16.40
Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Ja, meine Redezeit sind nur 5 Minuten, das ist natürlich sehr, sehr wenig, und deswegen versuche ich, mich kurz zu fassen und ein paar Klarstellungen vorzunehmen.
Erstens – und das sage ich als außenpolitischer Sprecher der Freiheitlichen Partei –: Selbstverständlich verurteilen wir aufs Schärfste einen Krieg, diesen Krieg, der auf europäischem Boden stattfindet, der Europäern viel Leid bringt; überhaupt keine Frage. Selbstverständlich bekennen wir uns dazu und werden auch aktiv daran mitarbeiten, humanitäre Hilfe zu leisten, nach Maßgabe unserer Möglichkeiten – und die sind ja groß –, aber doch unter der Berücksichtigung, dass erstens die unmittelbaren Nachbarstaaten Hilfe leisten und selbstverständlich auch wir dann Hilfe leisten, so, wie wir das auch gegenüber der Tschechoslowakei, in der Ungarnkrise und so weiter gemacht haben.
Klubobmann Kickl hat es schon erwähnt, und ich möchte drei Punkte ansprechen: das Thema Neutralität, Ihr etwas eigenartiges Verhältnis zur Neutralität, die Sanktionen, von denen der Herr Vizekanzler sagt, sie wirken – ich sehe jetzt nicht, was da wirkt, jedenfalls nichts im Sinne der Interessen Europas –, und die Teuerungswelle und die Energiepolitik, also Ihre Rösselsprünge in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Katar, die Klubobmann Kickl auch schon angesprochen hat.
Selbstverständlich tritt ein Krieg in der heutigen Zeit in mehreren Dimensionen auf: als der bedauernswerte physische Krieg, den wir haben, aber selbstverständlich auch als Wirtschaftskrieg. Prominente Autoren bezeichnen das, was da stattfindet, als Wirtschaftskrieg. Es gibt auch einen Medienkrieg und es gibt den Krieg in der Cyberwelt.
Bei der Neutralität hapert es bei Ihnen ja selbst schon im Physischen! Herr Bundeskanzler, Kriegsgerät zu schicken, 10 000 Helme und Splitterschutzwesten, das geht sich mit dem Neutralitätsbegriff irgendwie nicht aus, und da sind wir bei der militärischen Komponente. (Beifall bei der FPÖ.)
Und schon überhaupt nicht geht sich das aus, was Sie im Wirtschaftskrieg machen: Sie werfen sich zur Gänze auf eine Seite, nämlich auf die Seite derer, die die Sanktionen verursachen oder die Sanktionen implementieren. Der Herr Vizekanzler hat gesagt, sie wirken. Ich hätte eine Bitte: Erklären Sie mir, wo sie wirken! Meines Erachtens wirken sie schon, aber nicht in die Richtung, wie wir wollen, sondern sie schädigen dramatisch und massiv die österreichische Wirtschaft, die europäische Wirtschaft. Sie verursachen Arbeitslosigkeit, sie verursachen eine Kostenexplosion, unter der alle Bürger zu leiden haben, und sie bewirken – wenn das das Ziel ist – keine Verhaltensänderung bei Putin und bei den Russen, zumindest ist eine solche für mich nicht wahrnehmbar.
Wenn die Sanktionen etwas bewirken, dann das Gegenteil, eben das, was wir als Europäer, die die Interessen Europas im Auge haben, nicht wollen: Putin wendet sich von Europa ab, was aus unserer Sicht ein Wahnsinn ist, er wendet sich China zu, er wendet sich Indien zu, er wendet sich dem Iran zu und so weiter. Da werden jetzt neue Allianzen befördert, völlig zum Schaden Europas. Wir sind da Zuseher und Passagiere und haben den Schaden – aber der Herr Vizekanzler wird mir sicher beizeiten erklären, was die positiven Wirkungen dieser Sanktionen sind.
Ich schließe mit dem Bereich der Energiepolitik: Da zahlen wir jetzt die Rechnung. Jetzt werden Notmaßnahmen getroffen, dieses und jenes – Sie erzählen uns, was Sie alles machen werden; abgesehen davon, dass man, wenn man sich die Performance der Regierung in den letzten Jahren anschaut, durchaus sagen kann: Ich hör die Botschaft, allein mir fehlt der Glaube! Schauen wir uns einmal an, was Sie in den letzten 20 Jahren gemacht haben, denn das liegt auf dem Tisch: Sie haben eine Energiepolitik gemacht, die völliger Irrsinn ist, aus dem Interesse der europäischen und österreichischen Wirtschaft heraus.
