12.23

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Ja, bevor ich mit meiner Rede beginne, muss ich ganz kurz auf den Redebeitrag des Kollegen Reimon eingehen und einmal Folgendes klarstellen: Erstens einmal – er hat es dann ohnehin richtiggestellt –, wir haben das Freundschaftsabkommen mit Putin gehabt. Zu Kollegin Meinl-Reisinger, die behauptet hat, rechte Parteien und auch die FPÖ würden von Putin finanziert wer­den: Das ist falsch!!! – Drei Rufzeichen. Die Freiheitliche Partei wird nicht von irgend­wem aus Russland finanziert. Das bringen Sie natürlich immer gerne vor, aber das ist schlichtweg falsch. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Ebenso falsch beziehungsweise dramatisch bedauernswert und schockierende Gefühle hervorrufend ist das, was momentan passiert, was heute Nacht passiert ist, was heute während des Tages passiert und was, so fürchten wir, noch passieren wird, wenn wir jetzt nicht das Richtige machen. Was ist passiert? – Es ist der nächste Schritt in einer Spirale der Eskalation, der nächste Schritt, der – und unser Klubobmann Herbert Kickl hat es schon gesagt – selbstverständlich auch für uns Freiheitliche eine absolute rote Linie ist. Niemand von uns wird jemals und hat jemals einem militärischen Angriff, der letztlich dann auch zum Verlust von Menschenleben führt, etwas Positives abgewonnen. Das ist eine ganz klare Feststellung von uns: Niemand von uns findet daran etwas Posi­tives!

Wir sind ernsthaft besorgt darüber, dass sich diese Eskalationsspirale offenbar weiter dreht, das ist ein nächster Schritt. Ich bin noch mehr besorgt, wenn Sie vom Gespräch mit Selenskyj, dem ukrainischen Präsidenten, berichten, weil die nächste Konsequenz wäre, dass er um Unterstützung ersucht, ja, und dann kommen die Nato-Truppen – wer soll es sonst sein, die EU hat keine Truppen –, und dann haben wir wirklich ein Problem. Das ist unsere ganz große – ich sage sogar – Bitte: Das mit aller Kraft zu verhindern.

Ich habe von Ihnen, Herr Bundeskanzler, leider keinen einzigen Vorschlag gehört, wie Sie das verhindern wollen, sondern das geht eher in die Richtung: Ja, selbstverständlich werden wir da auch unterstützen, und die Nato muss eingreifen. – Also wenn wir das Szenario haben, dann haben wir Irak 2.0, dann haben wir Afghanistan 2.0, dann haben wir Syrien und Libyen, mit all den Konsequenzen, mit Hunderttausenden Zivilisten, die dann sterben – in diesem Fall Europäern, die dann sterben.

Ich bitte Sie also inständig: Vielleicht können Sie uns noch Vorschläge machen, wie man diesen nächsten Schritt der Eskalation, der mit großer Wahrscheinlichkeit kommen wird, verhindern kann. Warum? – Weil das natürlich diametral gegen die Interessen Europas und seiner Völker ist. Die Europäer haben dann die Toten, die Europäer haben ein Land, das vermutlich im vollkommenen Chaos versinken wird.

Wenn wir uns Afghanistan und den Irak anschauen, so sind das ja faktisch alles Folgen amerikanischer Außenpolitik: jener der Vereinigten Staaten von Amerika und der – je nachdem – Koalition der Willigen, der Nato et cetera und überall. Es muss doch legitim sein, ohne dass man gleich als Feind Amerikas oder so angefeindet wird – das meine ich auch mit Ausgewogenheit, mit Neutralität im Sinne einer Äquidistanz –, es muss doch auch möglich und erlaubt sein, das, was Amerika macht, vorhat et cetera, zu kritisieren und zu sagen: Seid doch auch ihr bereit, an den Verhandlungstisch zu gehen! Seid auch ihr bereit und seid euch bewusst, dass an diesem Verhandlungstisch ein Kompromiss erzielt werden muss!

Ein Kompromiss ist immer ein Nachgeben von verschiedenen Positionen. Ich sehe keine einzige Position, bei der die USA beziehungsweise die Nato nachgegeben haben. Das ist alternativlos, alles wird abgelehnt, auch die Gespräche werden verweigert – selbst­verständlich dann auch von Putin. Das ist schon ein beidseitiges Sich-Hochschaukeln, ein beidseitiges Nicht-miteinander-Reden, das letztlich zu den Konsequenzen führt, die ich vorhin beschrieben habe und die für Europa furchtbar sind.

