15.02

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Mi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Für die Zuschauer vor den Fernsehgerä­ten: Worum geht es hier? – Es geht um eine Angelegenheit, die ja auch in den Medien war, nämlich um – ich sage einmal – den Fall Botschafter Michael Linhart, der zum Bot­schafter in Berlin bestellt wurde, ohne sich jemals dafür beworben zu haben. – Punkt eins.

Punkt zwei: Es hat ein Bewerbungsverfahren gegeben. Da haben sich fristgerecht 14 qua­lifizierte – hochqualifizierte! –, als geeignet beurteilte Kandidaten beworben, die einfach übergangen wurden.

Herr Minister Schallenberg hat dann versucht, das in der „ZIB 2“ noch irgendwie zu rechtfertigen, hat es dann aber eingesehen und gesagt – und ich zitiere Sie jetzt, Herr Minister –: „Wir haben uns jetzt die Rechtslage angeschaut, noch einmal genauer, und ich muss ganz offen sagen, das war ein Fehler, den ich wahnsinnig bedaure, und das ist nicht konform.“

Er hat dann angeordnet, ich zitiere weiter: „Das heißt, wir werden morgen selbstver­ständlich eine neue Ausschreibung in die Wege leiten“, und glaubt jetzt, dass damit die Sache erledigt sei.

Für uns Freiheitliche ist die Sache damit nicht erledigt, sondern es ist nur ein Flashlight sozusagen eines Systems – und es besteht der dringende Verdacht, dass es sich da um ein System handelt, nämlich das System ÖVP –, das sich wesentliche Funktionen im Staat krallt und ein schwarzes, zwischenzeitlich türkises, jetzt wieder schwarzes, Netz­werk aufbaut. Wir kennen auch die Vehikel, die man dazu zur Verfügung hat: Das nennt man dann Reorganisation eines Ministeriums, die ganz dringend notwendig ist. Der Kun­dige weiß, das ist verbunden mit Postenbesetzungen, Neuausschreibungen et cetera, und dann werden halt die Personen diese Sektionsleiterposten oder was auch immer bekommen, die genehm sind. Dann gibt es noch das Vehikel, und da bin ich bei Ihnen, Herr Außenminister, der innovativen, sage ich einmal, Auswahlverfahren. Ganz offen­sichtlich ist das hier der Fall.

Das ist ja das Thema in Wahrheit, und es wird gesagt, das sei ein Einzelfall. Es besteht aber der dringende Verdacht, dass das eben kein Einzelfall ist, sondern System hat, insbesondere innerhalb der ÖVP. Nicht umsonst gibt es jetzt einen eigenen Untersu­chungsausschuss des Parlaments mit dem Titel ÖVP-Korruptions-Untersuchungsaus­schuss. Da wird schon etwas dran sein, jedenfalls besteht ein dringender Verdacht.

Warum stört uns Freiheitliche das? – Weil das grundsätzlich ein strukturelles Riesenpro­blem in unserer Republik ist. Ein grundsätzliches Problem, das sich nicht nur in den Ministerien zeigt, sondern das zeigt sich auch in den Schulen, das zeigt sich in den Hochschulen, das zeigt sich in allen Unternehmen, an denen der Staat beteiligt ist. Be­rühmtes Beispiel: Thomas Schmid, der sich die Stellenbeschreibung und die Ausschrei­bung gleich selbst schreibt und jetzt natürlich nicht als Auskunftsperson dem Untersu­chungsausschuss zur Verfügung steht, weil er seinen Wohnsitz nach Amsterdam verlegt hat. Das nenne ich auch einmal Verantwortung übernehmen und an der Aufklärung kritischer Sachverhalte mitarbeiten!

Was hat das für einen grundsätzlichen Effekt? – Selbstverständlich hat das den Effekt, dass sich niemand, der etwas kann, der etwas taugt, aber nicht bei der ÖVP ist oder zumindest von ihr geduldet wird, dort bewerben wird. Und es hat den weiteren Effekt, dass wir mehr oder weniger einen Closed Shop haben, und der hat natürlich den Zu­satzeffekt, dass sich die Qualität über die Zeit nach unten nivelliert.

Wir haben jetzt im Außenministerium nicht nur einen Closed Shop, sondern sogar einen Double Closed Shop, einen doppelten Closed Shop. Zum einen sind die Voraussetzun­gen, überhaupt Botschafter zu werden, sehr, sehr eng gesetzt – auch ein Thema, dass die Freiheitlichen schon seit Jahren nicht nur ansprechen, sondern auch fordern, dass man da den Pfad weiter aufmacht, denn das ist ein sehr enger Pfad: Man muss ein Studium haben, man muss die Diplomatische Akademie durchschreiten, man muss das Préalable haben. Das ist der Filter eins, das schließt schon sehr viele Personen, die unseres Erachtens durchaus absolut hoch geeignet wären, die Republik Österreich als Botschafter zu vertreten, aus.

