14.52

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrte Damen und Herren! Mitglie­der der Bundesregierung! Kolleginnen und Kollegen! Es steht nicht gut um die Medien­freiheit in Österreich.

Wir haben in den letzten Jahren im türkisen System einen rotzfrechen Umgang erlebt, der erschütternd ist: Da gab es Pressekonferenzen, die eine einzige Farce waren; da wurde in Mannstärke exakt gar nichts gesagt; da wurde Journalistinnen ihre Intelligenz abgesprochen, weil sie ja kein Hirn haben; da wurden Redaktionen angerufen – häufig angerufen, sehr viel angerufen –, entweder um Journalistinnen und Journalisten zu bedrohen oder um gefälschte Umfragen zu platzieren und dann auch noch mit richtig viel Steuergeld zu garnieren. Da haben die Drähte geglüht, da wurde auch in jenseitigen Chats sehr skrupellos und säckeweise unser Steuergeld verteilt, um sich Meinung zu kaufen, untertänige Berichterstattung zu kaufen, Unterwerfung zu kaufen – weil man im türkisen System eine Hülle ist, weil man eine Sloganmaschine ist, weil man am Fließ­band catchy Marketingslogans produziert, die übertünchen sollen, dass man schlichtweg keine Haltung hat.

Apropos Marketing (eine Tafel mit einem Inserat des Finanzministeriums mit dem Slogan „Entlastungspaket“ in die Höhe haltend): Kaum als Drehscheibe für Inseratenkorruption enttarnt, schaltet das Finanzministerium auch schon wieder wirre Inserate und bewirbt eine Steuerreform, die noch gar nicht gesetzlich beschlossen worden ist. (Beifall bei den NEOS.)

Dieses türkise System hat gefälscht, krumme Gegengeschäfte eingefädelt und Schein­rechnungen gelegt. Dieses türkise System zeigt eine Hybris, und wir dürfen deshalb auch nicht zur Tagesordnung übergehen, sondern es ist jetzt an der Zeit, diesem türkisen System ein Ende zu setzen. Wir brauchen eine freie und unabhängige Medienlandschaft, das ist für eine Demokratie essenziell. Diese freie und unabhängige Medienlandschaft ist in Österreich derzeit nicht gewährleistet, und zwar aufgrund der Medienpolitik und der Inseratenpolitik der Regierungen der letzten Jahrzehnte. (Beifall bei den NEOS.)

Das Funktionieren einer Demokratie setzt voraus, dass die Bürgerinnen und Bürger über genau jene Informationen verfügen, die sie brauchen, um sich eine eigene Meinung zu bilden. Kritischer und unabhängiger Journalismus spielt dabei eine essenzielle Rolle und darf auch nicht finanziell von der Politik abhängig sein. Deshalb bringen wir heute ein sehr umfassendes Medientransparenzpaket ein. Ziel dieses Paketes ist es, diese Inse­ratenkorruption ein für alle Mal zu beenden. Jetzt ist es an der Zeit, gemeinsam für eine Politik der sauberen Hände zu sorgen.

Aufmerksamen Abgeordneten wird auffallen, dass die meisten dieser Forderungen gar nicht rasend neu sind. Sie sind deshalb nicht rasend neu, weil die Probleme ja auch nicht erst seit gestern bekannt sind. Neu sind nur diese unflätige Art und die Dimension, dieses eiskalte Taktieren – aber dass wir seit Jahren ein wachsendes Problem haben, ist nicht neu.

