10.08

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der breite österreichische Konsens gegen die Atom­kraft wirkt auf Menschen meiner Generation wie etwas Natürliches, das es eigentlich immer schon gegeben hat, dabei ist er das Ergebnis einer langen, breiten und sehr intensiv geführten gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Er ist ein Beleg dafür, dass wir lernfähig sind, dass wir groß genug sein können, stehenzubleiben und zu schauen: Ist der Weg, den wir eingeschlagen haben, noch der richtige?, dass wir die Größe haben können, zu sagen: Nein, wir haben uns verrannt!, dass wir den Mut haben, Ent­schei­dungen neu zu fällen, wenn es notwendig ist.

In Österreich – das wissen viele nicht – war der Bau von mehreren Atomkraftwerken geplant; eines in Zwentendorf wurde tatsächlich fertiggebaut. Bundeskanzler Kreisky wollte im Prinzip schon den Zündschlüssel umdrehen.

Die meisten der damaligen Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker waren so wie er der Meinung, dass die Nutzung der Atomkraft alternativlos ist, dass es aufgrund unseres steigenden Energieverbrauchs keine Alternativen zur Atomkraft gibt. Das erinnert sehr stark an aktuelle Diskussionen. Es gab dann massiven Protest aus der Zivilgesellschaft, der 1978 in eine Volksabstimmung gemündet ist. Wir alle wissen, wie sie ausgegangen ist. Heute – und wir haben das heute schon gehört – ist Österreich eines der ganz we­nigen Länder auf der Welt, das sehr konsequent mit allen Mitteln auf allen Ebenen überall gegen Atomkraftwerke kämpft. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn die EU-Kommission darüber nachdenkt, Investitionen in die Atomkraft als nach­haltig zu bezeichnen und zu greenwashen, dann stemmt sich die gesamte österreichi­sche Bundesregierung mit allen Mitteln dagegen. Das möchte ich betonen. Ich bin mir auch sicher, egal, wer in dieser Bundesregierung vertreten ist, das ist eine Konstante in Österreich, auf die wir stolz sein können, und das ist gut so. (Beifall bei den Grünen.)

Weniger gut ist eine andere Konstante in Österreich, und zwar, dass die Sozialdemo­kratische Partei in Österreich im Umgang mit der Ökologiebewegung anscheinend nichts dazugelernt hat und mit großer Verlässlichkeit auf der falschen Seite der Geschichte steht. (Abg. Leichtfried: Aber geh! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Führung der Sozialdemokratie war damals vehement – auch noch nach der Volksabstimmung! – für Zwentendorf. Einige Jahr später in Hainburg wollte man die UmweltschützerInnen niederknüppeln, anstatt mit ihnen zu verhandeln. (Abg. Leichtfried: Aber geh!) Und heute: Was macht die SPÖ heute? – Da schickt die SPÖ-Stadtregierung Drohbriefe an KlimaschützerInnen, die sich gegen die Stadtautobahn in Wien engagieren, und droht ihnen mit Klagen in Millionenhöhe. Nach Wochen der Gesprächsverweigerung ver­schickt sie passenderweise am Tag der Menschenrechte, am 10. Dezember, von der Kanzlei des ehemaligen SPÖ-Justizsprechers Jarolim einen Brief an 50 Umweltschützerinnen und Umweltschützer. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bezeich­net dieses Vorgehen übrigens als extremen Eingriff in das Recht auf Meinungsäußerung. (Beifall bei den Grünen.)

Die Drohbriefe wurden relativ wahllos an 50 UmweltschützerInnen, KlimaschützerInnen geschickt, und zwar ziemlich unabhängig davon, ob sie dort tatsächlich eine Baustelle besetzt haben oder nicht. Sie gingen einfach an VertreterInnen von Organisationen, die sich teilweise nur im Internet kritisch geäußert haben oder die einfach nur einen Hashtag benutzt haben. Sie ergingen an Wissenschafterinnen und Wissenschafter, die einfach nur Fakten aufgezeigt haben und sich öffentlich gegen den Bau ausgesprochen haben, ohne das Protestcamp auch nur betreten zu haben. Und sie gingen – und das finde ich besonders verwerflich an Kinder. Letzten Freitag haben ein 13-jähriges und ein 14-jähriges Mädchen ein E-Mail mit diesem Brief bekommen, in dem ihnen eine Millio­nenklage angedroht wird. Ich frage mich wirklich, liebe SPÖ, was ist mit euch los? (Beifall bei den Grünen.)

Was fällt euch ein? Eure Genossen schicken Drohbriefe an Kinder und Wissenschafter und ihr sagt keinen Ton dazu. Ihr habt euch noch im August vehement, und zwar zu Recht, gegen Einschüchterungsklagen gewehrt und habt sogar ein eigenes Gesetz dagegen gefordert. Und heute schicken eure GenossInnen in Wien Drohbriefe mit Ein­schüchterungsklagen an 13-jährige Kinder und an WissenschafterInnen. Ich finde das unfassbar. Es ist wirklich das Allerletzte! (Beifall bei den Grünen. Ruf: Das ist unglaub­lich! – Zwischenruf des Abg. Schroll.)

Ich hoffe, ihr habt jetzt die Größe, zu erkennen, dass ihr euch da verrannt habt, dass es Zeit ist, umzukehren und Entscheidungen neu zu fällen, weil es eben notwendig ist. Zieht die Klagsdrohungen gegen die Kinder und gegen die WissenschafterInnen und gegen die KlimaschützerInnen zurück und setzt euch mit ihren Argumenten auseinander! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.14

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist als letzter Redner dazu Abgeordneter Shetty. – Bitte sehr. Das Wort steht bei Ihnen.