10.18

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! Wir sprechen heute über den Konflikt der zwei größten Staaten in Europa. Dabei geht es um viele Menschen – 41 Millionen Menschen leben in der Ukraine, wenn wir von der Ukraine sprechen –, und ja, auch Österreich ist wirtschaftlich betroffen. Wir sind der sechstgrößte Investor in der Ukraine, 150 österreichische Betriebe haben Niederlassungen im Land, darunter schon sehr lange große Unternehmen wie Raiffeisen, Red Bull oder Porsche. Wir importieren viel aus der Ukraine – Rohstoffe wie beispielsweise Eisenerz – und exportieren auch viel dorthin. Der Konflikt betrifft uns massiv.

Was können wir tun? – Es war schon die Rede von der Östlichen Partnerschaft der EU. Diese existiert seit 2009. Sechs Länder inklusive Ukraine sind bei der Östlichen Part­nerschaft dabei. Das ist ein Versuch, mit diesen Ländern intensiv zusammenzuarbeiten, es ist aber kein Projekt Brüssel versus Moskau. Es ist eine Zusammenarbeit zum Beispiel auf Ebene der Resilienz, zum Beispiel im Kampf gegen Desinformation und Cyber- beziehungsweise hybride Bedrohungen – da wird unterstützt. Es ist Wieder­aufbau dabei und es werden Reformen wie beispielsweise jene in Bezug auf Rechts­staatlichkeit und Regierungsführung unterstützt. (Beifall bei den Grünen.)

Weiters gibt es den strategischen Kompass der EU. Das ist eine Initiative der EU mit dem Ziel, die Sicherheits- und Verteidigungspolitik in den kommenden Jahren zu stär­ken. Das möchte ich jetzt nicht näher ausführen.

Ein bisschen möchte ich zu den Sanktionen sprechen; das ist das dritte Instrument, das uns zur Verfügung steht. Ich stimme überein, dass wir als Österreich eine Verantwortung haben, als EU eine Verantwortung haben, uns da zu beteiligen, sollten Sanktionen nötig sein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Bei dieser Gelegenheit möchte ich erwähnen: Trotz der bestehenden Sanktionen ist die EU nach wie vor Russlands wichtigster Handelspartner und Russland ist der viert­wichtigste Handelspartner der EU. Also da ist einiges zu tun.

Ich komme zum vierten Punkt, der mir sehr wichtig ist und der mir als guter Weg aus dieser Zwickmühle erscheint: die strategische Autonomie. Von dieser war noch nicht so viel die Rede. Strategische Autonomie bedeutet: Wir erinnern uns alle an den Beginn der Covid-19-Pandemie, in ganz Europa war keine Schutzausrüstung verfügbar. Wir haben sie in China bestellen müssen. Da bestand eine Abhängigkeit, und genau diese Abhängigkeiten müssen wir reduzieren, Abhängigkeiten von einzelnen Ländern müssen wir reduzieren. (Beifall bei den Grünen.)

Bei diesem Konzept der strategischen Autonomie geht es also darum, dass wir unser multilaterales Handeln stärken, also mit vielen verschiedenen Ländern Handelsbezie­hun­gen aufbauen, die Abhängigkeit von einzelnen Ländern reduzieren und dadurch weniger anfällig für externe Bedrohungen sind. Genau das ist auch eine Dimension des derzeitigen Konflikts, denn wir sind abhängig von fossilen Rohstoffen aus Russland, aus Kasachstan, aus diesen östlichen Ländern. Diese Abhängigkeit müssen wir reduzieren, und dafür haben wir eine gute Lösung: Wir brauchen einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien, die haben wir in Europa. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist natürlich nicht nur die Abhängigkeit von Rohstoffen, sondern auch die technolo­gische Abhängigkeit – technologische Abhängigkeit beispielsweise wieder von asiati­schen Ländern. Da geht es um Halbleitertechnologien. Also auch da müssen wir ganz massiv unsere Unabhängigkeit ausbauen, indem wir in diese Bereiche investieren und resilien­ter werden. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Melchior und Wöginger.)

Ganz klar ist: Das bedeutet nicht, dass wir auf Multilateralismus, also auf die Zusam­menarbeit mit vielen Ländern, verzichten, sondern das bedeutet, dass wir die eigene Resilienz stärken. Die Lösung des Konflikts wird trotzdem in multilateralen Verhandlun­gen liegen, also nicht nur zwischen Russland und der Ukraine, sondern multilateral. Und die EU und auch Österreich müssen mit dabei sein. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.24

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Brandstötter. Bitte.