12.38

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher! Liebe Ukrainerinnen und Ukrainer in Österreich! Ich würde Ihnen jetzt gerne etwas vorspielen – ich glaube, das ist sehr schwierig. (Der Redner nimmt sein Handy zur Hand und spielt ganz kurz eine Tonaufnahme ab.) Nur damit Sie wissen, worum es hier geht: Das ist eine Kollegin aus dem ukrainischen Parlament, Inna Sovsun – ich habe sie vor Kurzem kennengelernt –, eine junge, eine sehr starke Frau. Würden Sie ihre Stimme hören, würden Sie sehen, wie bewegend das ist: Ich bin um 4.30 Uhr in der Früh aufge­wacht, weil ich Explosionen gehört habe. Dann haben wir zwei Stunden lang alle 10 Mi­nuten Explosionen gehört. Weiter erzählt sie dann, wie schlimm das für sie ist, für ihre Familie, ihren neunjährigen Sohn.

Reden wir über die Menschen in der Ukraine und reden wir nicht nur über den Kriegs­angriff, den es jetzt gibt! Seit 2014 sind 14 000 Menschen durch kriegerische Handlun­gen in der Ukraine gestorben.

Und weil hier von Neutralität die Rede ist: Vergessen wir nicht, diese Ukraine, die im Jahr 2014 überfallen wurde, war ein neutrales Land! Ein neutrales Land ist überfallen worden, wobei Menschen ermordet, getötet worden sind. – So viel zum Schutz durch die Neutralität.

Reden wir über den Kriegsdiktator Putin! Sie haben hoffentlich seine Reden gehört und Sie haben ihn hoffentlich auch gehört, als er heute gesagt hat: Wenn sich jemand gegen ihn stellt, wird es Konsequenzen geben, wie es die Geschichte noch nicht erlebt hat. – Das ist, meine Damen und Herren, eine unfassbare Drohung gegen uns alle, und gegen die werden wir uns alle wehren müssen.

In seiner letzten Rede hat er eine Lüge nach der anderen über die ukrainische Ge­schichte erzählt, nämlich dass es die Ukraine gar nicht gebe. Da muss ich Ihnen sagen, das ist das Schöne an Büchern: Dieses eine Buch widerlegt diese Lüge, dieses eine Buch. Das ist eine Autorin, die übrigens in Wien lebt, Tanja Maljartschuk, „Blauwal der Erinnerung“ (das genannte Buch in die Höhe haltend), und da geht es um einen ukraini­schen Schriftsteller, es geht auch um andere Menschen aus der Ukraine, die in Wien gelebt haben. Selbstverständlich gibt es die ukrainische Nation mit allen Schwierigkei­ten, die sie in ihrer Geschichte hatte.

Der Bundeskanzler hat völlig richtig darauf hingewiesen, dass wir von den vier Alliierten vom Nazifaschismus befreit wurden; es war aber nicht die russische Armee, es war die sowjetische Armee. Wenn Sie in die Geschichtsbücher schauen, werden Sie draufkom­men, dass es ukrainische Soldaten waren, die an vorderster Front gekämpft haben und die in dieser sowjetischen Armee besonders hohen Blutzoll gezahlt haben, und das nach einer Vernichtungskampagne in der Ukraine, dem sogenannten Holodomor, einer Ver­nichtungskampagne Stalins. Das heißt, das war Krieg durch Hunger, den Stalin dort ausgeführt hat. Das ist eine geschundene Nation, und ich glaube, wir müssen uns in jeder Weise sehr klar für diese Freunde in der Ukraine aussprechen. (Beifall bei NEOS, ÖVP und Grünen.)

Noch ein Wort zur Neutralität: Da haben manche offensichtlich nicht mitbekommen oder auch nicht mitbekommen wollen, dass sich durch den Beitritt zur Europäischen Union und durch die Verträge, die danach abgeschlossen wurden – Nizza et cetera –, natürlich Wesentliches geändert hat. Und natürlich gibt es den Artikel 23f der österreichischen Bundesverfassung, in dem ganz klar geregelt ist, dass wir uns an einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beteiligen.

