9.48

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Eine Regierung, die nicht einmal imstande ist, den Leuten auf rechtssicherem Weg einen Hunderter zukommen zu lassen, einen Botschafterposten oder die Medizinmarktaufsicht korrekt zu besetzen oder eine Lotterie durchzuführen, muss sich jetzt für etwas abfeiern, das sie gar nicht beeinflusst hat, nämlich dass die Arbeitslosenzahlen nicht so schlecht sind, wie sie sein könnten. Das ist das Thema der Aktuellen Stunde und es ist schon ziemlich erbärmlich. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Nach dieser Pleiten-, Pech- und Pannenserie klammert man sich bei der ÖVP an den letzten Strohhalm.

Wenn man aber wirklich auf das Fundament schaut, dann sieht man: Die Beschäfti­gung – das Beschäftigungsausmaß – ist zurückgegangen. Wie viel Prozent der erwerbs­fähigen Bevölkerung arbeitet tatsächlich? – Da liegen wir hinter dem Vorkrisenniveau, und wenn man die Coronakurzarbeit herausrechnet, dann ist es sogar ein massiver Einbruch. Arbeitslose kann man leicht verstecken, aber das Sinken der Beschäftigungs­quote kann man nicht so leicht verstecken.

Wir sind „gut durch die Krise gekommen“: Das wiederholt die ÖVP so oft, dass es mir schon wieder aus den Ohren herauskommt, tatsächlich sind wir aber schlechter durch die Krise gekommen als die meisten anderen EU-Staaten. Wenn man nämlich das Bruttoinlandsprodukt von vor der Krise und das jetzige vergleicht, dann sieht man, dass Österreich auf Platz 21 innerhalb der EU liegt – auf Platz 21! –, aber Sie sind ja schnell zufrieden. Mit dem Schlusslicht fühlen Sie sich wohl – bravo ÖVP!

Tatsächlich sind die Probleme nämlich viel größer, als der Blick auf die Arbeitslosen­zahlen aufzeigt. In Wirklichkeit haben wir einen Arbeitskräftemangel in allen Qualifika­tionsstufen. Vom Hilfsarbeiter mit Pflichtschulabschluss bis zum Akademiker mit Aus­landssemester: Es gibt Jobchancen an allen Ecken und Enden und die Firmen suchen Arbeitskräfte. Dazu fällt der Regierung gar nichts ein.

Die Maßnahmen, die der Regierung einfallen, verschlimmern das Problem nur noch. Die Coronakurzarbeit haben Sie immer wieder verlängert, verlängert, verlängert und ver­längert; jetzt haben Sie angekündigt, sie wird Ende März endlich auslaufen. Mit der Coronakurzarbeit, die am Anfang der Krise gut war, hat man in der Zwischenzeit nur noch Steuermilliarden ausgegeben, um Leute in Jobs zu halten, in denen sie nicht ge­braucht wurden, während sie dann nicht in Jobs gegangen sind, in denen sie gebraucht worden wären. Sie haben also das Problem verschlimmert.

Der nächste Schlag zur Verstärkung des Problems auf dem Arbeitsmarkt, zur Ver­stärkung des Arbeitskräftemangels ist schon in der ministeriellen Pipeline, das ist das neue Arbeitslosengeld. (Zwischenruf des Abg. Koza.) Angekündigt ist nämlich ein de­gressives Arbeitslosengeld – das ist gut, aber es soll hinten nicht weiter hinunter als zu dem Punkt, wo es heute ist, also nicht unter die 55 Prozent. Das heißt, Sie werden das Arbeitslosengeld erhöhen. Sie werden in einer Zeit des Arbeitskräftemangels noch mehr Geld in die Arbeitslosenversicherung buttern und es noch attraktiver machen, nicht arbeiten zu gehen. (Zwischenruf des Abg. Koza.) Die Betriebe, die Mitarbeiter suchen, werden sich noch schwerer tun, neue Mitarbeiter zu finden – und die Menschen, die arbeiten gehen, müssen das finanzieren. (Beifall bei den NEOS.)

Ein weiteres Problem ist, dass die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung zeitlich nicht begrenzt ist. Das gibt es in der gesamten Europäischen Union in einem einzigen Land: in der Republik Österreich. In allen anderen Länder gibt es einen Zeitraum, da läuft die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung aus. In manchen Ländern ist die Arbeitslosenversicherung überhaupt freiwillig, wie in Schweden und in Dänemark – aber so weit traue ich mich ja gar nicht zu gehen, sonst werde ich hier herinnen gesteinigt.

Genauso untätig ist die Regierung, wenn es um qualifizierte Zuwanderung geht. Die Rot-Weiß-Rot-Karte ist unterbelichtet und politisch vernachlässigt. Österreich ist super in Familienzusammenführung – da holen wir alle möglichen Leute aus aller Herren Länder nach –, aber wenn es um qualifizierte Zuwanderung geht, passiert nichts. (Zwischenruf der Abg. Disoski.) Im Schnitt dauert ein Rot-Weiß-Rot-Karte-Verfahren für spitzen­qua­lifizierte Kräfte 15 Wochen – das ist aber auch kein Wunder, wenn zwei Behörden daran arbeiten, dass eine Person eine Rot-Weiß-Rot-Karte kriegt (Zwischenruf des Abg. Hörl); das wird immer so lange dauern, solange zwei Behörden ihre Pfoten drinnen haben –, in der Zwischenzeit arbeiten die qualifizierten Leute in Kanada, in Australien, in Schwe­den, aber sicher nicht in Österreich. Der Exportschlager Österreichs sind gut ausge­bildete Menschen. Wir exportieren die gut Ausgebildeten und holen die schlecht Aus­gebildeten herein. Wir haben einen veritablen Braindrain auf dem österreichischen Ar­beitsmarkt.

Für die Arbeitsmarktpolitik verdient die Regierung also ein sattes Nicht genügend – die wird ungefähr so gut gemacht wie die Impflotterie, sie verkauft die Fehlleistung nur besser als bei der Impflotterie. Ihre – unter Anführungszeichen – „Erfolge“ können Sie vielleicht den Journalisten in einer Pressekonferenz erzählen, aber den Unternehmern, die dringend Arbeitskräfte suchen, müssen Sie dieses Märchen nicht auftischen. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Koza.)

9.53

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke für die Pünktlichkeit.

Als Nächster ist Abgeordneter Fürlinger an der Reihe. – Bitte, Herr Abgeordneter.