Dann gibt es – ich sage es jetzt ein bisschen flapsig – den Graf-Schalli-Filter-zwei. Und der Graf-Schalli-Filter-zwei lautet: Es wird der, den ich will. Ich pfeife auf die Ausschrei­bung, es wird der, den ich will. Eine Ausschreibung ist für mich nicht relevant.

Die Frage ist jetzt: Ist das offensichtlich nicht nur im Innenministerium oder im Verteidi­gungsministerium so, sondern ist das auch im Außenministerium so? Das ist der Gegen­stand einer weiteren Folgeanfrage, die ich an den Herrn Bundesminister stellen werde. Ist Minister – Minister stimmt sogar –, ist Minister Linhart jetzt wieder Botschafter oder nicht? Das weiß man nicht so genau. Es gibt ein neues Verfahren, und da frage ich mich: Wie erklären Sie das den 14 qualifizierten Kandidaten, dass Sie jetzt noch einmal neu ausschreiben wollen oder das tun? Warum nehmen Sie nicht einen von den 14 bereits als geeignet beurteilten Kandidaten? Sie empfehlen ja, dass sich Dr. Linhart noch einmal bewirbt. Das hat ja eine desaströse Optik – also wird er es, oder wird er es nicht? Das Volk spricht: Er wird es. Wozu also diese ganze Ausschreibung? Da rede ich noch gar nicht von den Kosten, die sind in dem Fall vielleicht sogar vernachlässigbar.

Das ist aber offensichtlich kein Einzelfall. Es gibt natürlich auch – und das ist Gegen­stand meiner Folgeanfrage – die eine oder andere Person, Persönlichkeit, die in dieser Sitzung des Ministerrats vom 15. Dezember zum Botschafter oder zur Botschafterin be­stellt wurde, etwa Dr. Berchtold. Ich sage, das kommt mir irgendwie komisch vor. Er war Pressesprecher von Sebastian Kurz. Hat er sich beworben, hat er sich nicht beworben? Darauf hätte ich gerne eine Antwort. Er ist 35 Jahre alt und wird jetzt Botschafter in Abu Dhabi. Seine Berufserfahrung besteht aus zwei Jahren in Brüssel und sonst nur im In­land. Da stelle ich mir wirklich die Frage, und ich formuliere sie jetzt flapsig: Habt ihr keine Leute im BMEIA? Das kann ich mir nicht vorstellen. Gibt es da keine geeigneten Kandidaten, dass man jemanden bestellt, der sicher gut ist, aber 35 Jahre alt ist und protzige zwei Jahre Auslandserfahrung hat?

Ich bin der Meinung – und als außenpolitischer Sprecher komme ich viel herum –, ich bin nicht nur der Meinung, sondern ich weiß es, Sie haben exzellente Leute im BMEIA, Sie haben exzellente Gesandte/Erstzugeteilte, Sie haben exzellente Botschafter und Botschafterinnen mit zehnmal so viel Berufserfahrung wie dieser neue Botschafter.

Also das sind die Fragen, die wir uns stellen – die werden wir auch in einer weiteren Anfrage stellen –, die schon die Vermutung nahelegen, dass Sie ein strukturelles Pro­blem in Bezug auf hochinnovative Schallenberg-Auswahlverfahren im BMEIA haben und dass das eben kein Einzelfall ist.

Eine spannende Frage wird auch sein, um auf die Bestellung von Dr. Linhart zurückzu­kommen – das war ja offensichtlich ein einstimmiger Beschluss des Ministerrates –, und das würde mich ganz besonders interessieren: Haben Sie Ihre Ministerkollegen am 15. Dezember darüber informiert, dass unter diesen 28 Botschaftern, die da in cumulo bestellt wurden, der eine oder andere dabei ist, der überhaupt nicht am Ausschreibungs­verfahren teilgenommen hat und sich gar nicht beworben hat? Haben Sie Ihre Kolle­ginnen und Kollegen im Ministerrat darüber in Kenntnis gesetzt oder nicht? Das ist na­türlich auch eine recht spannende Frage.

Wir haben also viele Fragen, Fragen über Fragen, und ich bin schon sehr gespannt auf Ihre Antworten, sehr geehrter Herr Bundesminister. (Beifall bei der FPÖ.)

15.11

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Schal­lenberg. – Bitte sehr, Herr Bundesminister.