Ich erinnere an dieser Stelle an meine Recherchen zu den 59 PR-Mitarbeitern im Bun­deskanzleramt. Jede Redaktion würde sich wünschen, auch nur annähernd diese Zahl an Journalistinnen und Journalisten in ihrer Redaktion haben zu können. Ich erinnere an dieses völlig aus dem Ruder gelaufene Werbebudget: 210 Millionen Euro hat man allein dieses Jahr fixiert, um sich in den nächsten vier Jahren Propaganda zu gönnen, um 1 Million Euro pro Woche (Zwischenruf des Abg. Haubner) – und die Grünen waren da übrigens auch ganz vorne mit dabei. Dem gegenüber stehen 9 Millionen Euro an Presse­förderung. Für nichts – nicht für Inserate und Werbung, nicht für Presseförderung, nicht für eine Privatrundfunkförderung – gibt es auch nur annähernd sinnvolle Kriterien. (Neu­erlicher Zwischenruf des Abg. Haubner.)

Da kommt es auch zu einem völlig falschen Bild dessen, was Medien zu leisten haben und wie die Finanzierung auszusehen hat. Deshalb sei auch Präsident Sobotka an dieser Stelle gesagt: Bezahlte Inserate sind etwas anderes als Gegengeschäfte. Die Gegenleistung für Inserate besteht auch nicht aus Berichterstattung, auch wenn das Kollegen Kurz nicht ganz klar ist.

Wir brauchen Transparenz, wir brauchen klare Kriterien und wir brauchen definitiv eine Deckelung der Ausgaben für Werbung. Wer heute herausfinden möchte, wer wann wo um wie viel Steuergeld inseriert hat, findet erstens ein Drittel der Inserate gar nicht vor, weil sie unter die Bagatellgrenze fallen oder Sonderformate darstellen, und bei einem zweiten Drittel herrscht reinstes Chaos: Die Meldungen sind nicht standardisiert, wer sich einen Überblick verschaffen will, muss Tausende Zeilen in Excel-Tabellen händisch mit Stricherllisten durcharbeiten, und es braucht eigene Forschungsprojekte, um heraus­zufinden, wo eigentlich unser Steuergeld landet.

Deshalb bringe ich jetzt unser Medientransparenzpaket in Form eines Entschließungs­antrages ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „lnseraten­korruption beenden“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Gesetzes­entwurf zuzuleiten, der die gegenwärtige Praxis der Inseratenvergabe durch staatliche Stellen im Zusammenspiel mit einer zu niedrigen Presseförderung beendet. Auf folgende Aspekte sollte dabei im Besonderen geachtet werden:

- Eine Ausgabengrenze für Inserate von öffentlichen Stellen muss die gegenwärtigen Volumina drastisch reduzieren. Zusätzlich werden Inserate im Sinne der Sparsamkeit und Effizienz basierend auf ministerienübergreifenden Schalt- und Kommunikations­plänen von einer zentralen Stelle geschalten.

- Im Gegenzug soll die Presseförderung erhöht und nach transparenten und nachvoll­ziehbaren Kriterien vergeben werden. Kriterien sind insbesondere die Qualität der Quel­lennachweise, die Recherchebeschreibung, die Anerkennung des Presserates, die Un­abhängigkeit und die Faktentreue. Medien sollen nach Qualitätskritieren, aber plattform­unabhängig gefördert werden.

- Inserate von staatlichen Stellen müssen in einer transparenten Datenbank öffentlich, nachvollziehbar und dauerhaft einsehbar sein. Das aktuelle Gesetz [...] ist derart zu ändern, dass Informationen über die Inserate nicht nach zwei Jahren gelöscht werden.“

*****

An anderer Stelle erzähle ich Ihnen das gerne noch einmal langsam. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Yildirim. – Heiterkeit der Abg. Krisper.)

14.58

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Inseratenkorruption beenden

eingebracht im Zuge der Debatte in der 124. Sitzung des Nationalrats über die dringliche Anfrage betreffend "System Kurz" - Missbrauch von Steuergeld zu persönlichen Zwecken und schwerwiegende Korruptionsvorwürfe

Die Existenz einer freien und unabhängigen Medienlandschaft ist für eine Demokratie essentiell. In Österreich ist eine freie und unabhängige Medienlandschaft aufgrund der Medien- bzw. Inseratenpolitik der letzten Regierungen seit Jahrzehnten nicht gewähr­leistet. Die Presseförderung ist zu gering, die willkürliche Vergabe von Regierungsinse­raten viel zu hoch.

