16.48
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren Zuseherinnen und Zuseher! Ich weiß, und das ist auch dem Anlass angemessen, es gibt in Zeiten wie diesen wichtigere und gravierendere Fragen und Probleme als den Wechsel in der Bundesregierung – ich will ihn nicht kleinreden –, und ich möchte aus diesem Grund bei den Ausführungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers anknüpfen, die – wie auch Abgeordnete – in sehr eindringlichen Worten darauf hingewiesen haben, was in diesen Tagen abgeht.
Wenn ich hier vor Ihnen stehe, dem Nationalrat, dem Hohen Haus, dann tue ich das erstens mit tiefem Respekt vor diesem Haus, vor der Demokratie, und glaube, wir sollten auch den Wert wieder erkennen, den Parlamentarismus, Demokratie, Gesetzgebung auf dem Boden der Verfassung haben, und sehen, wie rasch das beseitigt werden kann. Und in diesem Geiste bin ich sehr froh, hier vor Ihnen, dem Parlament, zu stehen, auch in entsprechender Demut, das sage ich dazu. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und bedanke mich auch für diese freundliche bis freundlich-kritische Aufnahme, die ich hier gefunden habe. Herzlichen Dank! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)
Jetzt weiß ich schon, dass Sie – vielleicht zu Recht – auch erwarten, dass ich inhaltlich konkrete Ansagen mache. Sie haben auch zu Recht – wie Sie es gesagt haben – beim dritten Gesundheitsminister in der Pandemie eine gewisse Erwartungshaltung, und natürlich steht für mich die Sicherung der Gesundheit an erster Stelle; aber – das sage ich gleich als Zweites dazu – ich bin nicht nur Gesundheits-, ich bin auch Sozialminister, und darauf werde ich zurückkommen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
Jetzt weiß ich, dass in diesem Haus und draußen in der Bevölkerung sehr vieles an Debatten über die Zugänge zu dieser Pandemiebekämpfung stattgefunden hat und dass darüber trefflich gestritten worden ist, was denn nun die richtigen Maßnahmen sind, was angemessen ist, was nicht angemessen ist, was ein zu starker Eingriff in die Freiheitsrechte jedes Einzelnen darstellt und was nicht. Ich weiß das, ich nehme das wahr und ersuche trotzdem, diesen Dialog mit gegenseitigem Respekt zu führen (Abg. Belakowitsch: Das müssen Sie dem Bundeskanzler sagen!), weil ich schon glaube, dass wir es nicht zulassen sollten, dass mit Worten gespalten wird, wo demokratischer Dialog angebracht ist.
Was mir besonders wichtig ist, als zukünftiger Sozialminister auch zu sagen: Ich bin ja ins Haus gekommen und habe dann die Galerie der Sozialministerinnen und Sozialminister gesehen, die sozusagen meine Vorgängerinnen und Vorgänger waren. Da schwingt schon auch Respekt und Ehrfurcht mit, das sage ich dazu, weil sich da Namen wie Grete Rehor, Dallinger, Hostasch finden, die alle ihren Beitrag geleistet haben, dass wir heute in Österreich so leben, wie wir leben: in einem Sozialstaat, um den uns Europa beneidet, in Ausgeglichenheit, Ausgewogenheit und Balance, die ihresgleichen in Europa suchen, und daran würde ich gerne anknüpfen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
Jetzt sind schon von einigen Vorrednerinnen und Vorrednern die inhaltlichen Wünsche, Forderungen, berechtigten Forderungen, auch an mich als zukünftigen Gesundheits- und Sozialminister, angesprochen worden. Die Pflege ist zu Recht als einer jener Bereiche genannt worden, in dem seit Jahren massiv Handlungsbedarf besteht, in dem seit Jahren auch von den Akteurinnen und Akteuren, die dort sind, eingefordert wird, dass Verbesserungen stattfinden – und ja: Ich weiß das. Ich weiß auch, unter welchen Voraussetzungen gerade Menschen in der Pflege jetzt, in den letzten Jahren der Pandemie, gearbeitet haben. Ich weiß auch, dass es vor allem Frauen waren – der Weltfrauentag sei nicht nur aus diesem Grund genannt –, ich weiß, was dort an Leistungen erbracht worden ist.
