17.31

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Mit­glieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuseherin­nen und liebe Zuseher! Ich möchte damit beginnen, mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Intensivstationen, die in diesen Tagen eine unglaubliche Aufgabe erfül­len, sehr herzlich zu bedanken. Das können wir alle uns nicht vorstellen. Ich habe mir das von einer Ärztin erklären lassen. Das ist eine wirklich so belastende Aufgabe, dass wir zwischendurch daran denken sollten, wenn wir hier sitzen.

Ich habe erst gestern mit Herrn Prof. Greil, einem Onkologen in Salzburg, darüber ge­sprochen, der mir sehr deutlich gesagt hat: Wissen Sie, welche Verantwortung wir als Ärztinnen und Ärzte jeden Tag haben, wenn wir Entscheidungen treffen? – Ich habe aus seinen Worten herausgehört, dass er den Eindruck hat, dass diese Verantwortung in der Politik so nicht gespürt und gelebt wird, und ihm versprochen, dass ich das hier sagen werde.

Ich habe auch deshalb mit ihm gesprochen, weil mich das, was Herr Landeshauptmann Haslauer vor wenigen Tagen gesagt hat, wirklich persönlich schockiert hat. Ich habe Wilfried Haslauer vor vielen Jahren als Studienkollegen erlebt. Ich halte ihn für einen der wirklich Gebildeten und habe ihn bis zu diesem Zeitpunkt für einen verantwortungsvollen Politiker gehalten. Sich dann aber über Virologen lustig zu machen – dass sie Leute einsperren wollen, die dann irgendwann verhungern und verdursten –, das war beschä­mend. (Abg. Gerstl: Falsch! Hat er nicht! – Bundesministerin Edtstadler: Hat er nicht! – Zwischenruf der Abg. Niss. – Abg. Gerstl: Hat er ja nicht!)

Noch schlimmer aber ist Folgendes: Es war nicht nur beschämend, sondern es hat etwas unterstrichen, was in diesem Land leider sehr präsent ist, nämlich eine unglaubliche Wissenschaftsfeindlichkeit. Die haben wir auch heute wieder gehört. Ich möchte auf dieses blöde Entwurmungsmittel gar nicht eingehen, aber nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass es Wissenschafterinnen und Wissenschafter gibt, die ernsthaft arbeiten, die wis­sen, was sie tun und was sie sagen. Wir müssen alle sehr froh sein, dass sie das ma­chen. Es gibt sehr viele in Österreich, die das tun.

Es ist kein Zufall, dass mir Herr Prof. Kittel geschrieben hat. Er ist der Leiter des Austrian Corona Panel Project. Das (ein Schriftstück in die Höhe haltend) ist nicht irgendein Kinderbrief, den man herzeigen kann und über den man sagt: Schaut, wie lieb ich bin, und das Kind findet mich auch lieb! Das ist ein sehr ernsthaftes Mail von Herrn Prof. Kit­tel, in dem er schreibt: Das Spielen auf der Klaviatur der Pandemieskepsis und Wis­senschaftsfeindlichkeit ist unverantwortlich und trägt ebenso maßgeblich dazu bei, dass es nicht gelingt, die Pandemie zu überwinden. (Beifall bei den NEOS.)

Er schreibt auch: Bitte machen Sie im Nationalrat darauf aufmerksam! Ich wüsste keine andere im Nationalrat vertretene Partei, an die ich mich mit diesem Anliegen wenden kann. – Da ist ja auch ein interessanter und trauriger Befund.

Diese Wissenschaftsfeindlichkeit schadet uns heute, weil es sie nämlich schon seit Län­gerem gibt. Im Sommer hat man auf Plakaten lesen können: Die Pandemie ist gemeis­tert! – Das war erstens nicht nur sehr blöd, sondern es war wirklich gemeingefährlich, weil es das, was die WissenschafterInnen uns damals gesagt haben, dass nämlich die vierte Welle kommt, konterkarieren sollte. Es sagte: Macht euch keine Sorgen!, und das war falsch. Der Herr Bundeskanzler, der den Saal verlassen hat, ist ebenso völlig dane­bengelegen, als er gesagt hat: Das haben wir ja alles nicht wissen können, es hat uns keiner aufmerksam gemacht!

Das „Profil“ hat sehr genau nachgewiesen, dass die Wissenschafterinnen und Wissen­schafter es im Sommer sehr wohl gesagt haben. Es ist ja auch eines Bundeskanzlers nicht würdig, sich jetzt hierherzustellen und zu sagen: Das habe ich nicht gewusst! Nein, er muss es gewusst haben.

Der nächste Punkt: Herr Wöginger hat hier gesagt: Ja, wir haben eh den Hausverstand! Jetzt ist er gerade nicht da. (Zwischenruf des Abg. Prinz.) – Herr Wöginger, mit dem Hausverstand können Sie einkaufen gehen, aber Sie können damit nicht die Forschung beeinträchtigen. Das ist das, was Sie gemacht haben. (Beifall bei den NEOS.)

Jetzt bringe ich Ihnen noch einmal das Buch „Factfulness“ mit. (Der Redner hält das genannte Buch von Hans Rosling in die Höhe.) Ich stelle Ihnen eine Frage, damit Sie sehen, wie das mit dem Hausverstand ist – die, die es gelesen haben, bitte nicht mitspie­len –: Wie viel Prozent der einjährigen Kinder weltweit haben schon zumindest eine Impfung bekommen? Wie viel Prozent? (Abg. Wurm: Hoffentlich keine! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Herr Dr. Mückstein wird das vielleicht wissen. Na, was glauben Sie? Nicht sehr viele. Die Europäerinnen und Europäer, die befragt wurden, sagen: Na, etwa 5 Prozent, 10 Prozent, 20 Prozent! – Nein, 80 Prozent der Kinder weltweit haben bereits eine Impfung bekommen. Das Buch ist im Jahr 2018 geschrieben worden. (Zwi­schenruf des Abg. Matznetter.) Das heißt, die Menschen, auch die Gebildeten, liegen völlig daneben mit dem sogenannten Hausverstand. Wir haben dankbar zu sein, dass wir die Wissenschafterinnen und Wissenschafter haben, die uns aufklären.

Jetzt komme ich zum Schluss. Herr Foitik vom Roten Kreuz, der – so war mein Ein­druck – doch versucht hat, der Regierung ein bissl auf die Sprünge zu helfen, hat heute gefragt: Was ist eigentlich das politische Ziel bei der Bekämpfung der Pandemie? Er weiß es auch nicht. Stellen wir uns vor, wir leben in einem Land, in dem einer der füh­renden Helfer – er arbeitet beim Roten Kreuz –, der auch schon einmal konsultiert wurde und der vielleicht Sachen gesagt hat, die nicht gerne gehört wurden, sagt, er weiß auch nicht, was das politische Ziel ist!

Wie sollen wir denn diese Pandemie bekämpfen, wenn Sie, meine Damen und Herren in der Bundesregierung, keine Ahnung davon haben, wenn Sie dann auch untereinander streiten und am Ende noch auf die Wissenschafterinnen und Wissenschafter losgehen? Hören Sie auf damit und vertrauen Sie denen, die für uns arbeiten, und vertrauen Sie erst recht denen, die Tag und Nacht mit unglaublicher Schutzbekleidung für die Kranken, die es leider gibt, da sind! Wir haben auch gehört, wie viele in den letzten Tagen ge­storben sind. Vertrauen wir denen, die dort arbeiten, und bedanken wir uns bei ihnen! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.37

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Martina Künsberg Sarre. – Bitte. (Abg. Wurm: Nur NEOS, die da reden!)