Die Medienwelt hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert: Private Radio- und Fernsehstationen, Online-Medien (Recherche-Plattformen, Blogger, etc.), Tageszeitungen mit Online-Portalen, Medienportale (YouTube, Facebook, etc.), Streaminganbieter. Die einzige Konstante wird auch in den nächsten Jahren die Verän­derung sein. Die momentane Medienpolitik trägt diesen Entwicklungen leider in keiner Weise Rechnung. Die etablierten und alten Geschäftsmodelle der traditionellen Medien sind stark herausgefordert. Doch das Medienverständnis der österreichischen Regie­rung ist im 20 Jh. steckengeblieben. Momentan gibt es im Fördersystem einen starken Fokus auf gedruckte Zeitungen und Vertriebsförderungen, die nicht mehr zeitgemäß sind. Länder wie Schweden zeigen, dass eine Reform der Presseförderung für die Anforderungen des 21. Jahrhunderts unerlässlich ist. 2018 wurde die Presseförderung in Schweden von einer Printförderung zu einer plattformunabhängigen Medienförderung reformiert. Dazu wurde im Vorfeld eine wissenschaftliche Studie durchgeführt, die den Bedarf der Branche und der liberal-demokratischen Gesellschaft erhoben hat. Vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk bis zu Podcasts wurde alles untersucht. Daraufhin wurde der Förderbetrag von 59,5 auf 76,8 Millionen Euro erhöht. Für die Förderung kommen alle Medien infrage, deren Inhalte zu 60% redaktionell eigenproduziert sind. Die För­derung wird von einer neuen Medienkommission vergeben, die mehrheitlich aus Branchen­vertretern besteht.

Der Medienwandel beendet nicht nur historische Geschäftsmodelle, sondern öffnet auch die Teilnahme an der Gestaltung von Öffentlichkeit. Social Media und Smartphones haben für alle Menschen die Barriere deutlich gesenkt, ihr Wissen zu teilen und ihre Meinung hörbar zu artikulieren. Aktive Meinungsfreiheit ist eine Chance. Gleichzeitig gibt es Bedrohungen dieser Meinungsfreiheit, die paradoxerweise durch den Gebrauch derselben ausgelöst wurde. Auch weil ihre Grenzen von den Teilnehmer_innen selbst ausgelotet, überschritten und neu ausgehandelt werden. Meinungsfreiheit bedeutet manchmal nämlich auch Faktenfreiheit. Radikalisierung und bewusste Fehlinformation werden dazu benützt, Botschaften zu verkürzen. Ist das neu? Nein. Aber die verstärkte Sichtbarkeit erfordert die Forcierung eines qualitativ hochwertigen Journalismus, der nachhaltig gesicherte und recherchierte Inhalte liefert, die wiederum die Grundlage für den demokratischen Diskurs bilden.

Unser Ziel ist vielfältiger, kritischer Journalismus, der die Grundlage für eine vielfältige, kritische Meinungsbildung innerhalb der Bevölkerung ist. Darum braucht es die jour­nalistische Aufarbeitung von Positionen und Inhalten, die nicht an sich mehrheitsfähig sind und daher auch nicht zwangsläufig von marktwirtschaftlich agierenden Medien­unter­nehmen erarbeitet werden müssen. Aus diesem Grund sind diese ganz besonders auf staatliche Förderung angewiesen, die sie jetzt jedoch nicht erhalten. Momentan ist man zum Beispiel bei Förderungen immer noch an eine gedruckte periodische Ausgabe gebunden.