Mein Ziel ist es jedenfalls, dort die notwendigen Entlastungsmaßnahmen rasch auf den Weg zu bringen. Ich weiß, das haben schon mehrere vor mir gesagt und versprochen. Dafür, dass das noch nicht so rasch vorangegangen ist, sind nicht nur Gründe ausschlaggebend, die im Bereich der Bundesregierung liegen, weil Zuständigkeiten in der Pflege, in der Umsetzung maßgeblich auch bei den Bundesländern liegen. Es wird meine Aufgabe sein, den Dialog mit den Bundesländern so auf die Reihe zu bekommen – schwierig genug –, dass dort etwas weiterzubringen ist, aber das möchte ich bei dieser Gelegenheit tun: mich bei allen, die in diesem Bereich tätig sind, für ihre unschätzbare Arbeit einfach auch einmal zu bedanken. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Der zweite wichtige Punkt sind die pflegebedürftigen Menschen. Da befinden sich bereits wesentliche Bausteine in Ausarbeitung. Das habe ich in einem ersten raschen Überblick im Ressort bereits festgestellt, und Sie können sicher sein, dass da auch einer meiner Schwerpunkte liegen wird.
Beim Sozialen kann ich, wie soll ich sagen, auf meine berufliche Vergangenheit verweisen, weil da mein Herz auch ganz stark zu Hause ist. Ich sage Ihnen, als Gesundheits- und Sozialminister wird es an mir – und auch an uns als Bundesregierung – liegen, die sozialen Folgen der Pandemie mit abzufedern, und diese sozialen Folgen sind allgegenwärtig. Die Pandemie darf nicht dazu führen, dass sich Armut weiter ausbreitet, dass soziale Ungerechtigkeit zunimmt, sondern sie muss ganz im Gegenteil dazu führen, dass dort Akzente gesetzt werden, um das abzufedern. Das erwarten sich die Menschen zu Recht, und es ist, wenn man langfristig gesellschaftlichen Zusammenhalt und Frieden sichern will, primäre Aufgabe auch eines Gesundheits- und Sozialministers, das Augenmerk darauf zu legen.
Nur ein Beispiel sei genannt: Wir alle wissen – Sie alle wissen –, wie sich die Kosten im Bereich des Wohnens in Österreich entwickelt haben. Ich komme aus einem Bundesland, wo das ganz besonders dramatisch ist, wo wir mit locker 10-prozentigen Steigerungsraten konfrontiert sind, was dazu führt, dass Menschen oft mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Miete ausgeben müssen. (Ruf bei der FPÖ: Ja, weil Sie dort mitregieren!)
Es ist heute auch Weltfrauentag. Leider brauchen wir ihn noch – das sage ich auch dazu. Es sei auch erwähnt, dass mir – und das hat Wolfgang Mückstein schon auf den Weg gebracht – Gewaltschutz ein ganz besonderes Anliegen ist, weil ich einfach glaube, dass es nicht hinnehmbar ist, dass wir uns in diesem Land, was die Anzahl der Femizide angeht, in Europa permanent im Spitzenfeld bewegen. Das darf nicht zur Normalität werden und da muss gemeinsam entgegengehalten werden. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)
Ich bin heute bei der Angelobung bereits mit einer Demonstration in Sachen Tierschutz konfrontiert worden. Ich kenne die Anliegen in diesem Bereich. Ich weiß, wie wichtig sie sind. Ich weiß auch, dass es dort gilt, einen Ausgleich zu finden und mit meiner Kollegin auf der Regierungsbank Köstinger den Diskurs zu führen. Ich war lange genug Landwirtschaftssprecher im Vorarlberger Landtag, um zu wissen, wo dort die Druckpunkte und Schmerzpunkte liegen. Jedenfalls aber dort etwas weiterzubringen, wo es um Tierschutz, um Tiertransporte, um Vollspaltenböden geht, das wäre schon mein Anspruch, um den ich mich kümmern möchte. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)
Jetzt zur Pandemiebekämpfung: Es wird Sie natürlich interessieren: Wie mache ich denn das, mich – oder uns – bestmöglich auf den Herbst vorzubereiten? – Ich sage das deshalb, weil ich ja nicht zu denen gehören, die sagen: Die Pandemie ist vorbei! – Ich würde davor dringend warnen. Ich würde schon gerne den Zugang wählen: so viele Maßnahmen wie notwendig, und so wenige wie möglich. Das heißt: diese Balance und diese Ausgewogenheit zu behalten und die Akzeptanz der Menschen ein Stück weit wieder zurückzugewinnen. Diese ist aufgrund der Länge der Pandemie und vielleicht auch durch die eine oder andere nicht ganz nachvollziehbare Maßnahme ein Stück weit verloren gegangen, und es wird notwendig sein, diesen Konsens wieder zustande zu bekommen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Das heißt, damit bin ich dann beim Thema der Impfung: Morgen wird der Bericht der Kommission präsentiert. Da sage ich ganz klar dazu, mein Zugang ist, es gibt zwei Leitplanken, die für mich maßgeblich sind: Das eine ist die Wissenschaftlichkeit, die Wissenschaft, die Expertise – auf die ist zu bauen –, und das Zweite ist die Verfassungsmäßigkeit und das Einbetten in die Verfassung der Republik Österreich. Diese beiden Leitplanken stehen, und zwischen diesen beiden Leitplanken werden sich die Maßnahmen der Bundesregierung, was die weitere Vorgangsweise angeht, befinden müssen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Das fängt gut an!)
