18.08

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich beobachte ja schon seit Jahren das Wirken des Immunitätsausschusses, konkret seit 1994, und habe auch mehrfach miter­leben müssen, wie Spruchpraxen im Immunitätsausschuss in den letzten drei Jahr­zehnten geändert wurden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte mich einmal nicht verschweigen – ohne Partei zu ergreifen –, aber das, was wir schlussendlich im Hohen Haus aus dem Immunitätsausschuss und seiner Spruchpraxis gemacht haben, halte ich schlichtweg für eine Farce; und diese setzen wir täglich fort.

Ich erinnere daran, dass bis circa 2006, 2007 im Zweifel ein politischer Zusammenhang festgestellt wurde und man sich dann aber nicht drübergetraut hat, trotz der Feststellung eines politischen Zusammenhangs auszuliefern, was ja grundsätzlich möglich ist – das wäre ja nur eine Frage der Spruchpraxis. Stattdessen versuchen wir hier, mit juristischen Argumenten herbeizuführen, ob etwas einen politischen Zusammenhang darstellt oder nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, alles, was hier im Hohen Haus gemacht wird, ob jetzt von einem Abgeordneten oder von einem Regierungsmitglied, das dann Abge­ordneter wird, ist Politik! Wir sind kein politikfreier Raum, wir machen hier Politik. Der wirkliche Fehler, der sich eingeschlichen hat, weil man das Kind wieder einmal mit dem Bade ausgeschüttet hat, ist, dass der Immunitätsausschuss leider keine Handhabe bietet, dass man einen Rechtsanspruch daraus entwickeln kann, einen Rechtsanspruch, der sich von selbst ergibt. Nein, es entscheidet ein politisch besetztes Gremium nach Parteifarben, das schon in der Vergangenheit unglaubliche Kapriolen geschlagen hat, weshalb man immer wieder versucht, herumzuprobieren und es anders zu machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist der Umgang mit dem Parlamentarismus und mit uns selbst als Mitgliedern, den wir hier in Wirklichkeit zur Farce machen, weil in Wirklichkeit niemand draußen in der Bevölkerung versteht, warum wir hier feststellen, dass das, was Herr Kollege Kurz oder auch irgendein anderer in der Vergangenheit gemacht hat, keinen politischen Zusammenhang hat! Na, selbstverständlich hat das einen politischen Zusammenhang! Man will ihn aber ausliefern, oder er selbst will es auch – das kann er gar nicht, das wurde eh festgestellt. Man will ihn ausliefern, man folgt dem Zeitgeist, dem Boulevard und vieles andere mehr und schüttet das Kind mit dem Bade aus.

Solange es keinen Rechtsanspruch auf Auslieferung gibt, wird man immer eine Spruch­praxis finden, die den Mächtigen dient. Und die, die den Mächtigen dient, ist in diesem Fall seit mehr als 30 Jahren die der ÖVP, die ja diese Spruchpraxis entwickelt hat und sich jetzt selbst als Gefangene dieser Spruchpraxis wiederfindet. Das schlägt am Ende so eine Kapriole, dass, wenn wir feststellen, dass es keinen politischen Zusammenhang gibt, Herr Abgeordneter Kurz die Rechtsanwaltskosten, die er aufwendet, um sich dann vor der Staatsanwaltschaft zu verteidigen, nicht einmal von der Steuer absetzen kann, weil es ja keinen politischen Zusammenhang mit seinem Einkommen gibt und er das nicht einmal als Sonderausgaben geltend machen kann. Das ist nämlich dann die Spruchpraxis, weil sich die Finanz im Wege der Amtshilfe das Protokoll kommen lässt (Zwischenruf des Abg. Loacker), und wenn kein politischer Zusammenhang festgestellt worden ist, kann man auch die Kosten der Verteidigung, die bis in die Hunderttausende gehen und die wirtschaftliche Existenz von Abgeordneten gefährden, von der Steuer nicht absetzen – auch wenn man obsiegt hat und man darauf in der Regel sitzen bleibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, so weit haben wir es gebracht! Ich fordere den Immunitätsausschuss dringend auf, sich einmal zu treffen – nicht um 8 Uhr in der Früh für eine Viertelstunde und Ähnliches mehr oder um Mitternacht nach einer Sitzung, so wie es die Frau Kollegin gesagt hat, das sei ja alles Routine und das gehe in 2, 3 Minuten –, sich zusammenzusetzen und grundsätzlich darüber nachzudenken, wie wir es denn mit der parlamentarischen Immunität in Zukunft halten wollen (Zwischenruf der Abg. Yildirim.) So, wie es derzeit gelebt wird, kann man die Immunität nämlich auf dem Scheiterhaufen der Geschichte entsorgen. Dann brauchen wir sie in Wirklichkeit in der Form nicht, was eigentlich schade ist, weil sie letztlich auch zum Schutz der freien Meinungsäußerung gedacht ist. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.14

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Georg Bürstmayr. – Bitte.