17.02
Abgeordnete Mag. Bettina Rausch (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Regierungsmitglieder! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst eine Gratulation – sehr persönlich und auch noch einmal vonseiten meiner Fraktion – an den neu angelobten Gesundheits- und Sozialminister, viel Erfolg und alles Gute für seine vielfältigen Aufgaben, die er gerade skizziert hat! Er ist ja, wie sein Statement auch vernehmen ließ, wahrlich kein politischer Newcomer und wird gleich in die Arbeit starten. Er erlebt dennoch, glaube ich, heute hier bei seiner Premiere im Hohen Haus eine doch bemerkenswerte Sitzung vor einem bemerkenswerten Hintergrund in einer bewegten Zeit.
Mir ist bewusst, er ist nicht Bildungsminister, sondern Gesundheits- und Sozialminister, dennoch erinnert mich das, was ich vor seiner Rede erlebt habe, so ein bisschen an Begriffe aus der Schule. Ich möchte erinnern, kurz vor dem Bundesminister waren unter anderem die Kollegen Kucher und Kassegger am Wort.
Kollege Kucher, ich würde sagen, was Sie hier am Rednerpult abgeliefert haben, das war letztlich eine glatte Themenverfehlung, und auch die große Verve, das Engagement und die Aufregung, mit der Sie da vorgetragen haben, kann darüber letztlich nicht hinwegtäuschen.
Zum Kollegen Kassegger gesprochen: Der Begriff, der mir da einfällt, ist Folgefehler. So heißt das bei Mathematikarbeiten, wenn man quasi einmal schon die Grundlagen nicht richtig hat; dann kann am Ende nichts Gescheites herauskommen. Wenn man nicht in der Lage ist und nicht willens ist, diesen Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine explizit zu verurteilen, dann können die Vorschläge, die kommen, die hier vorgebracht werden keine sinnvollen Vorschläge sein. – Das sei an dieser Stelle gesagt. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Um es konkret zu machen: Ich habe sehr gut zugehört, nämlich etwa gehört, wie Sie russische Propagandamedien hier verteidigt haben, und das, denke ich, ist wohl an Absurdität und Gefährlichkeit kaum zu überbieten. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)
Machen wir uns noch einmal bewusst, in welcher Situation wir heute sind: Wir haben Krieg in Europa, und um ehrlich zu sein, ich hätte nicht damit gerechnet, das in meinem Leben, im 21. Jahrhundert noch erleben zu müssen, dass ein souveräner europäischer Staat angegriffen und überfallen, bombardiert und besetzt wird.
Ich war selbst vor etwa 20 Jahren das erste Mal in der Region, auch lange Zeit in der Ukraine, und habe dort eine Stimmung erlebt, die vor 20 Jahren schon von so etwas wie Aufbruch und Zuversicht getragen war. Ich habe Menschen getroffen – viele junge Menschen –, die gerade dabei waren, Werte wie Freiheit endlich leben zu können. Das war etwa zehn Jahre nach der Überwindung des Sowjetregimes. Sie haben erlebt, dass Gesellschaft anders funktionieren kann, dass Staat und Politik anders funktionieren können. Länder wie eben auch die Ukraine haben sich dann Europa zugewandt – nicht etwa, weil sie dazu gedrängt wurden, nicht, weil sie dazu gezwungen wurden, sondern weil sie nach westlichen Werten leben wollten und wollen: mit Freiheit, mit Demokratie, mit sozialer Marktwirtschaft.
Es waren und es sind weiterhin die Menschen in der Ukraine, die sich Richtung Westen orientieren, Richtung Europa orientieren, die in einer Gesellschaft leben wollen, wie wir sie kennen und schätzen lernen – und ich denke, in Tagen wie diesen umso mehr schätzen lernen. Ja, es war und ist – und ich glaube, das muss man offen sagen – ein Wettstreit der Systeme, der politischen Systeme, und es waren die Menschen in der Ukraine, die sich Richtung westliches System gewendet haben, die in immer größerer Zahl gesagt haben: So wollen wir leben, und so wollen wir zusammenleben! Das hat die Orange Revolution 2004 gezeigt, die Bewegung des Euromajdan 2013 und 2014, und wir erleben heute auch wieder diesen unglaublichen Willen der Menschen, diesen Mut, auch ihre Freiheit, ihre demokratischen Werte und ihr demokratisches Land zu verteidigen. Der Bundeskanzler schildert ja eindrucksvoll auch immer wieder den Kontakt etwa mit dem Kiewer Bürgermeister.
