12.11

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Vorweg, Herr Bundeskanzler und Herr Außenminister, darf ich Ihnen zu Ihrem neuen Amt gra­tulieren, Ihnen dafür viel Kraft wünschen – ich bin überzeugt davon, Sie werden diese Kraft brauchen –, ich darf Ihnen aber auch eine Sache sagen, Herr Bundeskanzler: Ich habe allgemein jetzt keine sonderlich große Erwartungshaltung, aber was ich mir er­wartet hätte, ist, dass Sie als neuer Bundeskanzler mit einer Sache jedenfalls Schluss machen, nämlich mit dieser tiefen Missachtung Ihres Vorgängers gegenüber dem Parla­ment. Wenn Sie sich heute hier herstellen und dem Parlament ausrichten, dass ein Miss­trauensantrag eine mutwillige Aktion ist, dann kann ich Ihnen nur sagen: Das (Richtung Plenum weisend) sind 183 vom Volk gewählte Abgeordnete, und wenn die einen Miss­trauensantrag stellen, ist das ihr gutes Recht und keine mutwillige Aktion! (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

Ich möchte aber eigentlich gerne auf das zurückkommen, was der Herr Vizekanzler vor ein paar Tagen gesagt hat, nämlich dass wir nicht zur Tagesordnung übergehen dürfen – Herr Vizekanzler, ich gebe Ihnen da vollkommen recht. Sie haben das gesagt, nachdem Sie diese – diese (auf das schräg hinter Bundeskanzler Schallenberg liegende Schrift­stück weisend) – 100 Seiten Hausdurchsuchungsanordnung gelesen hatten, und Sie haben da deswegen vollkommen recht, weil in dieser Anordnung von gefälschten Umfra­gen, von Inseratenkorruption, von Steuergeldverschwendung, von Postenschacher, von Klientelpolitik und von reiner Machtpolitik die Rede ist.

Das Problem ist, dass das, was diese Regierung jetzt macht, ist: Sie gehen zur Tages­ordnung über! Insbesondere die Grünen, die jahrelang plakatiert haben: „Wen würde der Anstand wählen?“, Wir sind für eine saubere Politik! (Zwischenruf der Abg. Disoski), Wir sind für Antikorruption!, machen genau das: Sie gehen zur Tagesordnung über. Das türkise System von Sebastian Kurz bleibt genau das gleiche, und es läuft alles weiter wie bisher. (Beifall bei den NEOS.)

Herr Kollege Leichtfried hat schon angesprochen, dass die Ministerinnen und Minister der ÖVP ja dieses Schreiben unterschrieben haben, dass sie nur mit Sebastian Kurz an der Spitze im Amt bleiben, und jetzt gibt es die drei Theorien von Kollegen Leichtfried – meine wäre eigentlich grundsätzlich, Sebastian Kurz ist immer noch an der Spitze der Bundesregierung, wiewohl jetzt nicht im Amt, aber zumindest machttechnisch, und das ist das große Problem: dass genau deswegen dieses System weitergehen wird.

Sebastian Kurz ist in Zukunft Klubobmann, er ist weiterhin Parteiobmann der ÖVP, und er wird das machen, was er die letzten Jahre gemacht hat, nämlich eine Politik des Machterhalts für die türkise Familie – und, Herr Kollege Haubner, ich fand sehr span­nend, was Sie gerade betreffend parteitaktische Politik gesagt haben. Ja das ist doch das Grundprinzip der Politik von Sebastian Kurz in den letzten Jahren gewesen: Partei­wohl, Parteitaktik vor das Wohl der Österreicherinnen und Österreicher zu stellen. (Bei­fall bei den NEOS. – Abg. Hörl: Das stimmt ja nicht!)

