17.00
Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Frau Kollegin Götze hat soeben einen Entschließungsantrag – gemeinsam mit Kollegen Peter Haubner – eingebracht, der mich etwas wundert: Die Regierung fordert sich wieder einmal selbst auf, ein Sicherheitsnetz für österreichische Betriebe aufzuspannen. In diesem Antrag heißt es:
„Aufgrund der besorgniserregenden COVID-Entwicklung werden aktuell neuerliche Beschränkungen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens diskutiert. Entsprechend der Ausgestaltung dieser Beschränkungen wird auch eine Fortsetzung der bewährten Wirtschaftshilfen erforderlich sein, um Personen und Unternehmen zu helfen, die durch diese Maßnahmen unverschuldet in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten können. [...]
Die Bundesregierung wird ersucht, möglichst rasch geeignete Unterstützungsmaßnamen für die österreichischen Betriebe zu präsentieren, um so Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu sichern.“
Geh, Peter (in Richtung des Abg. Haubner), kannst du nicht bitte hier herauskommen und erklären, wozu ihr euch da jetzt selbst auffordert? Was ist da jetzt geplant? Was steht an? Kommt morgen der Lockdown, oder was ist los? Wir verstehen diesen Antrag nicht. Es ist, muss ich ehrlich sagen, für mich nicht ganz erklärbar, dass sich eine Bundesregierung selber auffordern muss, Maßnahmen zu überlegen und zu präsentieren, damit man die Arbeitsplätze und die Unternehmen sichert. Vielleicht tust du das nachher. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)
Und, Frau Kollegin Götze, vielleicht hätten Sie sich ein anderes Thema als die Gemeinden und den Finanzausgleich aussuchen sollen, wenn es um das Budget geht, denn was sagt denn – den werdet ihr vielleicht auch kennen – der ÖVP-Gemeindebund-Vizepräsident Johann Hingsamer zu diesem Budget? – „Die Presse“ titelt: „Das ist ein Wahnsinn“. Das ist „ein Schlag ins Gesicht der“ österreichischen „Gemeinden“, „Der Föderalismus wird mit Füßen getreten“, das ist eine „einseitige[...] Geldbeschaffung“ – sagt Johann Hingsamer, nicht Erwin Angerer. Johann Hingsamer ist seit 29 Jahren Bürgermeister, er ist seit 20 Jahren im Gemeindebund, ist ÖVP-Mitglied, also hochrangiger ÖVP-Funktionär. Das sagt also Johann Hingsamer zu diesem Budget, was den Finanzausgleich betrifft.
Vielleicht noch einmal zur Erklärung, was Finanzausgleich bedeutet: Von den gemeinschaftlichen Einnahmen des Bundes bekommen die Gemeinden rund 11 Prozent und die Länder rund 20 Prozent. Und was macht die Bundesregierung mit den Einnahmen aus den Besteuerungen, die sie den Österreicherinnen und Österreichern mit der im Rahmen der sogenannten ökosozialen Steuerreform eingeführten CO2-Bepreisung jetzt aufbürdet? – Da kommen dann im Jahr Mehreinnahmen von 1,5 bis 2,4 Milliarden Euro herein, in den nächsten Jahren bis 2025 reden wir da von rund 10 Milliarden Euro, und der Bund geht her und sagt: Dieses Geld nehmen wir nur für uns ein.
Auf der anderen Seite werden aber Steuererleichterungen – für die wir ja grundsätzlich sind –, was die Einkommensteuer oder die Körperschaftsteuer betrifft, natürlich von den Gemeinden mitfinanziert werden müssen, denn wenn auf der einen Seite die Einnahmen sinken und auf der anderen Seite Einnahmen lukriert werden, diese sich aber der Bund nur für sich zurückbehält, dann bleibt einer auf der Strecke – in diesem Fall zwei: das sind die Länder und die Gemeinden.
