17.27
Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Eigentlich freue ich mich ja über solche Debatten, weil sie uns in Erinnerung rufen, wie hoch die Bedeutung der Grund- und Freiheitsrechte für unsere Gesellschaft ist. Sie zeigen uns aber leider auch, wie gering die Kenntnisse über die Ausgestaltung, über den Inhalt und über die Funktionsweise dieser Rechte in weiten Teilen der Bevölkerung sind.
Kein Recht wirkt absolut, auch nicht die Grundrechte. Das würde ja auch dem Prinzip der Grundrechte widersprechen, nämlich dass sie für alle gleich und gleichrangig gelten. Dieses Prinzip gibt ja selbst die Grenzen vor: Die Freiheit des einen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. Oder, wie Mai Thi Nguyen-Kim es sagt: Dein Recht, deine Faust zu schwingen, endet dort, wo meine Nase anfängt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Das bedeutet: Grundrechte sind beschränkbar, sie müssen beschränkbar sein – dies natürlich im verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmen. Grob gesagt bedeutet das, dass die Einschränkung des einen Grundrechts dort zulässig ist, wo eine Gefährdung des anderen Grundrechts bevorsteht.
Was heißt das jetzt übertragen auf diese Maßnahmen? – Lassen Sie es mich anhand eines Beispiels erklären: Nehmen Sie eine Gruppe gesunder, fitter, athletischer Menschen, die nicht Ski fahren können, geben Sie denen Ski und Skistöcke, stellen Sie sie oben auf einen Berg und sagen Sie: Fahrt runter! – Die werden sich da todesmutig hinunterstürzen, einige werden stürzen, manche werden sich schwer verletzen, andere vielleicht etwas leichter, manche werden sogar heil runterkommen. Und weil sie sportlich und fit und athletisch sind, werden sie im Laufe dieser halsbrecherischen Fahrt lernen, wie man Ski fährt. Sie werden den Dreh herauskriegen, sie werden herausfinden, wie man die Geschwindigkeit kontrolliert, wie man die Richtung verändert, und werden diesen Berg einigermaßen meistern.
Und dann nehmen Sie eine andere Gruppe genauso fitter, genauso sportlicher, genauso gesunder, genauso athletischer Menschen (Abg. Wurm: Das ist sehr weit hergeholt!) und zeigen Sie denen, wie man einen Schneepflug macht – oder ein Pizzastück, wie man jetzt sagt –, lehren Sie diese, wie man ein Bogerl macht, und lassen Sie es sie in einem geschützten Bereich einmal ausprobieren – und dann lassen Sie diese Menschen den Berg runterfahren. Ich glaube, es liegt auf der Hand, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die heil runterkommen, wesentlich höher ist.
Das entspricht genau dem, wie unser Immunsystem funktioniert. Es kann noch so fit sein und noch so gesund sein, Corona muss es erst einmal lernen. (Abg. Stefan: Das ist ein Plädoyer für Genesene!) Das geht auf die harte Tour, indem man diese Menschen sich einfach den Berg runterstürzen lässt, sprich: sie einfach dem Virus aussetzt. Oder man lässt sie zuerst einen Skikurs machen, sprich: man impft. (Abg. Stefan: Ich habe schon Bogerl machen gelernt, darf aber trotzdem nirgends hingehen! Warum?)
Jetzt wieder zu den Maßnahmen: Natürlich bleibt es jedem und jeder selbst überlassen, ob er oder sie dem Virus lieber mit oder ohne Vorbereitung begegnen möchte. Wenn die Krankenhäuser aber so voll mit Bruchpiloten sind, dass andere Menschen, die dringend Versorgung brauchen, diese nicht bekommen können, dann muss man die Piste für diejenigen sperren, die vom Skifahren keine Ahnung haben; dann darf man sie eben nur für Geübte offen lassen. (Abg. Hauser: So ein Blödsinn!)
Da in diesem Moment das Recht aller auf ausreichende gesundheitliche Versorgung höher zu bewerten ist als das Recht mancher auf Selbstverwirklichung (Abg. Deimek: Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen! – Abg. Wurm: Wer sind die geübten Skifahrer dann?), sind diese Maßnahmen jetzt sowohl notwendig als auch zulässig. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
17.31
Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist nun Herr Abgeordneter Helmut Brandstätter gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.