9.58

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Was denken sich die Leute, die zuschauen, bei diesen Reden der ÖVP, die bisher gehalten wurden? (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Fürst.) Wissen Sie, was das Gegenteil von hervorragend ist? – Schlecht, erbärmlich, unzureichend: So war leider nicht nur jetzt die Rede des Kollegen Fürlinger (Zwischenruf bei der ÖVP), sondern so ist auch die Arbeits­marktpolitik. Herr Bundesminister, das müssen Sie sich gefallen lassen, dass wir Ihnen jetzt sagen, dass Sie keinen Plan im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit haben. (Zwischen­ruf des Abg. Hörl.) Sie haben keinen Plan, denn seit zwei Jahren ändern sich die Zahlen betreffend Menschen, die langzeitbeschäftigungslos sind, nicht. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Sie sind auf einem unglaublich hohen Niveau.

Fast 155 000 Frauen und Männer in diesem Land sind langzeitbeschäftigungslos, mehr als zwölf Monate beim Arbeitsmarktservice als ohne Beschäftigung vorgemerkt. Es sind 10 000 Frauen mehr als vor der Krise. Wo sind da die Pläne? Sind es vielleicht die, die Sie gestern präsentiert haben (Beifall bei der SPÖ), diese Arbeit plus? Gerade einmal 100 Frauen – zum Glück für diese 100 Frauen – sind in dieser Maßnahme dieses ABZ Austria beschäftigt. Ich schätze die Arbeit dieser Organisation sehr, aber das Projekt, das Sie gestern präsentiert haben, läuft seit eineinhalb Jahren und läuft bald wieder aus.

Also 100 Frauen – aber 10 000 Frauen sind langzeitbeschäftigungslos. Das müsste zehnmal, 20-mal so viel sein. Setzen Sie doch dort das Geld ein, wo es gebraucht wird! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen eines: Was denken sich diese Personen – von den 380 000 Menschen werden jetzt einige zuschauen –, wenn Sie von dieser Zahl sprechen, wenn Sie da so unglaublich über deren Köpfe hinweg die Situation, in der sich diese Menschen befinden, beschreiben? Herr Bundesminister, Sie haben gestern selber gesagt, der Rückgang der Arbeitslosigkeit sei den saisonalen Effekten zuzuschreiben, Sie wüssten auch noch nicht, was die Krise in der Ukraine für den Arbeitsmarkt bringen wird. (Ruf bei der ÖVP: Saisonale Effekte haben wir eh hier auch!) Also das heißt, nur schönreden geht in Zeiten wie diesen nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist nämlich so, sehr geehrte Damen und Herren: Viele in diesem Land können sich das Heizen, das Wohnen, das Essen und die Kleidung nicht mehr leisten. Und Sie denken an Anreize in der Form, dass Sie vorhaben, das Arbeitslosengeld zu senken?! Ja wovon sollen die Leute denn dann leben, wenn sie jetzt schon Probleme haben? Diese Menschen haben vielleicht auch Kinder. Was sollen sich die Kinder denken, die keine oder zu kleine Schuhe haben, die kein Gewand haben, die keine Jause in die Schule mitbekommen? Ich glaube, das ist nicht hervorragend – das ist erbärmlich, erbärmliche Politik! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Des Weiteren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen: Vor einem Monat haben wir Sie hinsichtlich der Impfpflicht unterstützt – drei Tage später war der Pakt wieder gebrochen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Was denken sich denn da die Zuschauerinnen und Zu­schauer? Nehammer sitzt im Auto und erklärt, dass die Impfpflicht vielleicht gar nicht notwendig ist. Was denken Sie sich eigentlich, was im Herbst vielleicht kommen wird?! Wir werden Maßnahmen brauchen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Sie, Herr Bundesminister Kocher, sagen, die Pflege sei Angelegenheit von Bundes­minister Mückstein, das sei seine Angelegenheit – nein, die Pflege, die entsprechende Ausbildung, das ist auch Ihre Angelegenheit, Herr Bundesminister! Wo sind die Aus­bildungsplätze, die leistbar sind? (Beifall bei der SPÖ.)

Der Bildungsbonus wurde erwähnt. Wie soll man sich mit 180 Euro Bildungsbonus im Monat eine Ausbildung an einer Fachhochschule leisten können? Das geht doch gar nicht! (Abg. Koza: Sie haben jahrzehntelang nichts gemacht! Das ist die Realität!) – Nein, nein, nein. Unterstützen Sie bitte dort, wo es notwendig ist, und taumeln Sie bitte nicht von einem Chaos ins andere und lenken Sie nicht ab! Die Grünen sind im Tief­schlaf, von ihnen hört man in diesem Bereich gar nichts. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenrufe bei ÖVP und Grünen.)

Ich sage Ihnen eines zu dem Sprungbrettprojekt: Wenn man in einen Pool ohne Wasser springt, bekommt man Kopfweh, wenn man es überlebt, aber sonst schon gar nichts. Die Aktion Sprungbrett ist ein Rohrkrepierer, das hat fast nichts gebracht. Also wo bitte sind Ihre Initiativen gegen Langzeitarbeitslosigkeit? Wo ist Ihr Einsatz im Pflegebereich, im Kinderbetreuungsbereich? Den vermissen wir.

Und übrigens: Fachkräftemangel – nur um das zurechtzurücken –: Außer bei Köchen/Köchin­­nen, Kellnern/Kellnerinnen orten wir keinen Fachkräftemangel in Österreich. Wollen Sie sich vielleicht die billigen Arbeitskräfte aus den Drittstaaten holen? Das würde Ihnen passen, aber uns sicher nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Weidinger.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Redezeit ist zu Ende. Schlusssatz bitte!

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (fortsetzend): Ihre Herausforderungen für die Zukunft, sehr geehrte Damen und Herren, heißen: Kürzen des Arbeitslosengeldes, noch mehr Menschen in die Armut treiben und vor allem Frauen, die in der Pandemie schon sehr, sehr gelitten haben, noch einmal bestrafen. Ich sage nur noch einmal, 10 000 Frauen – mehr als vor der Krise – sind langzeitbeschäftigungslos, und darauf haben Sie keine Antworten. Ich glaube, dass Sie das nicht begriffen haben und dass Ihre Zeit eigentlich vorbei ist. (Beifall bei der SPÖ.)

10.04

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Angerer. – Bitte.