klären, und das, meine Herren und meine Damen, müssen wir hier im Hohen Haus garantieren und das, verehrter Bundes­kanzler, müssen Sie garantieren. Gerade bei Ihnen, als Kenner von Staaten, denen die Demokratie abhandengekommen ist, gehe ich davon aus, dass Sie als aufrechter Demokrat diesen Weg gehen werden.

Wir, das Parlament, sind und bleiben das Korrektiv, wir alle sind verantwortlich für die Kurskorrektur, die es jetzt braucht. Um es biblisch zu sagen: Aufrichtigkeit ist eine Ge­sinnung, die sich nur in Worten und Taten zeigen lässt. In diesem Sinne: Wir werden hier alle an unseren Taten gemessen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

11.58

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kassegger. – Bitte.