14.58

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Man sollte ja eigentlich meinen, dass alle hier im Haus den Anspruch haben, für die breite Mehrheit der Bevölkerung und nicht für sich selbst Politik zu machen. Die Politik von Sebastian Kurz und dem System Kurz, das in der ÖVP um sich greift, hat mir aber schon vor einigen Jahren gezeigt, dass diese Vorstellung leider nicht stimmt.

Unter Sebastian Kurz ist die ÖVP mehr denn je eine Partei geworden, in der man sich gegen Spenden Politik kaufen kann. (Abg. Strasser: Kleine und mittlere Einkommen!) Wir lesen das sehr direkt in den Chats: „Wer zahlt, schafft an“ und „Ich liebe das“, steht dort geschrieben.

Politik, mit der sich die Reichen in diesem Land einen 12-Stunden-Tag bestellen konn­ten, mit der Millionäre, Millionärinnen auf der einen Seite millionenschwere Staatshilfen aus Steuergeld in Anspruch genommen haben, während sie auf der anderen Seite die Beschäftigten hinausgeworfen haben, oder – jetzt ganz neu, morgen werden Sie das, denke ich, präsentieren, Herr Finanzminister – mit der den größten Unternehmen und Konzernen im Land ein Steuergeschenk gemacht wird, sodass ihre Gewinne noch größer werden: Alles ist anscheinend möglich, wenn sich die ÖVP gemeinsam mit den reichsten Menschen in diesem Land, also den Sponsoren und den Sponsorinnen, also der „Familie“, wie Sie das nennen, etwas zum Ziel setzt. Da werden im Machtrausch schnell auch einmal Umfragen gekauft und gefälscht, da werden mit Inseraten schnell einmal ein paar Zeitungen, ein paar JournalistInnen eingekauft. Da werden selbst Wahlen gekauft, wenn man einfach ein doppelt so hohes Budget für den Wahlkampf ausgibt, als erlaubt ist, und zwar vorsätzlich, auch das muss man einmal sagen. Das ist der ÖVP alles egal. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abgeordneten Eypeltauer.)

Es hat geheißen: „Sparen im System“. Das haben Sie versprochen, auch Sie, Herr Minister, und nichts davon ist passiert! Das Inseratenbudget von Türkis und auch Grün im Übrigen – das muss man auch dazusagen – wurde so stark aufgeblasen wie noch nie zuvor. Im Sinne der Bevölkerung? Wohl kaum! (Abg. Haubner: Was ist mit der Wiener SPÖ? Ihr seid ja so scheinheilig!) Wir können ja nun nachlesen, worum es da gegangen ist. Aus den großspurigen Versprechen wurden mutmaßliche Verbrechen. Das ist das, was jetzt übrig ist. (Abg. Haubner: So was Scheinheiliges!)

Das Ärgste ist ja: Wer hat diese gefälschten Umfragen bezahlt? Der Bericht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft geht davon aus, dass wir das waren, auch Sie zu Hause vor den Bildschirmen, liebe Zuschauer und Zuschauerinnen, Sie sind gemeint, die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen! Wir haben uns die Fakenews, die uns vorgesetzt wurden, auch noch selbst bezahlt. Das System Kurz hat uns für die eigene Volksverblödung zahlen lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Gut, jetzt könnten wir sagen: Das ist ja eh alles nicht neu!, was aber die Chats der Buberlpartie des Sebastian Kurz tatsächlich neu und ungeschminkt ans Tageslicht ge­bracht haben, das hätte nicht einmal ich mir in dieser Dimension vorgestellt (Zwischen­rufe bei der ÖVP), nämlich wie schamlos man wirklich bereit war, nicht nur für sich selbst, sondern gegen die Mehrheit der Bevölkerung Politik zu machen. Auch das muss man klar benennen! – „Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht“, sagt ein bekanntes Zitat. (Ruf bei der ÖVP: Ihr seid nicht gewählt worden! Nimm das zur Kenntnis!)