Das ist völlig überzogen. Wir Freiheitlichen haben immer gesagt: Energiewende ja, aber bitte mit Maß und Ziel, vergessen wir nicht die Versorgungssicherheit, die Wirtschaftlichkeit und die Leistbarkeit. Sie mit Ihrer Verteufelung aller fossilen Energieträger, mit der Verteufelung der Kohle und der Atomkraft und so weiter, gehen da grob fahrlässig um. Und wenn Sie behaupten, das alles könne man mit erneuerbarer Energie ersetzen, sage ich Ihnen nur zwei Zahlen: Die Republik Österreich braucht im Jahr 300 Terawattstunden Energie, die nach wie vor mit Masse Ölimporte und Gasimporte sind, und 140 Terawattstunden Gas. Ich nenne Ihnen eine zweite Zahl: Wie viel produzieren alle Windräder und alle Fotovoltaikanlagen in ganz Österreich zusammen, wie viel ist das zusammengerechnet? – 8 Terawattstunden! (Zwischenrufe bei den Grünen.) Und mit Ihrem Jahrhundertgesetz schaffen Sie einen Ausbau von 20 Terawattstunden, dann sind wir bei 30 Terawattstunden, das ist ein Zehntel des Bedarfs. Also erzählen Sie uns bitte nicht, wir können mit den Windrädern unseren Energiebedarf decken, denn das ist einfach jenseits jeder Realität! (Beifall bei der FPÖ.)
Ich schließe: Wer vertritt die Interessen Europas in diesem Konflikt? – Ich habe nicht das Gefühl, dass das die Europäische Kommission ist. Wer vertritt die Interessen der Republik Österreich in diesem Konflikt? – Ich habe nicht das Gefühl, dass das die Bundesregierung ist. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Da herrscht meines Erachtens Totalversagen! Da herrscht eine Interessenpolitik derer, die einen Nutzen daraus haben, die strategisches Interesse an diesem Konflikt auf europäischem Boden haben, nämlich der Vereinigten Staaten von Amerika.
Im Übrigen zum Thema Gesprächsbereitschaft, Putin redet mit niemandem: Ich habe es jetzt heraussuchen lassen: Joe Biden redet grundsätzlich nicht mit Putin – also kann man Putin das nicht vorwerfen. Das wäre nämlich jetzt das Wichtigste, dass man sich zusammensetzt und miteinander redet und einmal zuhört.
Sie machen im Medienkrieg genau das Gegenteil: Da wird alles pauschal als Propaganda deklariert, und Sie werden jetzt dann – wir nicht, wir werden da dagegen sein –, ein Gesetz beschließen, mit dem Sie die bösen Sender – Russia Today; das ist alles nur Propaganda – verbieten werden. Bitte, das ist doch keine Lösung, das trägt doch nicht zur Lösung bei; auch nicht der Beschluss, dass die Ukraine der EU – ist gleich NATO – beitreten wird. Bitte, das muss man doch einmal zur Kenntnis nehmen. Die Amerikaner hätten auch keine Freude, wenn im nördlichen Mexiko China, Russland oder ein Militärbündnis seine Raketen stationieren würde.
Ich will jetzt niemanden verteidigen, aber man muss ja da Lösungswege aufzeigen (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz), und man kann nicht mit Forderungen in ein Gespräch hineingehen, die von der Gegenseite von vornherein als nicht annehmbar artikuliert werden; so funktioniert das ja nicht. Das ist gemeint mit weiteres Öl ins Feuer gießen, das ist das, was Sie machen, Sanktionen, Öl ins Feuer gießen, Waffen in die Ukraine liefern, den Leuten raten, sich Molotowcocktails zu besorgen – das ist ja völkerrechtlich der Oberwahnsinn; das sind nämlich Kombattanten. Das ist doch keine verantwortungsvolle lösungsorientierte Politik! Ich habe noch keinen einzigen Lösungsvorschlag von Ihnen gehört. (Beifall bei der FPÖ.)
16.47
Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zweifelsohne ist das eine sehr emotionale Debatte, zu Recht, die wir heute hier führen. Ich habe jetzt bei den letzten Rednerinnen und Rednern keine Ordnungsrufe verteilt, ich würde Sie aber trotzdem bitten, sich im weiteren Verlauf der Debatte in der Ausdrucksweise zu mäßigen. Weder „Amnesie“ noch „völliger Irrsinn“ sind Ausdrucksweisen, die wir hier im Hohen Haus verwenden. Darum würde ich Sie ersuchen.
Nun hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. – Herr Bundesminister, auch ich heiße Sie herzlich willkommen im Hohen Haus und erteile Ihnen jetzt das Wort. Bitte.