12.32

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Wir alle stehen in diesen Stunden fassungslos, mit dem Gefühl der Ohnmacht, zutiefst betroffen vor einer Situation, die zumindest ich persönlich vor wenigen Tagen in dieser Dimension noch nicht für möglich gehalten habe. In der Vorbereitung auf heute war ich bis gestern auch noch geneigt, Putins Handeln, nämlich die Anerkennung von Luhansk und Donezk, nicht entschuldigend, aber in der Einordnung, durchaus auch schon vor dem Hintergrund der drohenden Beschickung mit russischem Militär, mit der Annexion der Krim oder mit der militärischen Präsenz Russlands in Südossetien, Abchasien oder in Transnistrien zu vergleichen und natürlich dementsprechend auch zu kritisieren. Die Situation, vor der wir heute stehen, ist natürlich noch um vieles dramatischer und schlimmer.

Ich war gestern sogar noch geneigt – der Herr Bundeskanzler hat es auch kurz ange­deutet –, im Sinne einer ausgewogenen Betrachtung der Entwicklungen der letzten Jahr­zehnte darauf hinzuweisen, dass es der Westen und Russland nach dem Zusammen­bruch der Sowjetunion gemeinsam verabsäumt haben, eine neue Sicherheitsordnung für Europa zu entwickeln und auch ernsthaft, offensiv und aktiv zu gestalten. Nur, diese Betrachtungsweise, Herr Kickl – auch wenn er nicht da ist –, ist spätestens seit heute obsolet. Sie wirkt geradezu zynisch, weil sie eine Relativierung in sich birgt, die am heu­tigen Tage einfach nicht angebracht ist. (Beifall bei ÖVP und NEOS sowie bei Abgeord­neten der Grünen.)

Im Hinblick auf die geplanten Sanktionen wollte ich als Wirtschaftsvertreter natürlich auch auf die wirtschaftliche Dimension unserer Beziehungen zu Russland hinweisen. Das kann man nach wie vor nicht wegwischen, immerhin sind in Russland 650 österrei­chische Unternehmen mit Investitionen von über 4,5 Milliarden Euro aktiv, sind russische Firmen mit Investitionen in Österreich mit über 20 Milliarden Euro nach Deutschland zweitgrößter Investor. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Österreich exportiert, wenn auch stark rückläufig, immer noch Waren in einem Volumen von über 2 Milliarden Euro nach Russland. Am heutigen Tag ist das immer noch wichtig, auch für unsere Bevölkerung, aber es kann nicht im Vordergrund stehen.

Ich mache mir bei einer wirtschaftlichen Betrachtung am heutigen Tag selbstverständlich auch Sorgen um unser Handelsvolumen von 1,5 Milliarden Euro, um jene 200 österrei­chischen Unternehmen mit Niederlassungen in der Ukraine, um deren Investitionen in Höhe von 1,7 Milliarden Euro und vor allem auch um deren Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter, aber seit heute hat diese Angelegenheit eine andere Dimension bekommen und ist anders zu bewerten, sind doch unsere schlimmsten Befürchtungen wahr geworden.

Wir sind heute mit einem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine konfrontiert, und das ist natürlich auf das Schärfste zu verurteilen. Es kann diese Aktivität Putins natürlich nicht vom Westen unbeantwortet bleiben. Politik mithilfe von Gewalt ist auf das Schärfste abzulehnen. Krieg kennt nur Verlierer, schafft menschliches Leid, erzeugt wirtschaftli­chen Schaden und existenzielle Not. Wir müssen daher gemeinsam alles unternehmen, das geeignet ist, Putins Aggressionskrieg so rasch wie möglich zu beenden.

Gefordert ist daher gemeinsames Handeln des Westens, aber im Hinblick auf die ge­planten Sanktionen sage ich schon dazu: Wir müssen uns, weil Sanktionen auch immer schmerzliche Rückwirkungen auf die Sanktionierer haben, in der Gestaltung dieser Sanktionen schon auch um eine Ausgewogenheit dieser Rückwirkungen zwischen Eu­ropa und den USA bemühen.

Die österreichische und die europäische Politik ist jetzt mehrfach gefordert: in der Soli­darität mit der ukrainischen Bevölkerung, in der Sicherstellung unserer eigenen Energie­versorgung, in der Sicherung unserer kritischen Infrastruktur, in der Unterstützung der betroffenen Unternehmen und deren Mitarbeiter und auch in der Vermittlerrolle, die ge­rade einem neutralen Staat wie Österreich gut ansteht. Denn, meine Damen und Herren, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Über allem muss das Bemühen von uns allen stehen, Präsident Putin unverzüglich zum Niederlegen der Waffen zu bewegen. – Dan­ke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.38

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Helmut Brandstätter zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.