Wenn Sie ein glühender Europäer sind, dann versuchen Sie, das mit aller Kraft zu ver­hindern! Wenn Sie ein glühender Europäer sind, dann stellen Sie sich die Frage: Was ist das Beste für Europa in dieser Situation? Wenn Sie ein glühender Österreicher sind, dann stellen Sie sich die Frage: Was ist das Beste für die Republik Österreich? Was ist das Beste für seine Bürger? Stellen Sie sich die Frage: Ist vielleicht das Modell der Neu­tralität ein geeignetes Instrument, das Beste für die Bürger und die Republik Österreich herauszuholen? – Wir sind der Meinung, ich bin der Meinung, die Freiheitliche Partei ist der Meinung: Ja, das ist das richtige Instrument, man muss es nur klug machen.

Die zweite Frage, die man sich stellen muss, ist: Ist die Europäische Union in ihrer derzei­tigen Gestalt das richtige Instrument, das richtige Instrumentarium, um die Interessen der europäischen Bürger zu vertreten? – Diese Frage muss ich leider mit Nein beant­worten, weil die Europäische Union in der derzeitigen Gestalt mehr oder weniger keine Rolle in diesem geopolitischen Konflikt spielt und sich, so wie es ausschaut, natürlich auch unter dem Druck – denn viele Länder der Europäischen Union sind Nato-Länder – der Nato in diesem Konflikt USA/Nato-Russland vollkommen auf die Seite von USA/Nato schlägt. Das kann nicht gutgehen.

Noch einmal: Wir sind kein Mitglied der Nato. Wir hätten da die wunderbare Möglichkeit, uns eben nicht vollkommen auf die Seite der USA und der Nato zu schlagen, sondern gemeinsam etwa mit anderen neutralen Staaten, wie es die Schweiz ist, wie es Schwe­den ist, wie es Irland ist, eine Plattform zu bilden und aus dieser Äquidistanz heraus eine gute Lösung zu finden, die diesen Wahnsinn, der da jetzt am Horizont steht, verhindert. (Beifall bei der FPÖ.) Sich aber einseitig auf eine Seite zu schlagen, das ist nicht der richtige Weg.

Wir wollen das Beste für Europa und für die Republik Österreich. Selbstverständlich hat jeder Krieg auch eine wirtschaftspolitische Komponente. Sie können mir bitte nicht er­klären, dass Europa wirtschaftspolitisch von dieser Situation und von diesem Krieg profi­tiert. Genau das Gegenteil ist der Fall! Es ist doch evident, dass Sanktionen überhaupt nichts bringen. Im Gegenteil: Putin orientiert sich ja schon nach China und verkauft sein Gas dann halt an China.

Europa bringt das gar nichts – den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten sehr wohl. Sie haben es heute ja schon angedeutet: Da gibt es Alternativpläne. Ich nehme einmal an, die Alternativpläne für die Gasbesorgung sind Frackinggas aus Amerika und saudi-arabisches Gas, möglicherweise um einen etwas teureren Preis als jenen, zu dem wir es jetzt beziehen. Aber ich lasse mich von einer anderen Lösung positiv überraschen. Das ist meine Hypothese, das wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten.

Die Sanktionen bewirken ja auch in Russland genau das Gegenteil: Sie schaffen diesem Autokraten – das sage ich jetzt bewusst; Sie werden sich wundern, dass ich diese Dik­tion verwende – eine Bühne des äußeren Feindes. Ja glauben Sie, das schadet Putin? Das nützt Putin! Diese Sanktionen sind also nicht zu Ende gedacht.

Das betrifft auch die Maßnahme, das Projekt Nord Stream 2, in das Österreich über die OMV mehrere Hundert Millionen Euro investiert hat, auf Eis zu legen. Nur zur Erin­nerung – Sie wissen das, aber die Leute wissen es nicht –: Die Republik Österreich, also der Steuerzahler, ist mit 30, 32 Prozent an der OMV beteiligt. Das heißt: Sie versenken jetzt mit einem Federstrich ein paar Hundert Millionen Euro, indem Sie sagen, das kommt einfach nicht, weil das geopolitisch notwendig ist.

Das sind viele, viele Dinge, die Sie nicht zu Ende gedacht haben. Ich bitte Sie also wirklich, diese Möglichkeiten, die es da gibt, um eine Lösung zu finden und die totale Katastrophe zu vermeiden, zu ergreifen. Wir sehen die Möglichkeiten eben nicht in ei­nem vollkommen einseitigen Parteiergreifen für USA/Nato.

