21.41

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Kol­lege Haubner hat gerade gesagt, die Regierung hat 40 Milliarden Euro in die Hand ge­nommen, damit es der Wirtschaft gutgeht und damit wir die Krise überstehen können. Ich würde sagen, ihr habt 40 Milliarden Euro neue Schulden gemacht, und diese Schul­den werden die Unternehmerinnen und Unternehmer und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land wieder zurückzahlen müssen. Sie haben im letzten Jahr auf Kosten der Zukunft dieses Landes Schulden gemacht und nicht Geld in die Hand genommen!

Frau Minister, es tut mir leid, ich wäre gern freundlich zu Ihnen, aber es geht einfach nicht. Wenn ich mir anschaue, was in den letzten Tagen passiert ist: Das ist ja Ma­nagement by Chaos und ein Déjà-vu, weil wir das im letzten Jahr schon einmal erlebt haben.

Das Budget, über das wir heute eigentlich diskutieren sollten – jetzt geht es um Wirt­schaft –, ist an dem Tag, an dem es vorgelegt, diskutiert wird, schon wieder Makulatur, weil die Einschränkungen – Kollege Matznetter hat es richtig auf den Punkt gebracht – sehr viele und vor allem kleine Unternehmen, die natürlich wieder einen kompletten Ein­nahmenausfall zu verzeichnen haben, total beeinträchtigen.

Wir haben schon im Ausschuss darauf hingewiesen, dass natürlich wieder entsprechen­de Maßnahmen und neue Hilfen notwendig sein werden müssen. Es werden wieder neue Schulden gemacht werden müssen, das Budget wird wieder nicht halten. Sie wer­den das einfach tun müssen.

Bis jetzt haben Sie es nicht getan. Sie machen Verordnungen, die völlig praxisfern sind. Wir haben 3G-Regeln, wir haben 2G-Regeln. Mittlerweile ist österreichweit das ganze PCR-Test-System zusammengebrochen, es funktioniert nicht mehr. Die Arbeiter kom­men nicht mehr in ihre Betriebe, weil die Mitarbeiter mit Strafen von 500 Euro und die Unternehmer von 3 600 Euro bedroht sind. Sie haben gar nicht die Möglichkeit, diese Tests zu erbringen, weil es einfach nicht mehr funktioniert. Das kann man nicht anders als Management by Chaos bezeichnen.

Wenn ich mir anschaue, wie Sie diese Vorschriften erstellen: Sie sind eine der wenigen – ich habe das im Ausschuss schon gesagt –, die einmal ein paar Tage in der Privatwirt­schaft gearbeitet haben. Vom ehemaligen Bundeskanzler bis zum halben Kabinett hat keiner einen Tag in der Privatwirtschaft gearbeitet. Von denen erwarte ich mir ja auch gar nicht, dass sie verstehen, wie das in einem Unternehmen funktioniert, aber Sie müss­ten das ja verstehen. Ihnen müsste ja das Herz wehtun, wenn Sie sich in einen Unter­nehmer versetzen.

Ich gebe Ihnen jetzt zwei Beispiele dafür, wie absurd diese Vorschriften sind. Gehen Sie jetzt davon aus: Eine Tätowiererin ist nicht geimpft und eine Friseurin ist geimpft. Die Friseurin darf sich jetzt von ihrer Kollegin, der Tätowiererin, tätowieren lassen. Umge­kehrt darf sich die eine aber von der anderen nicht die Haare schneiden lassen.

Oder Sie gehen in einen Friseurladen, und dort sind die Chefin und die Mitarbeiterin nicht geimpft. Beide dürfen den ganzen Tag dort nebeneinander arbeiten, aber sie dürfen sich nicht gegenseitig die Haare schneiden.

Das ist ja ein totaler Schwachsinn! Wer soll denn diesen Schwachsinn überhaupt noch glauben? Da kann ja keiner mehr mitmachen! Es macht auch keiner mehr mit, weil das alles völlig praxisfern ist. Sie sind mit Ihrer gesamten Politik total daneben, und es funk­tioniert einfach nicht.

Wenn wir jetzt noch anschauen, was Sie für den Standort Österreich tun, sehen wir: Da fehlt es ja auch komplett. Die Standortpolitik dieser Regierung ist, möchte ich einmal sagen, massiv überschaubar. Wir haben immer noch die höchste Steuerbelastung, wir haben noch massive bürokratische Hürden in unserem System. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Die hohen Lohnnebenkosten sind noch immer ein Thema, die kalte Pro­gression wird nicht abgeschafft; Fachkräftemangel, Lehrlingsmangel – nichts wird dage­gen getan.

Das Einzige, was Ihnen einfällt, ist, dass Sie die Rot-Weiß-Rot-Karte ausweiten und schauen wollen, dass mehr Mitarbeiter aus dem Ausland nach Österreich kommen. Das ist jetzt die in Ihrem Budget definierte wirkungsorientierte Folgenabschätzung und Ihr Ziel: dass Sie die Rot-Weiß-Rot-Karte entsprechend ausdehnen und damit versuchen, Arbeitskräfte, Facharbeiter nach Österreich zu holen.