Das Problem ist, wenn wir auch die Worte des Herrn Vizekanzlers und von Klubobfrau Maurer hören, in denen sie die Projekte ansprechen, die sie vorhaben, und die Maßnah­men, die sie – jetzt auch im Zusammenhang mit der Steuerreform – ausgemacht haben: Ja, ich höre schon, was Sie sich da an Maßnahmen ausgemacht haben, aber ich frage mich: Wie stellen Sie sich das vor? (Zwischenruf des Abg. Loacker.) – Also Sie machen sich jetzt Klimaschutzmaßnahmen aus, und morgen oder übermorgen schreibt Bundes­parteiobmann Kurz eine SMS und fragt: Welches Land kann man dagegen aufhetzen? – Er will vielleicht diese Klimaschutzmaßnahmen nicht, weil sie ihm eben gerade nicht in den Kram passen, weil sie nicht zu seinem Machtkalkül passen.

Oder was ist denn mit Kinderbetreuungsplätzen? – Sie machen sich vielleicht etwas aus, und der Herr Bundeskanzler – Entschuldigung, nicht Bundeskanzler – der Herr Klubob­mann der ÖVP verschickt eine SMS und schreibt: Nein, ganz schlecht! Wie kann man das aufhalten?

Oder was ist mit einer Reform der Parteienfinanzierung? – Das ist etwas, was ihm sicher nicht zum Vorteil gereicht. Auch da ist die Wahrscheinlichkeit, dass er dann sagt: Das müssen wir aufhalten!, ziemlich groß, und dann sind all die Maßnahmen, die Sie sich angeblich oder auch wirklich ausgemacht haben, halt nur noch Schall und Rauch.

Das ist nichts, was ich erfunden habe – Sie alle kennen ja das, was in den Akten steht (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch): Sebastian Kurz hat, weil es zu seinem Vorteil war, die Abschaffung der kalten Progression aufgehalten. Deswegen finde ich es so spannend, dass Klubobmann Wöginger und auch Kollege Haubner jetzt gesagt haben, dass sie für die Menschen arbeiten, etwas weiterbringen wollen. – Na ganz im Gegenteil: Sebastian Kurz hat gegen die Menschen gearbeitet! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Zarits: Geh, hör auf!) Es ging ihm einzig und allein um sein Machtkalkül. Er hat verhindert, dass alle Österreicherinnen und Österreicher durch die Abschaffung der kalten Progression entlastet werden.

Was noch viel schlimmer ist – man muss sich das einmal vorstellen –: Mitterlehner und Kern hatten den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung am Nachmittag ausgemacht. Man muss das den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land noch einmal sagen: Ohne Sebastian Kurz gäbe es einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung am Nachmittag! Eltern könnten viel leichter einen Job annehmen, weil sie sich sicher wären, dass ihre Kinder in einem Kindergarten gut betreut werden. Sebastian Kurz war das egal.

Sie müssen sich das vorstellen! Alle Eltern in diesem Land müssen sich vorstellen, sie hätten das Recht auf einen Betreuungsplatz am Nachmittag, und sie haben das des­wegen nicht, weil Sebastian Kurz unbedingt Parteiobmann der ÖVP werden wollte. Sie können sich bei Sebastian Kurz dafür bedanken. Das Einzige, was ihm wichtig war, war sein Aufstieg an die Spitze der ÖVP und ganz sicher nicht ihr Wohl, ganz sicher nicht das Wohl der Kinder und ganz sicher nicht das Wohl Österreichs. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das Ganze ist wohl nur die Spitze des Eisberges – wir brauchen jetzt ja nur in den Me­dien zu lesen, wie das so weitergeht. Wir werden weiterhin ein türkises System sehen, das nicht für die Menschen arbeitet, das nicht für das Wohl Österreichs arbeitet, sondern einzig und allein für das Wohl von Sebastian Kurz.

Wissen Sie, ich bin überzeugt davon, dass wir einen echten Neustart brauchen würden, einen Neustart mit echter Aufklärung, mit einer Reform der Presseförderung, mit einem Ende der Inseratenkorruption, mit einem Informationsfreiheitsgesetz, mit einer transpa­renten Parteienfinanzierung, einen Neustart, bei dem wir der Korruption, dem Macht­missbrauch, der Freunderlwirtschaft den Kampf ansagen – nur leider bin ich auch über­zeugt davon, dass das türkise System Sebastian Kurz diesen Neustart nicht zulassen wird. (Beifall bei den NEOS.)

12.18

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva Blimlinger. – Bitte.