16.19
Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren der Bundesregierung! Herzlich willkommen dem neuen Gesundheitsminister hier in Wien, hier im Nationalrat! Wir wünschen uns mit Ihnen eine ebenso gute Zusammenarbeit, wie wir sie mit Ihren Vorgängern hatten! Es ist von der SPÖ-Vorsitzenden die Länge der Amtszeit angesprochen worden – Sie war übrigens kürzer im Amt als die von ihr kritisierten Gesundheitsminister. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Man hat es nicht in der Hand, wie lange man Gesundheitsminister ist. – So viel dazu. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Meine Damen und Herren, der 24. Februar 2022 hat einer Zeitepoche in Europa ein Ende bereitet, und viele haben das nicht für möglich gehalten. Das ist ein Tag, der uns wie 9/11, wie der 11. September 2001, in Erinnerung bleiben wird. Mitten in Europa – und das dürfen wir nie vergessen – haben wir durch diese Invasion von Russland Krieg. Es ist ein grausamer Krieg ausgebrochen. Er ist erst 13 Tage alt, und es ist schon so viel an Elend, an Not, auch an Todesopfern zu beklagen.
In diesen dramatischen Tagen hat es für mich aber auch etwas Positives gegeben: Ich habe die Europäische Union schon lange nicht mehr so einig und gefestigt erlebt – auch auf parlamentarischer Ebene. Wir waren mehr als 100 Abgeordnete aus mehr als 30 Ländern letzte Woche in Paris bei einer Tagung der Europaausschüsse. Und diese Stimmung dort zeigte schon, es ist eine Auseinandersetzung, die die Ukrainer mit einer Diktatur für den freien Westen, für uns, führen, und dieser Krieg ist nur von der Diktatur, nur von russischer Seite ausgelöst worden. Das ist hier ganz klar festzuhalten und nicht zu relativieren, wie es der Klubobmann der Freiheitlichen Partei immer wieder versucht, zu machen, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von NEOS.)
Was für mich auch so positiv für die Europäische Union ist: Oft sind Polen und Ungarn zu Recht kritisiert worden. Nur, was Polen und Ungarn jetzt leisten, bringt sie auch näher in das Zentrum der Europäischen Union. Es ist überwältigend – mehr als 1,2 Millionen Flüchtlinge sind jetzt in Polen –, was die Bevölkerung in Polen bereit ist, auf sich zu nehmen. Das ist ein Vorbild für ganz Europa. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Gestern waren wir mit einigen Kollegen in der Slowakei – auch die ist zu nennen. Die Slowakei, eigentlich ein kleines Land in der Europäischen Union, ist bestens vorbereitet. Im Übrigen ist auch zu nennen, was in Moldawien – noch nicht in der Europäischen Union – und auch von den Rumänen dabei geleistet wird. Sie sind in vielen anderen Bereichen nicht Vorbilder für uns, aber was da gemacht wird, ist vorbildlich.
Was wir auch merken, ist, dass vieles zwiespältig ist. Auf der einen Seite gibt es bei uns zu Recht immer mehr, die den Mut und den Willen der ukrainischen Bevölkerung bewundern, auch das eigene Leben für die Freiheit einzusetzen. Auf der anderen Seite nimmt natürlich auch gleichzeitig bei der Bevölkerung die Trauer zu, dass so viele Menschen, völlig unschuldige Menschen, aus der Zivilbevölkerung mit ihrem Leben dafür büßen.
Auch was die beiden Präsidenten betrifft – und die sind ganz entscheidend –: Respekt auf der einen Seite für Wolodymyr Selenskyj. Dieser Respekt wächst. Die Menschen sehen, mit welchem Mut er an der Spitze der Ukraine steht. Auf der anderen Seite wird auch immer mehr Menschen bewusst, wie lange eigentlich schon Wladimir Putin seine menschenverachtende Politik betrieben hat, die jetzt natürlich einen negativen Höhepunkt erreicht hat. Er – und nur er – hat den Tod Tausender und die Flucht – laut Zahlen von heute vom UNHCR – von schon mehr als 2 Millionen Menschen zu verantworten. Kollegin Meinl-Reisinger hat es angesprochen: Die Hälfte davon sind Kinder. Allein das verdient meines Erachtens schon eine Ächtung durch die Staatengemeinschaft.