Dass Sie aber endlich einmal für die eigenen Leute etwas tun, dass Sie einmal schauen, dass von uns wieder mehr eine Lehre beginnen, dass wieder mehr den Facharbei­terberuf angehen und sagen: Das ist etwas Gescheites!, das tun Sie nicht. Jeden Antrag von uns, der Lehrlinge betrifft, egal ob es der Blum-Bonus zur Unterstützung der Un­ternehmer war, egal ob es die Lehrabschussprämie war, die ich auch jetzt wieder ein­bringen werde, lehnen Sie kategorisch ab.

Sie tun nichts dafür, dass wieder mehr Menschen in Österreich den Lehrberuf angehen, also eine Lehre beginnen, und damit wieder Facharbeiter in den Branchen zur Verfügung stehen. (Abg. Michael Hammer: Das ist ein Blödsinn!) Wenn man sich die Branchen ein bissel anschaut – ein Touristiker ist hier, der Kollege aus dem Gailtal –, muss man sa­gen, es ist eigentlich auch erschreckend, dass sich im Gastronomiebereich von 2005 bis 2019, 2020 die Lehrlingszahlen halbiert haben. Das heißt, die Branche hat damals noch 14 000 Lehrlinge ausgebildet, heute ist sie bei 8 000 Lehrlingen. Insgesamt sind es über­haupt nur 7,5 Prozent, die der Tourismus an Lehrlingen ausbildet. Da sind das Gewerbe und das Handwerk mit 50 Prozent noch top. Die bilden wenigstens noch Lehrlinge aus, die Touristiker bilden aber keine Lehrlinge aus.

Jetzt würde ich mir als Wirtschaftsministerin einmal die Frage stellen: Warum ist das so? Warum bilden die keine Lehrlinge aus? – Weil halt die Rahmenbedingungen nicht pas­sen, weil die Lehrlinge nichts verdienen, weil sie das halbe Einkommen von einem Mau­rerlehrling haben und weil die Lehre nicht attraktiv ist. Sie sind nicht bereit, etwas zu tun, damit sich das ändert.

Bevor ich den Antrag zur Lehrabschlussprämie einbringe, noch ein Punkt zu Ihrer Co­ronapolitik: Als unser Klubobmann vor circa drei Wochen den Plan B präsentiert hat, dass man endlich einmal einen Strategiewechsel machen sollte – Sie sagen ja täglich: impfen, impfen, impfen, drängen die Leute in die Impfung hinein, drängen Kinder in die Impfung hinein, drängen jeden Unternehmer und den Mitarbeiter in die Impfung hinein ‑, haben Sie sich darüber lustig gemacht. Klubobmann Wöginger hat sich darüber lustig gemacht. Heute lese ich im „Exxpress“: „Schramböck kritisiert Mückstein-Chaos: ‚Fokus sollte auf Medikamenten liegen‘“. – Frau Minister, es freut mich, dass Sie offensichtlich die Strategie ändern und jetzt auch auf eine medikamentöse Behandlung setzen. (Abg. Loacker: ... Ich weiß nicht, ob das für den Kickl spricht!) Es widerspricht aber total der derzeitigen Linie dieser Bundesregierung. Vielleicht können Sie uns das noch erklären.

Jetzt bringe ich noch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Einführung einer Lehrabschlussprämie“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, jene Maßnahmen zu setzen bzw. Schritte ein­zuleiten, die die Einführung einer bundesweiten, aus öffentlichen Mitteln finanzierten Lehrabschlussprämie in Höhe von 10.000 Euro für jede erfolgreich abgeschlossene Leh­re sicherstellen, wobei 5.000 Euro dieser Prämie dem Lehrling bei erfolgreichem Lehrab­schluss direkt ausgezahlt und 5.000 Euro in Form eines Bildungsschecks für seine be­rufliche Fortbildung zur Verfügung gestellt werden sollten.“

*****

Ich freue mich auf Ihre Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.49

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer und weiterer Abgeordneter betreffend die Einführung einer Lehrabschlussprämie

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 4: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1034 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2022 (Bundesfinanzgesetz 2022 – BFG 2022) samt Anlagen (1157 d.B.) (UG 40 Wirtschaft) in der 129. Sitzung des Nationalrats am 16. November 2021

Der Fachkräftemangel in Österreich wird zusehends zu einem massiven Problem für die heimische Wirtschaft.