Wie Sebastian Kurz und auch Sie und viele andere in der ÖVP mit dieser Macht umgegangen sind, können wir nachlesen: Ein 1,2 Milliarden Euro schweres Paket für die Nachmittagsbetreuung war unter Kern und Mitterlehner, Kanzler und Vizekanzler, bereits ausverhandelt, mit Rechtsanspruch für alle Familien in diesem Land. (Zwischen­ruf des Abg. Hörl.) Das Geld wäre dazu da gewesen, endlich ganztägige Betreuungs­angebote auszubauen; das wäre vor allem zum Vorteil für die Frauen in diesem Land gewesen, die noch immer so stark für die Kindererziehung verantwortlich gemacht werden. Und was macht Sebastian Kurz? Er schreibt: „Wie kannst du das aufhalten?“ (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hörl.) Er will ein Bundesland aufhetzen. Heute kennen wir das Ergebnis: Er war erfolgreich. Er hat den Familien im Land vor fünf Jahren den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung gestohlen, und dann, als wir die zweite Chance gesehen, den zweiten Anlauf genommen haben und einen Antrag dazu einge­bracht haben, wurde dieses Vorhaben erneut niedergestimmt. Das gibt es doch nicht! (Beifall bei der SPÖ.) Dafür haben Sie kein Geld, Herr Finanzminister, für die Steuer­geschenke haben Sie es aber schon?!

Szenenwechsel: Schauen wir uns die Aktion 20 000 an, eine Initiative für 20 000 Lang­zeit­arbeitslose in diesem Land. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Lesen wir, was dazu geschrieben wird: Bitte endlich weg mit der Aktion 20 000, bei uns stapeln sich die Anträge!, schreibt da der persönliche Leibwächter von Sebastian Kurz. Ja, wenn das Projekt gut anläuft, dann muss es beseitigt werden, und so ist es geschehen, und zwar eiskalt – da wurde Politik gegen die eigene Bevölkerung gemacht. (Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Hörl.)

Ich komme schon zum Schluss: Die Grünen haben sich am Samstag anscheinend dafür entschieden, das System Kurz mit einem Ersatzkanzler an der Spitze vorläufig weiter zu unterstützen. Dieser Ersatzkanzler hat sich ja bereits in seinem allerersten Statement schon mit Kritik an die ermittelnden Justizbehörden gewendet, hat die Ermittlungen kriti­siert – super, das ist ein Neustart, super! – und hat sich auch Sebastian Kurz unterwor­fen.

Ich sage es ganz ehrlich: Wer glaubt, mit einem Schattenkanzler Kurz eine stabile Regierung bilden zu können, der täuscht sich und der täuscht die Öffentlichkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Amesbauer und Eypeltauer.  Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Diese Krise ist nicht zu Ende, das System Kurz ist nämlich die Krise. Das muss man sagen. Sie wird erst enden, wenn dieses System aufgebrochen wird, wenn nicht gegen die Menschen, sondern für die Menschen Politik gemacht wird, wenn Politik nicht mehr von jenen mit dem meisten Geld käuflich ist, wenn nicht mehr Stimmungsmache durch gekaufte Inserate und Umfragen gekauft wird, erst dann wird sich etwas ändern. (Abg. Wurm: ... FPÖ wählen!)

Um es zusammenfassend zu sagen: Sie können noch so viele Unterlagen schreddern, die politische Verantwortung werden Sie nicht los. Sie werden sie auch nicht los, wenn Sebastian Kurz hier von diesem Sessel (in Richtung Regierungsbank weisend) auf diesen Sessel (in Richtung ÖVP-Reihen weisend) rückt – ich weiß nicht, wie viele Meter es sind, etwa 5 Meter rückt er weiter. Er wird weiterhin versuchen, die Aufdeckung, die Aufklärung zu unterbinden, aber der nächste Untersuchungsausschuss wird kommen. Die Aufdeckungsarbeit wird kommen und das System Sebastian Kurz wird und muss enden. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.05

Präsident Ing. Norbert Hofer: Abgeordneter Gabriel Obernosterer ist zu Wort gemel­det. – Bitte, Herr Abgeordneter.