Ich möchte mit dem Einbringen eines Entschließungsantrages betreffend „Sicherung der österreichischen Neutralität und Wahrung des Friedens in Europa“ schließen, der sich auch mit den Sanktionen, die wir als vollkommen ungeeignet erachten, beschäftigt:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherung der österreichischen Neutralität und Wahrung des Friedens in Europa“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine gegenüber den USA und Russland äqui­distante und neutrale Außenpolitik zu forcieren, um eine vermittelnde Position einneh­men und den Frieden in Europa wahren zu können. Die Verhängung von Sanktionen, welche in Zeiten einer rasant steigenden Inflation und von Kostenexplosionen, gerade im Energiesektor, die ohnehin schon hohen Lebenserhaltungskosten der Bürger in Ös­terreich weiter verschärfen würden, sind abzulehnen.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

12.32

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger

und weiterer Abgeordneter

betreffend Sicherung der österreichischen Neutralität und Wahrung des Friedens in Europa

eingebracht in der 143. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 24. Februar 2022 im Zuge der Debatte zu TOP 1, Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich der aktuellen Krise zwischen Russland und der Ukraine

Österreich hat eine erfolgreiche und jahrzehntelange Tradition, in schwierigen außen­politischen Lagen zu vermitteln und einen Beitrag zur Konfliktlösung zu leisten. Für die Sicherheitsbedenken osteuropäischer Staaten, welche jahrzehntelang dem kommunisti­schen Joch unterworfen waren, müssen wir ebenso Verständnis aufbringen, wie für die Sicherheitsinteressen der heutigen Russischen Föderation. Nur mit der Bereitschaft in­ternationale Auseinandersetzungen in all ihren Facetten zu betrachten und auf einseiti­ges Säbelrasseln zu verzichten, kann eine die Konfliktparteien überzeugende, vermit­telnde Position eingenommen werden. Die aktuelle schwarz-grüne Bundesregierung ist von solch einer Position ausgesprochen weit entfernt.

Der aufflammende Ukraine-Konflikt, sowie die Machtdemonstrationen Moskaus und Wa­shingtons, dürfen für unser neutrales Österreich nicht zum Anlass werden, voreinge­nommen Partei zu ergreifen. Wir sollten uns diesbezüglich als Vermittler anbieten, um sicherzustellen, dass wir einen gleichwertigen Abstand zwischen Washington und Mos­kau leben. Es muss uns, als Österreicher aber auch als Europäer, klar sein, dass wir für eine Friedenslösung sowohl Moskau als auch Washington brauchen. Von den jeweiligen geostrategischen Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika und Russlands dürfen wir uns nicht einschüchtern lassen, sondern müssen uns bemühen, eine Äquidistanz zu leben. Eine derart ausgestaltete Neutralitätspolitik ist zwingend notwendig, um einer friedlichen Konfliktlösung und der Schaffung von Stabilität den Weg zu bahnen.

Die Androhung und Durchführung von Wirtschaftssanktionen gegen Russland wird nicht nur den momentanen Konflikt keineswegs lösen, sondern vielmehr mit einem Boome­rang-Effekt unsere eigene Wirtschaft und Versorgungslage treffen. Insbesondere die Unterbindung von Erdöl- und Erdgaslieferungen aus Russland nach Europa wird für den Energiesektor und die Energieversorgung der österreichischen Bevölkerung unkalkulier­bare Folgen haben. Die Bemühungen der USA, diese für Europa verzwickte Situation auszunutzen, indem man sich als Retter mit teurem, durch Fracking gewonnenes Erdgas inszeniert, sind mit Argusaugen zu beobachten. Darüber hinaus sind die Initiativen der USA, nun Saudi-Arabien zur vermehrten Förderung von Erdöl zu drängen, um die antizi­pierten Ausfälle aufgrund des Ukraine-Konfliktes auszugleichen, voller Doppelmoral. Wo war denn der Aufschrei der internationalen Gemeinschaft, als Saudi-Arabien 2011 mit Panzern in Bahrain einmarschierte und gegen Demonstranten vorging? Als Konsequenz des ukrainisch-russischen Konfliktes darf nicht Europa als großer Verlierer zum Wohle US-amerikanischer Wirtschaftsinteressen dastehen.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine gegenüber den USA und Russland äqui­distante und neutrale Außenpolitik zu forcieren, um eine vermittelnde Position einneh­men und den Frieden in Europa wahren zu können. Die Verhängung von Sanktionen, welche in Zeiten einer rasant steigenden Inflation und von Kostenexplosionen, gerade im Energiesektor, die ohnehin schon hohen Lebenserhaltungskosten der Bürger in Ös­terreich weiter verschärfen würden, sind abzulehnen.“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ord­nungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Karlheinz Kopf. – Bitte.