10.14

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­te Damen und Herren des Hauses! Geschätzter Herr Minister! Ich möchte jetzt nahtlos an das Thema Pflege, das schon Kollege Kucher angesprochen hat, anschließen, weil es mir ein wirkliches Bedürfnis ist (Bundesminister Mückstein ist im Begriff, den Saal zu verlassen) – und es wäre auch für Sie wichtig, jetzt nicht hinauszugehen, sondern hierzu­bleiben, Herr Minister, um etwas darüber zu lernen, wie man Pflege entwickeln kann.

Wir haben in Kärnten in einem Zeitraum von mehreren Jahren vorgezeigt, wie man die Pflege verändern und sie auch weiterentwickeln kann. Wir sind auf ein Pflegesystem gestoßen – Kollege Kucher sagt zwar, ihr alle seid schuld, die ÖVP, die Grünen, ihr alle habt nichts zustande gebracht, Frau Hartinger-Klein hat auch nichts dazu beigetragen (Zwischenruf des Abg. Kucher) –, das seit 40 Jahren in den meisten Bundesländern von der SPÖ verfolgt wird. Es ist meist so, dass die SPÖ das Gesundheitssystem führt und es über Jahre hinweg – aufgrund Ihrer Entwicklung – gelähmt hat, und wir haben heute die Aufgabe, das in einem Kraftakt gemeinsam umzusetzen, und zwar in drei Punkten, und ich kann Ihnen zu jedem einzelnen ein Beispiel nennen.

Das Erste ist die Finanzierung. Wir haben heute in Österreich zwar einen Föderalismus mit neun Bundesländern und einem Bund, aber wir schaffen es nicht, eine einheitliche Finanzierungsagentur für ein Pflegeheim aufzustellen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Tirol hat 74 verschiedene Pflegeströme, damit zum Schluss das Geld bei einem Pflegebett ankommt. Kärnten hat 54 Pflegeströme. Das heißt, ich frage Sie: Wie lange muss man Geld im Kreis herumschicken, damit Angehörige endlich versorgt werden können? – Das ist der erste Punkt.

Wir haben nichts unternommen, um der Pflege vorgelagerte Institutionen zu schaffen. Wir haben heute zwar mobile Dienste und wir haben auch Pflegebetten und Pflegehei­me, aber was haben Sie unternommen, um diesen extramuralen Bereich zu stärken? – Nichts! Im Gegenteil, man hat die finanzielle Unterstützung abgeschafft und man hat den Leuten gesagt, sie müssen in Pflegeheime gehen, anstatt sie vor Ort und zu Hause zu versorgen.

Schauen Sie sich Holland an! Holland hat vor 15 Jahren begonnen, die Nachbarschafts­hilfe, das Buurtzorg-Modell, zu kreieren, und heute werden 50 Prozent aller Angehörigen von professionellen Pflegekräften zu Hause versorgt. 24 Stunden sieben Tage in der Woche zwei professionelle diplomierte Pflegekräfte, die sich ausschließlich um den An­gehörigen kümmern – das ist keine neue Erfindung in Österreich. Man muss nicht immer das Rad neu erfinden, sondern man muss ausschließlich schauen, was Sozialsysteme auch in anderen Ländern Gutes zuwege bringen. Das heißt, auch diese Ansätze sind in dem neuen Pflegemodell zu berücksichtigen.

Der dritte Punkt, und das ist das Wesentlichste, ist: Hören Sie auf, sich gegen die Pfle­gelehre zu sträuben! Sie wissen heute, dass Sie in der Ausbildung nicht nachkommen werden. Sie können ausbilden, so viel Sie wollen, aber es werden uns am Ende des Tages, 2030, zwischen 75 000 und 100 000 Pflegekräfte fehlen. Wo wollen Sie die her­nehmen? Wo sollen die versorgt werden? Wer kann sie noch versorgen?

Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Letzte Woche kam die Pflegedienstleitung eines steiri­schen Unternehmens zu mir. Er ist angeklagt worden, weil er gegenüber seinen diplo­mierten Pflegeschwestern die Aufsicht verletzt hat. Es gibt in sieben Pflegehäusern eine Auslastung von 65 Prozent – nicht bei den Personen, die dort gepflegt werden, sondern 65 Prozent Auslastung bei den diplomierten Schwestern und Pflegern, die dort arbeiten. Das heißt, Sie haben es nicht mit einem Pflegenotstand, Sie haben es mit einem Pfle­gebankrott zu tun, weil die Leute nicht mehr in Pflegeheimen arbeiten wollen, weil sie Angst davor haben; nicht nur wegen Corona, sondern auch, weil sie es leid sind, ständig unter dem Druck, bei dem enormen Zeitaufwand und der schlechten Bezahlung in Pfle­geheimen zu arbeiten.

Es ist jetzt an der Zeit und an der Stunde, endlich dieses Modell zur Umsetzung zu bringen. Hören wir auf zu reden, das ist echt läppisch und echt verantwortungslos gegen­über den zu Pflegenden und den PflegerInnen, dass wir da nicht agieren! (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Fischer.)