Die Kriegsverbrechen und auch die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die jetzt in der Ukraine passieren, müssen meines Erachtens auch ein rechtliches Nachspiel haben. Das ist jetzt nicht im Zentrum, aber man sollte es nicht vergessen, denn wir haben auch in diesen Fragen weltweit immer mehr dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)
Meine Damen und Herren! Auftragsmorde, Vergiftungen, Inhaftierungen von Oppositionellen, die Besetzung der Krim, der Krieg in Donezk und Luhansk – auch ich habe das alles zwar kritisiert, die Europäische Union hat es leicht sanktioniert, aber wirklich die Augen sind mir erst jetzt in diesen Tagen geöffnet worden. Dieser verzweifelte Mut der Ukrainer und Ukrainerinnen hat uns vor Augen geführt, dass auch wir in der Europäischen Union stärker bereit sein müssen, für unsere Freiheit zu kämpfen.
Russland ist weltweit isoliert. Das müssen wir sehen. Nur vier der 193 Mitglieder haben in der UNO-Vollversammlung mit Russland gestimmt. Wer sind die Freunde von Russland? – Klubobmann Kickl, Sie wissen es, Sie kennen sie: Belarus, Nordkorea, Eritrea und Syrien. Nur diese vier Staaten haben in der Vollversammlung mit Russland gestimmt, mehr als 140 dagegen.
Sie, Herr Klubobmann Kickl, stellen sich aber heute wieder her, geißeln die Nato, kritisieren die klare Haltung der Europäischen Union und die Kommissionspräsidentin. Ja, was wollen Sie eigentlich? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wollen Sie eine schwache, eine uneinige EU? Wollen Sie einen freien Westen, der nicht durch die NATO geschützt wird? (Abg. Hauser: Da müssen Sie einmal aufpassen!) Was wollen Sie? Sagen Sie es uns! (Abg. Stefan: Wir wollen jetzt keine Beitrittsverhandlung! Wollen Sie Beitrittsverhandlungen?) Wollen Sie uns Systemen wie dem von Putin ausliefern? Ist das Ihr Konzept? Dann lassen wir Sie gerne allein, ganz allein so sitzen, wie Sie hier sitzen. (Beifall bei ÖVP, Grünen und NEOS. – Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Hafenecker: Soll die Ukraine Mitglied werden? Ja oder nein?)
Gott sei Dank sind alle anderen Fraktionen hier im Haus und die Staatengemeinschaft weit, weit weg von Ihrer Haltung! (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Was wir brauchen, ist ein Durchhaltevermögen der Europäischen Union, wenn es um die Sanktionen geht, die auch uns wehtun werden. (Ruf bei der FPÖ: Wurscht, oder?) Was wir brauchen, ist ein Umdenken bei der Energieversorgung, wie es heute schon von Bundeskanzler und Vizekanzler angesprochen worden ist. Was wir brauchen, ist ein Bekenntnis zu einer starken österreichischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, wie es Bundeskanzler Nehammer heute hier gesagt hat. (Abg. Hafenecker: Auch das wird ... nicht ablenken!)
Meine Damen und Herren, ich darf zum Schluss kommen und sagen, was für mich in diesen Tagen aber am wichtigsten ist: Das ist, dass unsere Staatengemeinschaft nicht müde wird, täglich aufs Neue von Präsident Putin – und nur er hat es in der Hand, er allein – ein Ende dieses Krieges zu fordern, ein Ende des Tötens von unschuldigen Menschen. Er muss wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren. Ich kann nur mit dem schließen, was mutige Frauen und Männer in Moskau, in Sankt Petersburg, in anderen Städten in Russland sagen: Präsident Putin, beende diesen Krieg! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Abg. Brandstätter.)
16.27
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kucher. – Bitte.