Als zentrale Säule unserer liberalen Demokratie ist es unsere politische Pflicht, Medien nach Qualitätskriterien, plattformunabhängig zu fördern. Eine gut ausfinanzierte Presse­förderung kostet weniger als Korruption und Freunderlwirtschaft. Aus diesem Grund benötigen wir dringend eine Reform der Presseförderung: Professioneller, kritischer Journalismus muss gefördert werden, und zwar kanalunabhängig, durch transparente Entscheidungsprozesse (Abwicklung durch Expert_innenjurys) und die Treffsicherheit der Maßnahmen muss durch den Rechnungshof kontrolliert werden. Über­kreuz­beteili­gungen in der Medienbranche müssen bekämpft und politiknahe Eigentümer_innen vermieden werden. Die Förderkriterien sollen vor allem den Qualitätsjournalismus fördern, und zwar anhand mehrerer nachvollziehbarer Kriterien, wie zum Beispiel:

•           Redaktionsstatut mit Mindestkriterien

•           Selbstkontrolle, wie Anerkennung des Presserates und verpflichtende Ver­öffentlichung

•           Trennungsgrundsatz von Nachricht und Kommentar; von Anzeige und redaktio­nellem Inhalt

•           Quellennachweis

•           Recherchebeschreibung

•           Unabhängigkeit

Presseförderung ist eine wichtige Investition in eine der Grundsäulen unserer offenen, liberalen Demokratie und wichtige Grundlage für unsere Meinungsfreiheit.

Der zu geringen Presseförderung steht im aktuellen System eine gewaltige Summe an steuergeldfinanzierten Regierungsinseraten gegenüber, die nahezu willkürlich an Medien vergeben werden können. Die Anordnung zur Hausdurchsuchung im Korrup­tionsfall Kurz zeigt auf erschreckender Weise, wie mit Steuergeld Berichterstattung über den Weg von Inseraten gekauft werden kann. Inserate sind jedoch keine Presse­för­derung. Eine aufschlussreiche Studie des Medienhauses Wien kommt zu folgendem, ernstzunehmenden Schluss: „Die Inseraten- und Förderpolitik von Österreichs Bundes­regie­rung im Tageszeitungsmarkt ist in den vergangenen Jahren ideell und konzeptuell aus dem Ruder gelaufen. Aus Forschungssicht müssen wegen der sehr intransparenten, willkürlichen Inseratenvergabe der Bundesregierung „Bedenken hinsichtlich einer möglichen politischen Einflussnahme´, wie sie von der EU-Kommission in ihrem ´Rechtsstaat­lich­keitsbericht´ zu Österreich formuliert wurden, geteilt werden.“

Es gilt daher, das System der Presseförderung und Inseratenvergabe grundlegend zu ändern: Presseförderung erhöhen und Inseratenvergabe massiv verringern.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Gesetzes­entwurf zuzuleiten, der die gegenwärtige Praxis der Inseratenvergabe durch staatliche Stellen im Zusammenspiel mit einer zu niedrigen Presseförderung beendet. Auf folgende Aspekte sollte dabei im Besonderen geachtet werden:

•           Eine Ausgabengrenze für Inserate von öffentlichen Stellen muss die gegen­wärtigen Volumina drastisch reduzieren. Zusätzlich werden Inserate im Sinne der Spar­samkeit und Effizienz basierend auf ministerienübergreifenden Schalt- und Kommuni­kationsplänen von einer zentralen Stelle geschalten.

•           Im Gegenzug soll die Presseförderung erhöht und nach transparenten und nachvollziehbaren Kriterien vergeben werden. Kriterien sind insbesondere die Qualität der Quellennachweise, die Recherchebeschreibung, die Anerkennung des Presserates, die Unabhängigkeit und die Faktentreue. Medien sollen nach Qualitätskritieren, aber plattformunabhängig gefördert werden.

•           Inserate von staatlichen Stellen müssen in einer transparenten Datenbank öffentlich, nachvollziehbar und dauerhaft einsehbar sein. Das aktuelle Gesetz (§ 3 Abs 6 MedKF-TG) ist derart zu ändern, dass Informationen über die Inserate nicht nach zwei Jahren gelöscht werden."

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Julia Elisabeth Herr. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.