14.12

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Bitte gestatten Sie mir zu Anfang, dass auch ich Bezug auf die Ukraine nehme.

Ich gehöre der Nachkriegsgeneration an und bin mein ganzes Leben im scheinbar selbstverständlichen Frieden aufgewachsen. Zugleich gehöre ich aber auch jener Gene­ration an, für die der Zweite Weltkrieg und auch der Erste Weltkrieg nicht bloß Kapitel im Geschichtsbuch sind, sondern noch lebendige Erzählungen meiner Eltern- und Großel­terngeneration darüber, was diese Gräuel und dieses Grauen bedeutet haben. Ich bin in Gedanken bei den Menschen in der Ukraine, und sie verdienen unsere ganze Solidarität. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich möchte nun auf den Antrag betreffend Komplementärmedizin eingehen, der sehr weitgreifend ist. Er fordert die Einrichtung von Professuren für Komplementärmedizin, er verlangt auch, dass diese verpflichtend im Regelunterricht vermittelt wird, dass sie in den Regelbetrieb der Krankenhäuser und niedergelassenen Ärzte integriert wird und auch finanziert wird. – Nun, Komplementärmedizin ist ein ganz breites Spektrum ganz verschiedener Methoden, die sehr wenig gemeinsam haben. Wenn man sich fragt: Wa­rum laufen sie unter Komplementärmedizin, warum sind sie nicht einfach Bestandteil unserer Medizin, die wir immer anwenden und lehren?, dann ist eigentlich das verbin­dende Element, dass es für diese Methoden bislang keinen Nachweis ihrer Wirkung gibt. Das ist natürlich ein Punkt, mit dem man sich konkret auseinandersetzen muss.

Es ist nun einmal so, dass allein die Tatsache, dass eine medizinische Methode breit angewendet wird und auch viel Zustimmung findet, kein Ersatz für einen Wirkungsnach­weis ist. Das hat die Medizingeschichte schon oft gezeigt – und es hat im Wesentlichen zwei Gründe, warum diese Einschätzung der Wirksamkeit so schwierig ist. Den einen kennen wir alle, er ist in aller Munde: der Placeboeffekt. Es gibt aber etwas Zweites, das eigentlich noch viel wichtiger ist: Das ist die Selbstheilungskraft der Natur. Sehr vieles kommt von selbst wieder in Ordnung oder bessert sich von selbst. Da sind wir Ärztinnen und Ärzte alle zu mehr Bescheidenheit aufgerufen. Nicht immer, wenn etwas besser wird, lag es unbedingt an der Handlung, die wir gesetzt haben.

Ich nenne ein plakatives Beispiel, das wir alle im Kopf haben: Bei gut 80 Prozent verläuft eine Covid-Infektion einigermaßen glimpflich. Nehmen wir an, wir behandeln alle Infizier­ten mit etwas völlig Unwirksamen: 80 Prozent werden über eine gute Erfahrung berich­ten. Wir stehen auf dem Standpunkt: Das, was wirklich wirksam ist, gehört in den Regel­betrieb und in den Regelunterricht. Das, was unwirksam ist, gehört dort nicht hinein. Da möchte ich besonders auf das Thema Unterricht und Ausbildung hinweisen: Wenn eine Methode wirksam ist, dann kann sie durch schlechte Ausbildung und schlechte Aus­übung tatsächlich auch unwirksam werden – aber wenn etwas unwirksam ist, dann wird es auch durch die beste Ausbildung nicht wirksam.

In dem Antrag wird etliche Male der Begriff ganzheitlich erwähnt. Ganzheitlichkeit ist etwas, was die Medizin wirklich braucht. Das hat aber nichts mit Komplementärmedizin zu tun, sondern Ganzheitlichkeit entspricht dem sogenannten biopsychosozialen Ver­ständnis. Das heißt, dass die Medizin nur zu einem Teil Bio/Naturwissenschaft ist, aber zu einem ebenso wesentlichen Teil die psychosoziale Dimension zu berücksichtigen hat.

Meine Ärztegeneration hat diese zweite Erfahrung oft erst sehr schmerzhaft nach dem Studium erwerben müssen. Die österreichischen Universitäten bemühen sich spätes­tens seit den Studienreformen am Beginn der 2000er-Jahre intensiv, das unserem Nachwuchs schon im Studium zu vermitteln; und meine Heimatuniversität, die Med-Uni Graz, die nicht zufällig zu den top 20 Junguniversitäten weltweit zählt, hat dieses psycho­soziale Verständnis zu ihrem Leitbild gemacht.

Ich möchte explizit allen Kolleginnen und Kollegen danken, die ihren Patientinnen und Patienten diese wirklich umfassende Medizin – wirksame Maßnahmen verbunden mit der psychosozialen Dimension – zukommen lassen, und allen Lehrenden an den Univer­sitäten, die das unserem Nachwuchs vermitteln. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.17

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Gerald Loacker, Sie gelangen nun zu Wort. – Bitte.