Jetzt sehen also die Ukrainerinnen und Ukrainer ihre Chance in Freiheit und Demokratie. Die russische Führung rund um Wladimir Putin aber sieht in Freiheit und Demokratie offenbar eine Gefahr, und das ist der wesentliche Unterschied, um den es da geht, auf den wir aufmerksam machen müssen und den es gilt, zu benennen und uns auch immer vor Augen zu führen. Viele Russinnen und Russen sehen das Gott sei Dank anders. Sie gehen dagegen auf die Straße, und wir in Österreich – und das ist sehr schön – zeigen in überwiegender Mehrheit – leider nicht vollzählig hier im Parlament –, auf welcher Seite wir stehen, nämlich auf der Seite von Frieden und Demokratie, von Freiheit und Wohlstand.
Wir nehmen unsere Verantwortung wahr, die mit der Freiheit immer mitkommt, nämlich gemeinsam mit so vielen anderen Ländern in der EU und in der UNO Position zu beziehen, eine klare Position für die Ukraine und gegen den Aggressor einzunehmen, auch wenn das schmerzt – Stichwort Sanktionen –, aber ich denke, kein wirtschaftlicher Schmerz kann so groß sein wie das Leid, das die Menschen in der Ukraine zu ertragen haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Ruf bei der FPÖ: Sie werden’s aushalten!)
Wenn ich über Werte rede, die uns wichtig sind, dann will ich eines noch zu den Menschen in Österreich sagen: Sehr geehrte Damen und Herren, danke auch an dieser Stelle! Danke für die Welle der Hilfsbereitschaft, die wir in Österreich erleben, die durch Österreich geht! Was wir nämlich gerade erleben, ist Solidarität im besten Sinne des Wortes, nämlich nicht Solidarität als bequeme Haltung, sondern Solidarität als konkrete Handlung und Handlungen – Nachbarschaftshilfe, private Vereine, Gemeinden und Organisationen. Ich möchte in Erinnerung rufen – und das ist bemerkenswert –: In kürzester Zeit – der Innenminister hat es diese Woche gesagt – sind 20 000 Unterkunftsplätze für Ukrainerinnen und Ukrainer zur Verfügung gestellt worden. Dieses echte Engagement ist großartig, das zeichnet uns aus und macht uns letztlich auch zu einem Land, in dem es mich stolz macht, zu leben.
Der Bundesregierung sei an dieser Stelle auch vonseiten des Parlaments gedankt. Sie – Innenministerium, Außenministerium, Verteidigungsministerium – begleitet, unterstützt und ergänzt an – im besten Sinne – vorderster Front. Danke allen, die da so schnell Strukturen aufgebaut haben und die dafür sorgen, dass die Hilfe wirklich wirkt, denn wirksame Hilfe erfordert nicht nur offene Herzen, sondern auch kluge Planung, und jedes Engagement ist umso wichtiger, je wirkungsvoller und zielgerichteter es ist!
Allen, die die Debatte mitverfolgen, die jetzt auch helfen wollen, die heute vielleicht vielfach angeregt wurden, sei gesagt, dass wir viele Organisationen haben. Ich denke etwa an die Caritas, das Rote Kreuz in Österreich, das Hilfswerk International, die ganz genau wissen, was wo gebraucht wird und wo man helfen kann. Bitte wenden Sie sich an diese Organisationen, an zentrale Koordinationsstellen und spenden Sie womöglich auch Geld, um die Logistik und die Organisation zu unterstützen!
Sehr geehrte Damen und Herren, halten Sie in dieser Zeit bitte Ihre Herzen, womöglich Ihre Brieftaschen offen! Seien Sie bereit, in Österreich und vor Ort zu helfen – nicht nur heute, nicht nur diese Woche, denn leider Gottes wird dieser Krieg länger dauern, als uns lieb ist, und daher brauchen wir Ihre Unterstützung auf diesem Marathon. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
17.09
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Helmut Brandstätter zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.