So legen die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage beispielsweise im Kärntner Gewerbe und Handwerk das Ausmaß des Fachkräftemangels in Kärnten dar: 24 Prozent der Betriebe gaben an, ihren Beschäftigungsstand in den nächsten Monaten um durch­schnittlich 6,8 Personen erhöhen zu wollen. Spartenobmann Klaus Kronlechner betonte, dass die Erholung der Auftragslage im ersten Quartal 2021 gegenüber dem ersten Quartal 2020 zu diesem dramatischen Fachkräftemangel führte: „Wir trommeln seit Jah­ren, dass der Fachkräftemangel bedrohende Ausmaße für das Gewerbe und Handwerk annimmt. Jetzt ist die Situation eingetreten, vor der wir immer gewarnt haben: Unsere Betriebe können die Aufträge kaum noch abarbeiten, da ihnen qualifizierte Mitarbeiter fehlen. Wir sind jetzt leider an einem Punkt angekommen, an dem der Fachkräftemangel die Produktivität bremst.“1

Laut einer Studie, die im Auftrag der WKO durchgeführt wurde2, waren bereits im Sep­tember 2020 62 Prozent der Betriebe von starkem Fachkräftemangel betroffen. Insge­samt gaben 81 Prozent der Betriebe an, dass sie zumindest in irgendeiner Form vom Mangel an Fachkräften betroffen sind. „Besonders intensiv wird der Mangel an Fach­kräften am Bau, in der Herstellung von Holzwaren, im Tourismus, im handwerklich-tech­nischen Bereich sowie in mittelgroßen Betrieben erlebt. Hochgerechnet auf Österreich kann zum Befragungszeitpunkt September 2020 von einem geschätzten Fachkräftebe­darf (offene Stellen) von rund 177.000 Personen (bezogen auf alle Mitgliedsbetriebe der WKO) ausgegangen werden.“ In rund 61 Prozent der Betriebe hat der Fachkräftemangel auch zu Umsatzeinbußen geführt. Rund 50 Prozent der Unternehmen gaben an, dass in Folge des Mangels auch weniger qualifizierte Bewerber eingestellt werden mussten, was sich wiederum auf die Möglichkeit zur Innovation bzw. Entwicklung neuer Produkte aus­wirkte. Zudem wird von über 70 Prozent der Betriebe eine Verschärfung des Fachkräfte­mangels in den nächsten drei Jahren befürchtet.

Auch die EY-Studie vom Februar 2021 „Fachkräftemangel im österreichischen Mittel­stand“ bestätigt diese Zahlen und den Fachkräftemangel in Österreich: 76 Prozent der Mittelstandsunternehmen haben Probleme damit, geeignete Fachkräfte zu finden und 35 Prozent der Mittelstandsunternehmen gaben an, Umsätze aufgrund des Fachkräfte­mangels zu verlieren.3

Auch der diesem Antrag zugrunde liegende Entschließungsantrag der Abgeordneten Muchitsch, Genossinnen und Genossen betreffend arbeitsmarktpolitische Sofortmaß­nahmen zur Beschäftigungsförderung zielt unter anderem auf Maßnahmen zur Bekämp­fung des Fachkräftemangels und zur Unterstützung der Lehrlingsausbildung ab.

Es bedarf dringend geeigneter Maßnahmen, um dem Fachkräftemangel effektiv zu be­gegnen. Neben einer Informationsoffensive der Jugend, müssen vor allem Schüler ange­sprochen und dazu motiviert werden, einen Lehrberuf zu ergreifen. Die Lehre muss ins­gesamt attraktiver werden und wieder an Stellenwert gewinnen. Mit einer aus öffent­lichen Mitteln finanzierten Lehrabschlussprämie für jede erfolgreich abgeschlossene Lehre in Höhe von 10.000 Euro könnte den Lehrlingen der Start in ihre private und beruf­liche Zukunft erleichtert werden. 5.000 Euro dieser Prämie sollten dem Lehrling direkt ausgezahlt und 5.000 Euro in Form eines Bildungs-schecks für seine berufliche Fortbil­dung zur Verfügung gestellt werden.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachste­henden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, jene Maßnahmen zu setzen bzw. Schritte ein­zuleiten, die die Einführung einer bundesweiten, aus öffentlichen Mitteln finanzierten Lehrabschlussprämie in Höhe von 10.000 Euro für jede erfolgreich abgeschlossene Leh­re sicherstellen, wobei 5.000 Euro dieser Prämie dem Lehrling bei erfolgreichem Lehr­abschluss direkt ausgezahlt und 5.000 Euro in Form eines Bildungsschecks für seine berufliche Fortbildung zur Verfügung gestellt werden sollten.“

1     https://www.5min.at/202107396224/wkk-fachkraeftemangel-bremst-produktivitaet-in-kaernten/

2     https://news.wko.at/news/oesterreich/ibw-summary_Fachkraeftebedarf_mangel-in-Oesterreich-2020_FIN.pdf

3     https://presse.ikp.at/news-ey-studie-fachkraeftemangel-im-oesterreichischen-mittel­stand-2021?id=125943&menueid=2186&l=deutsch

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Götze. – Bitte.