Das ist nicht nur ein zusätzlicher Schlag für alle 2 000 österreichischen Gemeinden, die durch die Coronakrise natürlich finanziell geschädigt sind und in den letzten Jahren einen massiven Einnahmenausfall gehabt haben, sondern es ist auch wieder ein Schlag in das gesamte Sozialsystem und für jeden Einzelnen draußen, der betroffen ist, denn die Gemeinden finanzieren bei den Krankenanstalten mit – zu 50 Prozent –, sie finanzieren bei der vorschulischen Erziehung mit, sprich bei den Kindergärten – sie sind die Kindergartenbetreiber –, sie finanzieren im Sozial- und Pflegebereich mit – allein in diesem Bereich sind es fast 5 Milliarden Euro, die die Gemeinden ausgeben, und da fehlen ihnen natürlich jetzt diese rund 5,5 Prozent bei den Einnahmen. Es wird also auch in diesem Bereich jeden Einzelnen treffen, und das ist auch wieder ein Schritt in Richtung einer völlig unsozialen Politik, der von dieser Bundesregierung gesetzt wird.
Deshalb stelle ich einen Antrag, dass die Mehreinnahmen aus dieser Steuerreform – und vielleicht ist es vielen Bürgermeistern in diesem Land noch nicht bewusst, was das für sie bedeutet – als gemeinschaftliche Bundesabgabe zu sehen sind, damit zumindest dieses Geld, das da zusätzlich hereinkommt, auch wieder im Zuge des Finanzausgleichs über den Verteilungsschlüssel, wie er normalerweise vorgesehen ist, verteilt wird.
Ich bringe folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „CO2-Steuer als gemeinschaftliche Bundesabgabe“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich zu einer grundlegenden Reform zur Entlastung der Gemeindebudgets zu bekennen.
Die Bundesregierung wird weiter aufgefordert, zu diesem Zweck die CO2-Abgabe als gemeinschaftliche Bundesabgabe zu verwenden, da der Klimaschutz alle drei Gebietskörperschaftsebenen gleichermaßen betrifft und insbesondere Gemeinden aufgrund der Corona-Krise massiv von Einnahmeausfällen betroffen sind.“
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Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)
17.05
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
des Abgeordneten Erwin Angerer
und weiterer Abgeordneter
betreffend CO2-Steuer als gemeinschaftliche Bundesabgabe
eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 4, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1034 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2022 (Bundesfinanzgesetz 2022 – BFG 2022) samt Anlagen (1157 d.B.) – UG 44
in der 129. Sitzung des Nationalrats am 18. November 2021
Die von der türkis-grünen Bundesregierung selbst ausgerufene „ökosoziale Steuerreform“ enthält viele Punkte, die weder ökologischen noch sozialen Ansprüchen gerecht werden. Vor allem für Gemeinden wird es durch die geplante Steuerreform eng. Aufgrund der Corona-Krise gehen ihre laufenden Einnahmen stetig zurück, während ihre Ausgaben steigen. Durch Rückgänge bei den Ertragsanteilen oder bei der Kommunalsteuer wird die Handlungsfähigkeit von Städten und Gemeinden stark gefährdet.