Was es braucht, ist, glaube ich, auch einen gesellschaftlichen Dialog, wie wir insgesamt in diesen Fragen weiter vorgehen. Sie alle – ich auch – haben ja in den vergangenen Wochen und Monaten eine Unzahl von Mails bekommen, die entweder ganz in die eine Richtung oder in die ganz andere Richtung radikale Forderungen erhoben haben. Die einen wollten die Pandemie für beendet erklären – die Maskentragerei: alles Unsinn!, Die Impfung ist ein Schwachsinn!, Das geht sich so alles nicht aus! –, und auf der anderen Seite: noch mehr Strenge, noch schärfere Maßnahmen und ein Anziehen auf allen Ebenen. Ich sage Ihnen, wenn wir die Mehrheit der Bevölkerung mitnehmen möchten – und das wäre jedenfalls mein Anspruch –, dann braucht es die Kunst, diese Balance zu halten. Ich werde mich sehr darum bemühen – im Übrigen auch im Dialog mit den Parlamentsparteien.
Ein Satz noch zur Rolle der Parlamentsparteien: Ich möchte mich ausdrücklich bei der SPÖ und bei den NEOS bedanken, die in diesem Parlament die Impfpflicht mitbeschlossen haben. Das war bei Gott keine leichte Übung für Sie. Ich kenne auch die innerparteilichen Diskussionen in meiner eigenen Partei. Sie haben das getan, Sie haben staatspolitische Verantwortung übernommen (Heiterkeit und Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), und Sie können sicher sein, dass ich mich bemühe, Sie in weiterer Folge in die Entscheidungen auch einzubeziehen, weil das keine Einbahn sein kann.
Man kann nicht die Zustimmung zur Impfpflicht verlangen und dann auf der anderen Seite die Zusammenarbeit und das Angebot der ausgestreckten Hand ausschlagen. Da können Sie sich also auf mich verlassen und mich beim Wort nehmen. (Beifall bei Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS.)
Lassen Sie mich persönlich schließen: Ich habe dieses Amt in einer Situation übernommen, die angespannt ist, die nicht einfach ist, die geopolitisch nicht einfach ist. Ich bin nicht sicher, ob wir alle schon verstanden haben, welchen Impact die Ereignisse in der Ukraine, in Russland auf uns alle haben werden.
Es ist mir wichtig, das Soziale an meinem Amt zu betonen, darauf Wert zu legen. Ich bin schon ein paar Jahre in der Politik, aber demütig genug, um zu wissen, ich bin jetzt auf der Bundesebene gelandet, ich kann da nicht alles vom ersten Tag weg. Das sage ich Ihnen auch dazu, weil ich diese Arroganz, zu glauben, ich komme in ein Amt und kann es dann gleich, nicht habe. Die Anforderungen sind hoch, ich werde mich ihnen stellen, ich werde mich auch der Kritik stellen.
Jetzt eine Bitte zum Schluss: Ich möchte mich hier und heute ausdrücklich vor mein Haus stellen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses haben in den letzten beiden Jahren unter schwierigsten Umständen Unglaubliches geleistet und haben zum Teil bis zur Erschöpfung und darüber hinaus gearbeitet. Wenn jemand Verantwortung zu übernehmen hat, dann bin das in Zukunft ich und nicht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses. Diesen Anspruch habe ich, und darum möchte ich Sie auch bitten. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
Im Übrigen – und damit möchte ich schließen – freue ich mich auf die Debatten in diesem Haus, ich bedanke mich noch einmal für diese freundliche Aufnahme bei allen – beim Herrn Bundeskanzler, beim Herrn Vizekanzler, auch bei den anderen KollegInnen auf der Regierungsbank –, und Sie können sicher sein, ich werde in meinem Amt mein Bestes geben. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)
17.02
Präsidentin Doris Bures: Danke, Herr Bundesminister. Nun gelangt Frau Abgeordnete Bettina Rausch zu Wort. – Bitte.