Wenn man die Drohungen des Herrn Putin hört, dann ist klar: Wir werden uns wehren müssen, wir gemeinsam und wir Europäer. Da möchte ich auch etwas ernsthaft sagen: Ich glaube nicht, dass die Nato die Lösung ist. Wenn Sie sich anschauen, was manche republikanischen Politiker im Moment sagen: Sie fühlen sich mit Putin eins, sie fühlen sich dort sehr wohl.

Ich weiß nicht, wer in zwei, vier, sechs, acht, zehn Jahren in Amerika in den Senat ge­wählt wird beziehungsweise wer dort Präsidentin oder Präsident sein wird. Ich möchte mich auf unsere europäischen Freundinnen und Freunde verlassen, auf unsere gemein­same Geschichte, auf das, was nach 1945 hier in Europa aufgebaut wurde, und deswe­gen brauchen wir diese gemeinsame europäische Verteidigung, eine gemeinsame euro­päische Armee. Wenn es die Zusammenarbeit mit den Amerikanern gibt, soll mir das recht sein, aber selbstverständlich brauchen wir das Gemeinsame hier in Europa, und deswegen: Ja zu einer gemeinsamen europäischen Armee und zu einem noch stärker zusammenwachsenden Europa. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Es sind ja nicht nur militärische Angriffe. Wir wissen, dass gerade massive Cyberangriffe auch gegen die Ukraine laufen und natürlich auch gegen andere europäische Staaten – wir in Österreich waren ja auch schon betroffen.

Das Nächste, wenn Herr Putin so massiv droht, ist: Ja, er weiß auch, wie man Terroristen einsetzt, das wissen wir aus anderen Ländern. Das heißt, wir werden uns möglicher­weise auch gegen Terroranschläge wehren müssen, und auch das werden wir nur ge­meinsam tun können und auch da brauchen wir die Zusammenarbeit in Europa.

Ich habe heute auch schon mit dem ukrainischen Botschafter telefoniert, der dann um 14 Uhr zu uns ins Parlament kommt, und ich hoffe, dass viele mit ihm sprechen werden. Er hat mir geschrieben und mir auch gesagt: Die freie Welt soll diesen Tag nicht verges­sen und die freie Welt wird sich massiv wehren müssen, auch mit Sanktionen.

Das möchte ich auch sehr deutlich sagen: Es gibt den sogenannten Magnitsky Act, Sie kennen das. Wir müssen ganz massiv all diejenigen bestrafen, die entweder Herrn Putin unterstützen oder auch von Herrn Putin profitieren – und das sind auch Menschen in Österreich. Ich freue mich über jede Russin, jeden Russen, die in Österreich leben, hier ehrlich und anständig leben; aber die, die gemeinsam mit Putin Geld in Milliarden- und Milliarden- und Milliardenhöhe gestohlen haben – da gibt es auch ein großartiges Buch, „Putins Netz“ von Catherine Belton, lesen Sie das! –, all die, die das Geld gestohlen haben und jetzt dieses Regime, dieses Kriegsregime von Putin unterstützen, müssen wir massiv sanktionieren. Und das gilt für alle: für Herrn Wolf, auch für Herrn Schüssel üb­rigens, der hat bei Lukoil nichts mehr verloren, Herrn Wolfs Sberbank schließen wir bitte in Österreich, das brauchen wir nicht! (Abg. Hörl: Lass den Schüssel in Ruhe da!) Herr Kern hat sich heute aus dem Aufsichtsrat zurückgezogen, ich habe das mit großem Wohlwollen gesehen. Das alles sind Kriegsaktionen, gegen die müssen wir uns wehren, und bitte: massive Sanktionen, denn alles andere wird er nicht verstehen! (Beifall bei den NEOS.)

In diesem Sinne: Ukraïncì našì druzì – die Ukrainer sind unsere Freunde. – Herzlichen Dank. (Beifall bei NEOS und Grünen. – Abg. Martin Graf: Haselsteiner hat auch einen antieuropäischen ...!)

12.45

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Harald Troch. – Bitte.