15.15

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Die Jugend Österreichs hat das Jugendwort 2021 gewählt, und da ist das Wort cringe herausgekommen – C, R, I, N, G, E –, das heißt übersetzt so etwas wie peinlich und fremdschämen. Wissen Sie, was mir da gleich in den Sinn kommt, wenn ich dieses Wort cringe lese? – Dieses Wort kommt mir sofort in den Sinn, wenn ich an die Beiträge der FPÖ zur Pandemiebekämpfung denke. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich bin auch etwas verwundert über diese Kurzdebatte. Abgeordneter Wurm und die FPÖ beantragen eine Kurzdebatte zu folgendem Thema – ich lese es vor –: „Verzicht auf Aspiration bei intramuskulärer Injektion hinsichtlich den Empfehlungen des RKI“. Ich frage mich: Was hat eine fachmedizinische Diskussion mit einer Kurzdebatte zu tun? – Gar nichts, aber mich wundert es auch nicht. Ich diskutiere gern mit Kollegen Wurm, ich würde ihm aber vorschlagen, er soll zu mir kommen, ich impfe ihn und erkläre ihm dann, was Aspiration bedeutet – dann hätten wir zwei Fliegen auf einen Schlag. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei Abgeordneten der NEOS sowie des Abg. Stöger.)

Ich beschäftige mich in diesen paar Minuten lieber mit Dingen, die mich wirklich inter­essieren und beschäftigen, und nicht mit Dingen, die in einer Kurzdebatte nichts verloren haben, zum Beispiel mit den Menschenrechten. Es gibt Menschenrechte auf vieles – wir hören das immer wieder –, es gibt ein Menschenrecht darauf, hochgradigen Unsinn zu glauben und diesen Unsinn auch öffentlich herauszubrüllen, aber es gibt kein Menschen­recht darauf, anderen Menschen lebensgefährliche Therapien zu empfehlen (Zwischen­rufe der Abgeordneten Hafenecker und Stefan) oder ungeimpft anderen Menschen dringend benötigte Krankenhausbetten wegzunehmen, weil man nicht in der Lage ist, das Konzept Impfung zu verstehen. Impfung ist Training für das Immunsystem.

Manchen harten Impfgegnern ist jedes Mittel recht: Halbwahrheiten, Erfindungen, Über­treibungen. Es gibt einen Spruch, der mir auch immer wieder in den Sinn kommt: Ver­leumde und verdrehe nur dreist, es bleibt immer etwas hängen!

Die Pandemie zwingt uns, liebgewonnene Gewissheiten über Bord zu werfen. Das Virus ändert sich schnell, viel zu schnell für uns, und selbst Epidemiologen und Virologen – die wirklichen Experten – lernen ständig dazu, die Dinge sind ständig im Fluss. Das verlangt uns viel ab und sorgt auch für Ängste, und ich habe wirklich viel, viel Verständnis für die Ängste der Menschen.

Ich wiederhole aber immer: Was bewirkt denn eine Impfung und warum sind wir so dafür? – Es geht darum, die Krankheitslast in der Bevölkerung langfristig zu vermeiden, damit wir nicht ständig von Lockdown zu Lockdown stolpern, und es sollen damit schwere Verläufe von Covid und auch Todesfälle vermieden werden. Wir haben mitt­lerweile 14 000 Covid-Tote, und das ist sehr traurig. Die besten Mittel gegen diese Pan­demie sind die Wissenschaft, die Eigenverantwortung und auch der Hausverstand. Alle drei dürfen und müssen eingesetzt werden (Beifall des Abg. Brandweiner), aber in der öffentlichen Debatte werden der Hausverstand und die Wissenschaft wie Konkurrenten dargestellt, dabei sind sie einfach nicht vergleichbar.

Was ist der Hausverstand? – Erlauben Sie mir kurz, das zu erläutern: Das ist tradiertes Wissen, von Generation zu Generation weitergegeben, und ist in vielen Bereichen von Bedeutung, und wenn ich schnell entscheiden muss, kann ich nichts anderes machen, als mich darauf zu verlassen. In einer über Jahre andauernden Pandemie kann ich aber mit Hausverstand nicht viel lösen.

Und was ist die wissenschaftliche Logik? – Diese geht von Thesen und Überprüfungen aus – hören Sie gut zu! (Zwischenruf des Abg. Hafenecker) –, es ist ein stetiger Pro­zess, der sich verändert und damit Widerspruch erzeugt. Die Wissenschaft impliziert immer neue Erkenntnisse. Wenn sich das Virus ändert, ändern sich auch die Rahmen­bedingungen. Man muss klar sagen, die Wissenschaft beschäftigt sich mit der Frage der Naturgesetze und mit dem Verständnis der Zusammenhänge. Es ergeben sich dann oft Widersprüche, aber die Wissenschaft lügt nicht. Das ist oft nicht einfach, sehr kompliziert und mühsam. Dieses Bemühen erwarte ich mir aber von vielen und vor allem von Abgeordneten in diesem Haus. Eine Studie von April 2020 herauszupicken und einen Satz daraus zu zitieren hilft uns heute, im Jänner 2022, nicht weiter. (Beifall des Abg. Jakob Schwarz.)

Die Frage, die sich heute und auch nach der Pandemie stellt, ist: Wie erreicht man denn Leute, die den Glauben an die Wissenschaft verloren haben? – Das Zauberwort für mich und für so viele andere heißt Bildung. Man muss in der Schule damit anfangen.

Nochmals: Die Impfung gegen Covid ist und bleibt die einzige breit anwendbare Mög­lichkeit, die Krankheitslast und auch die Krankenhauslast zu vermindern und zu redu­zieren. Es gibt ganz klare Evidenzen, dass ganz besonders Personen, die bereits die dritte Impfung erhalten haben, davon profitieren. Und es gilt auch weiterhin: Eine durch­gemachte Erkrankung birgt weit höhere Risken als die Impfung. Also bitte: Impfen statt schimpfen und verunglimpfen! – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Abg. Doppelbauer.)

15.20

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kucher. – Bitte.