Die Steuerreform trägt nun das Ihrige dazu bei, diesen Umstand zu verschlimmern bzw. eine weitere Verschlechterung der Situation für Gemeinden herbeizuführen. Das veranschlagte Reformvolumen von 18 Mrd. Euro geht mit einem Rückgang der Ertragsanteile für die Gemeinden inkl. Wien von rund 2,4 Mrd. Euro einher – insgesamt tragen Gemeinden rund 13% der Gesamtreformvolumens.1 Die ohnehin schon große Finanzierungslücke der Gemeinden, die sich aufgrund der Rückzahlungsverpflichtungen der Corona-Hilfspakete ergibt, wird durch diese Maßnahme zunehmend vergrößert. Bereits ein Vergleich der Einnahmen aus Ertragsanteilen der Jahre 2019 und 2020 zeigt, dass das 1. Corona-Krisenjahr bereits zu Mindereinnahmen von 5,5% (rund 400 Mio. Euro) für Gemeinden geführt hat.2 Einhergehend mit den Rückzahlungspflichten für die Corona-Gemeindepakete werden sich viele Gemeinden in naher Zukunft in einer Situation wiederfinden, in der sie aufgrund von finanziellen Engpässen jegliche Handlungsfähigkeit verlieren. Johannes Hingsamer – Vizepräsident des Österreichischen Gemeindebundes – fasste die Steuerreform dementsprechend wie folgt zusammen: „Er [BM Gernot Blümel] holt sich jetzt das Geld, das er mit dem Gemeindepaket gegeben hat, gleich mehrfach zurück.“3
Grundsätzlich wäre aufgrund der Tatsache, dass Gemeinden über den Finanzausgleich die Mindereinnahmen aus der Steuerreform mittragen, davon auszugehen, dass etwaige neue Abgaben auch als gemeinschaftliche Bundesabgaben zu entrichten sind. Bis dato war es üblich, dass Bund, Länder und Gemeinden von allen Steuern einen fixen Prozentsatz erhalten (Gemeinden 11,88% und Länder 20,5%). Leider ist bei der Steuerreform dieser Grundsatz unberücksichtigt geblieben, sodass Gemeinden aktuell keinen Cent von den Mehreinnahmen durch die CO2-Steuer erhalten. Obwohl durch diese Steuer der Bund bis 2025 bis zu 10 Mrd. Euro einnehmen soll, ist nicht angedacht, die CO2-Steuer als gemeinschaftliche Bundesabgabe zu verwenden. Viel eher soll mit der CO2-Steuer der Klimabonus finanziert werden. Insofern ist vor allem für Gemeinden der soziale Aspekt der Steuerreform kaum nachzuvollziehen, ebenso fehlen wichtige ökologische Anreizsysteme.4 Die von der Bundesregierung versprochene „ökosoziale Steuerreform“ hat ihr Ziel demnach klar verfehlt und muss in einigen Punkten dringend überarbeitet werden, um einen Zusammenbruch unserer kommunalen Infrastruktur und Leistungssysteme zu verhindern.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich zu einer grundlegenden Reform zur Entlastung der Gemeindebudgets zu bekennen.
Die Bundesregierung wird weiter aufgefordert, zu diesem Zweck die CO2-Abgabe als gemeinschaftliche Bundesabgabe zu verwenden, da der Klimaschutz alle drei Gebietskörperschaftsebenen gleichermaßen betrifft und insbesondere Gemeinden aufgrund der Corona-Krise massiv von Einnahmeausfällen betroffen sind.“
1 Vgl. KDZ 2021: Steuerreform 2021 – Auswirkungen auf die Gemeindefinanzen. Presseinformation, in: https://www.kdz.eu/sites/default/files/2021-10/PA_Steuerreform%202021%20-%20Auswirkungen%20auf%20die%20Gemeindefinanzen.pdf [Download vom 17.11.2021].
2 Vgl. Österreichischer Gemeindebund 2020: Gemeindefinanzbericht Kompakt 2020, in https://gemeindebund.at/website2020/wp-content/uploads/2017/05/gbf-kompakt-2020.pdf [Download vom 17.11.2021].
3 Hingsamer, Johann 2021: Gemeindebund zur Steuerreform: ,Das ist ein Wahnsinn‘, in: https://www.diepresse.com/6042759/gemeindebund-zur-steuerreform-das-ist-ein-wahnsinn [Download vom 17.11.2021].
4 Vgl. Fritz, Siegfried (2021): Steuerreform 2021 – Auswirkungen auf die Gemeindefinanzen I, in: https://www.kdz.eu/de/aktuelles/news/steuerreform-2021-auswirkungen-auf-die-gemeindefinanzen-i [Download vom 17.11.2021].
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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.
Nächster Redner: Herr Abgeordneter Maximilian Lercher. – Bitte.