Setzen Sie daher ein Pflegemodell um! Wir bringen einen Entschließungsantrag ein, nämlich betreffend das Kärntner Pflegemodell, dem Sie vielleicht zustimmen können:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pflege­modell Kärnten als Vorbild für Österreich“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die folgende gesetzliche Regelungen umfasst:

- Die Einführung eines Pflegeschecks

- Eine soziale Absicherung für pflegende Angehörige

- Eine steuerliche Entlastung von Pflegeberufen

- Die Etablierung neuer Ausbildungsmodelle (Pflege-Lehre nach Schweizer Vorbild)“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.20

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

betreffend Pflegemodell Kärnten als Vorbild für Österreich

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 4) Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1034 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoran­schlages für das Jahr 2022 (Bundesfinanzgesetz 2022 – BFG 2022) samt Anlagen (1157 d.B.) (UG 21 Soziales und Konsumentenschutz) in der 129. Sitzung des National­rats am 17. November 2021

Der Landesparteitag der FPÖ Kärnten hat am 25. September 2021 einen Beschluss zum „Kärntner Pflegemodell“ beschlossen:

Kärntner Pflegemodell

Um die auf uns zukommenden Herausforderungen im Bereich der Pflege lösen zu kön­nen, braucht es einen klaren Systemwechsel. Die Devise muss lauten: Daheim statt sta­tionär!

Die Ausgaben des Landes für rund 7.000 Kärntner, die stationär gepflegt werden, stei­gen stetig an und sind wesentlich höher als die Kosten für etwa 25.000 Pflegegeld-Be­zieher, die zuhause versorgt werden. Neben den Kosten, steigt auch die Zahl der pflege­bedürftigen Personen und damit der Bedarf an Pflegekräften. Experten gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2030 in Österreich mehr als 75.000 Pflegekräfte zusätzlich benö­tigt werden.

Diese Entwicklung wird mit dem herkömmlichen Pflegemodell weder personell noch finanziell zu bewältigen sein. Um einerseits also die Kosten erheblich zu senken und andererseits die benötigten Pflegekräfte aufbringen zu können, muss die „Ressource Familie“ stärker genutzt werden. Pflegebedürftige Menschen (mindestens von Pflege­stufe 1 bis 3) sollten zuhause gepflegt werden, solange es möglich ist.

Die Pflege zu Hause muss einerseits zur Entlastung des stationären Bereichs und zum Verbleib in den eigenen vier Wänden forciert werden, um andererseits gleichzeitig Kos­ten und Ressourcen zu schonen. Es muss für die Kärntner Bevölkerung wieder eine verlässliche Versorgungs- und Finanzierungssicherheit im Bereich der Pflege geben.

Dazu braucht es eine angemessene finanzielle Unterstützung sowie sozialrechtliche Ab­sicherung für diejenigen im Umkreis der Familie, die diese Aufgabe übernehmen.

Mit einem monatlichen „Pflegescheck“ für die pflegenden Angehörigen, soll die Pflege zuhause für jeden leistbar gemacht werden. Er kann dabei helfen, die Pflege an sich bzw. den Pflegebedarf zu finanzieren, während er den pflegenden Angehörigen gleich­zeitig die Möglichkeit gibt, sich selbst zu versichern.

Die Pflege muss also derart gestaltet sein, dass sie auf den demographischen Wandel – vor allem auch in den ländlichen Regionen – reagiert, echte Wahlmöglichkeiten bietet und zudem günstig und hochwertig den Pflegenden und ihren Angehörigen zur Verfü­gung steht. Es muss auf die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der zu pflegenden Per­son wertgelegt werden. Pflege- und Assistenzbedürftige sind in jeder Lage durch Re­spekt, Achtung und liebevollen Umgang in ihrer Selbstbestimmung und Würde zu unter­stützen.

Folgende Punkte soll das Kärntner Pflegemodell beinhalten:

-     Pflegescheck

-     Soziale Absicherung für pflegende Angehörige

-     Steuerliche Entlastung von Pflegeberufen

-     Neue Ausbildungsmodelle (Pflege-Lehre nach Schweizer Vorbild)

Die FPÖ fordert die Umsetzung des Kärntner Pflegemodells mit den in der Begründung angeführten Eckpunkten und der Schwerpunktsetzung auf die Pflege zuhause und der Entlastung des stationären Bereichs. Dieses „Kärntner Pflegemodell“ soll bundesweit umgesetzt werden und ein weiteres Modul im Rahmen der österreichischen Pflegere­form darstellen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die folgende gesetzliche Regelungen umfasst:

-     Die Einführung eines Pflegeschecks

-     Eine soziale Absicherung für pflegende Angehörige

-     Eine steuerliche Entlastung von Pflegeberufen

-     Die Etablierung neuer Ausbildungsmodelle (Pflege-Lehre nach Schweizer Vorbild)“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Werner. – Bitte sehr.