17.09
Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister, herzlich willkommen! Ganz aktuell: Es ist von humanitären Korridoren die Rede gewesen, und wir hören eben, dass jener in Mariupol von russischen Truppen beschossen wird. Stellen wir es fest: Putin ist ein Kriegsverbrecher, und er sollte eigentlich das Ende eines Kriegsverbrechers finden, er sollte nach Den Haag. (Beifall bei den NEOS.)
Natürlich sind da die Frauen wieder am meisten betroffen. Ich habe es das letzte Mal gesagt und ich sage es heute wieder, nicht nur wegen des Weltfrauentages: Natürlich sind sie am meisten betroffen. Man denke nur an diese schrecklichen Bilder, die wir sehen, dass Frauen irgendwo in einem Keller ein Kind bekommen müssen, dass sie jetzt auf der Flucht sind.
Aber es hat auch Kira Rudyk, die Vorsitzende der liberalen Partei Holos eben getwittert: Eigentlich sollten wir, die Frauen, heute Blumen bekommen, aber wir haben Waffen in der Hand und wir wehren uns auch für unser Land. – Auch das ist die Botschaft heute aus der Ukraine.
Ich habe immer gesagt, wir sind die glücklichste Generation, die je in Österreich gelebt hat. Ich weiß sehr wohl, Bedrana Ribo, Frau Justizministerin und andere, Sie haben Flucht erlebt, ja, und ich habe immer unglaublich gefunden, welches Schicksal Sie hatten, und jetzt sehen wir das aber noch viel näher. Wir hatten das Glück, dass wir nie einen Krieg erleben mussten, dass wir erzählt bekamen, wie schrecklich das ist – und jetzt erleben wir es aus der Nähe.
Wir müssen aber auch feststellen, dass wir hätten wissen müssen, was Herr Putin für einer ist. Wir hätten es wissen müssen! Ich kann Ihnen nur sagen (das Buch „Putins Netz“ von Catherine Belton in die Höhe haltend), lesen Sie dieses Buch! Wie war der Aufstieg des Herrn Putin? Mit dem KGB, mit den Mafiosi, mit den alten Kommunisten haben sie gemeinsam zunächst in Sankt Petersburg gestohlen, und dann haben sie im ganzen Land gestohlen und das Geld unter sich verteilt. Und diejenigen, die nicht mitgemacht haben, sind verhaftet worden, zum Teil auch umgebracht worden, die Medien eines nach dem anderen vernichtet worden.
Dann ist 2014 die Krim und der Osten der Ukraine überfallen worden, und wenige Monate später hat man hier gewitzelt! Mit dem, der damals schon ein Kriegsverbrecher war, hat man in Wien Witze gemacht, Diktator lustig hin und her! Auch das ist ein Stück unserer Geschichte, dazu haben wir uns zu bekennen und da haben wir auch zu sagen: Wir hätten es wissen müssen. Das, was er letztlich gemacht hat, ist leider logisch vorgegeben gewesen.
Auch Folgendes stimmt – ich habe das im Jahr 2015 im „Kurier“ geschrieben und bin von Herrn Wolf sehr kritisiert worden –: Ich habe gesagt, es kann doch nicht sein, dass der Angestellte eines Oligarchen der Chef der österreichischen Staatsindustrie wird. Und was hat er betrieben? – Dass die OMV sich an Russland ausliefert, und das Ergebnis haben wir heute. Das, was wir erleben, ist eine Tragödie.
Karl Marx hat ja Hegel – Kollege Kickl kennt sich aus – weiter paraphrasiert und hat sinngemäß gesagt: Geschichte ereignet sich zwei Mal, einmal als Tragödie und einmal als Farce. – Nach der Tragödie des Kommunismus habe ich mir gedacht, dieser Putin, der da nackt am Pferd sitzt und sich auch sonst so toll gibt, sei die Farce. Nein, er ist die zweite Tragödie!
Leider hat Mark Twain recht, der gesagt hat, Geschichte reimt sich – von Kommunismus auf Putinismus, und es ist um nichts besser geworden. Der Unterschied ist nur, dass wir gedacht haben, er sei unser Freund und wir könnten mit ihm operieren – können wir aber nicht.
