16.25

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Auch wenn es der Opposition nicht ganz bewusst ist: Wir beschließen heute ein Jahr­hundertgesetz mit einer Tragweite für viele Generationen. Jeder von uns wird davon positiv betroffen sein, sei es selbst oder als Angehöriger.

Es geht bei diesem Gesetz nicht um den Tod, sondern es geht um das Leben, weil näm­lich der Sterbeprozess und die letzten Lebensmonate zum Leben dazugehören und weil von uns auch da Lebensqualität großgeschrieben wird. Regelfinanzierung bedeutet da­rum flächendeckenden und leistbaren Zugang zu Hospizen und Palliativversorgung für jeden Menschen, der ihn braucht. Wenn jemand weiß, dass er nicht alleine gelassen wird, dann ist er getröstet und kann in Ruhe leben, bis zuletzt.

Was sind die Prinzipien dieses Gesetzes? – Was im Bereich Hospiz- und Palliativver­sorgung bereits besteht, das bleibt bestehen. In der Grundversorgung – da spreche ich von Altenheimen, Pflegeheimen, Krankenhäusern, niedergelassenen Ärzten – finanzie­ren wir Zusatzangebote und Zusatzkompetenzen, damit man dort diese letzte Unterstüt­zung bekommen kann.

Im spezialisierten Bereich – da spreche ich von stationären Hospizen, Tageshospizen, mobilen Palliativteamdiensten, aber auch von speziellen Angeboten für betroffene Kin­der – wird zuerst einmal finanziert – heute ist vieles auf Spenden angewiesen –, aber in einem zweiten Schritt wird ausgebaut und aufgebaut.

Wie funktioniert das? – Die Länder schauen, was gebraucht wird, sie sehen klar, wie es bei ihnen aussieht, sie legen das dem Bund vor und dann fließt die Finanzierung dafür. Herr Kollege Loacker, das ist nicht unübersichtlich, sondern regional und föderal. Nur so können wir den echten Bedarf finden und ihn dann auch decken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zweites Prinzip in der spezialisierten Unterstützung: Wir stellen die Leistbarkeit sicher. Heute werden oft hohe Tagessätze verrechnet. Das wird in Zukunft nicht mehr so sein. 80 Prozent der Menschen wünschen sich, dass sie zu Hause gepflegt werden und ster­ben können. Für diese gibt es Palliativdienste, die mobil sind und zu ihnen nach Hause kommen. Vieles davon ist Ehrenamt. Was da geleistet wird, ist großartig. Wir werden helfen, dass diese ehrenamtlichen Dienste gut ausgebildet sind, gut koordiniert werden und dass für diese Koordination auch das Geld vorhanden ist.

Ich verstehe nicht, warum hier mehrfach gesagt wurde, dass das Gesetz ein erster Schritt ist. Es ist viel mehr als ein erster Schritt. Dieses Gesetz beinhaltet Stufen, ja, aber dann eine volle Finanzierung, und das langfristig und sogar indexiert. Das ist etwas, das nicht in jeder anderen Gesetzesmaterie vorkommt. Warum gibt es Stufen? – Nicht weil der Staat da geizig sein will, sondern weil selbstvertändlich das Angebot, das finanziert wird, zuerst einmal geschaffen werden muss. Das ist ja nicht morgen alles vorhanden.

Dafür haben wir jetzt einen Zwei-, Dreijahresplan, und dann haben wir in Österreich eine hundertprozentige, flächendeckende und leistbare Versorgung, abgestuft, je nachdem, was jemand braucht. In diesem Sinn verstehe ich die Haltung der NEOS nicht, denn einerseits für die Ausweitung der Möglichkeiten, sich selbst zu töten, einzutreten, nicht aber für die Unterstützung der Möglichkeit, im Leben zu sein – das, bitte schön, ist nicht unsere Politik. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Loacker: ... kein Vergleich! ...!)

Frau Kollegin Nussbaum kann ich beruhigen: Die Pflegereform hat Priorität. Sie ist in Arbeit und sie kommt.

Ganz wichtig ist mir noch zu sagen: Die letzten Lebensmonate wird man mit dem Gesetz, das wir heute beschließen, nicht nur irgendwie aushalten können, sondern es geht um Lebensqualität und in Wirklichkeit um Lebensgewinn. Ich darf Ihnen dazu ein Zitat vorlesen. Die Tochter des berühmten Kulturjournalisten Karl Löbl, den Sie sicher alle kennen, hat in der „Presse“ im Jahr 2020 über ihre Erfahrung mit dem Sterben ihrer Eltern geschrieben.

Sie schreibt: „Aus dem Wunsch, gemeinsam zu gehen, wurde ein Kampf um das Leben.“ „Es wurde weitergelebt, um jede kostbare Minute gekämpft und es taten sich Welten auf, welche keiner von uns […] vorher auch nur im Ansatz vermutet hätte.“ Die Pflege „war von einer derartigen Hingabe und Aufopferung, dass Außenstehende sich daneben win­zig fühlten.“ Als Karl Löbl dann selbst auf die Palliativstation kam, sagte er – Zitat von seiner Tochter –: „Da bleib ich jetzt, hier gefällt es mir.“

Dass in den letzten Lebensmonaten Lebensgewinn entstehen kann, ist Tausenden Men­schen zu verdanken, die als Ehrenamtliche, als Hauptamtliche und als Angehörige für die Menschen da sind. Diesen Menschen sei allerherzlichst gedankt. (Beifall bei der ÖVP.) Eines kann ich heute versprechen: Ja, vor ihrer Arbeit wird man winzig; aber mit dem heutigen Gesetz lassen wir sie dabei nicht alleine. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.31

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. Ich darf ihm das Wort erteilen. – Herr Bundesminister Mückstein, bitte sehr.