Das Nächste muss ich auch sagen: Putin ist auch für Terroranschläge verantwortlich. Deswegen heißt die ganz große Frage nicht Neutralität, meine Damen und Herren. Die ganz große Frage heißt: Wie sichern wir unsere Sicherheit? Wie sichern wir die Sicherheit der Menschen, die in Österreich leben?
Irgendjemand sagt Neutralität. Da zitiere ich Ihnen gerne Hugo Portisch. Ich habe mit ihm ein Interview geführt, und am 26. Oktober 2015 haben wir es im „Kurier“ veröffentlicht. Er hat zur Neutralität ganz klar gesagt: „Wir haben mit vielen Generälen gesprochen, die damals in den Planungsstäben waren, sowohl im Warschauer Pakt als auch in der NATO. In dem Moment, wo Krieg gewesen wäre, so sagten die Generäle von beiden Seiten, wären alle sofort nach Österreich marschiert.“
Ich selbst bin Zeitzeuge eines Gesprächs mit Helmut Kohl 1987. Damals haben Nato-Truppen geübt, dass sie natürlich nach Österreich reingehen, wenn russische Truppen durchs Donautal kommen, und ich habe zu Herrn Kohl gesagt: Herr Bundeskanzler, wie kann die Nato nach Österreich einmarschieren? Wir sind doch neutral. – Er ist ziemlich aggressiv geworden, wie er das so gern machte: Sie glauben doch nicht, dass Sie Ihr Land mit Ihrem Bundesheer verteidigen! Wir verteidigen Sie, aber doch nicht Sie mit Ihrem Bundesheer!
Dann lese ich vor Kurzem, was die Schweizer Verteidigungsministerin sagt: Die Schweiz hat eine starke Armee und hat diese weniger vernachlässigt als Deutschland und Österreich. – Zitatende. Und was lese ich vor wenigen Minuten im „Standard“? Es gibt eine heftige Debatte zwischen der Präsidentschaftskanzlei und Frau Bundesministerin Tanner, und da heißt es, die Präsidentschaftskanzlei stellt fest, dass die Neuorganisation das Bundesheer und dessen Einsatzfähigkeit gefährdet.
Ja, was heißt denn das? Wir sagen, wir sind neutral und damit sind wir sicher. – Nein, das sind wir nicht! Wenn wir gegen Terroranschläge – die wir befürchten müssen und von denen wir nur hoffen können, dass sie nicht stattfinden – gesichert sein wollen, werden wir das nur gemeinsam mit unseren europäischen Freundinnen und Freunden machen; und wenn wir uns wirklich verteidigen wollen in Österreich, werden wir das nur gemeinsam mit den anderen Europäern machen.
Ich weiß, eine europäische Armee, das dauert natürlich, aber jetzt müssen wir kooperieren. Das beginnt beim Einkauf, das beginnt bei gemeinsamen Übungen. Das stört die Neutralität nicht, bitte hören Sie auf, den Menschen Unsinn zu erzählen! Das, was wir machen, ist natürlich im Rahmen der Neutralität möglich. Die Schweizer haben genauso wie wir allen Sanktionen zugestimmt. Wir haben, als wir der EU beigetreten sind, die Verfassung geändert, nämlich betreffend gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik.
Also bevor wir die Debatte überhaupt führen, ist doch klar, dass wir im Rahmen der Neutralität noch mehr machen können, weil das Ziel ja ist, die Sicherheit Österreichs zu gefährden – äh, zu gewährleisten. (Heiterkeit und Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Und die Sicherheit Österreichs ist gefährdet, sagt Generalmajor Thomas Starlinger, der für den Herrn Bundespräsidenten arbeitet. Das ist die Realität und damit müssen wir uns konfrontieren, und zwar, wie gesagt, mit unserem Herzen und mit unseren Taten.
Danke an alle, die in der Ukraine waren! Danke an alle, die gespendet haben! Danke an alle, die jetzt Menschen aufnehmen! Auch das werden wir jetzt machen müssen. Und dann kann man nur sagen: Hoffentlich ist dieser Kriegsverbrecher bald gestoppt! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)
17.16
Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Susanne Raab zu Wort gemeldet. – Bitte.