17.49
Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere lieber Johannes Rauch! – Es ist schön und erfreulich, dass du jetzt hier bist! Als Gesundheitsminister übernimmst du sicher eines der schwersten, wenn nicht das schwerste politische Amt, das es derzeit gibt. Deine langjährige Erfahrung in einer Landesregierung und im Umgang und Wechselspiel von Bundeskompetenzen und Landeskompetenzen kann da nur sehr hilfreich sein. Ich habe es auch sehr erfreulich gefunden, dass du noch einmal extra darauf hingewiesen hast, dass du auch Sozialminister bist, dass du aus dem Sozialbereich kommst. Das wird sicher in den nächsten zwei Jahren auch noch einmal besondere Wichtigkeit haben müssen und haben sollen.
Ich möchte ein bisschen zur Diskussion hier überleiten: Ich habe mich etwas gewundert, als sie begonnen hat. Nach der Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers kommt Kollegin Rendi-Wagner als Oppositionsführerin ans Rednerpult, und natürlich habe ich damit gerechnet, dass sie kritisiert. Ich hätte erwartet, dass sie als ehemalige Gesundheitsministerin vielleicht den Gesundheitsbereich kritisiert oder als Sozialdemokratin die Sozialpolitik kritisiert oder als Feministin zum Frauentag etwas sagt oder als Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses etwas zur Außenpolitik und zur Ukraine sagt – aber eine rein taktische innenpolitische Diskussion über eine nicht stattfindende Neutralitätsdebatte habe ich wirklich nicht erwartet und finde ich ehrlich gesagt nicht sehr hilfreich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ich finde sie deswegen nicht hilfreich, weil wir eine Neutralitätsdiskussion führen sollten, aber keine falsche, die eine reine innenpolitische Taktik zur Stimmenmaximierung ist – immerhin reden wir da über einen Krieg, über die Situation der Menschen in der Ukraine, denen wir helfen müssen. Eine rein taktische Spielerei bringt einfach gar nichts. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.)
Es ist so, dass die österreichische Neutralität dahin gehend, dass sie militärisch ist, überhaupt nicht zur Debatte steht. Die ÖVP steht dazu, die Grünen stehen dazu, von den SozialdemokratInnen höre ich es, die Position der NEOS ist – mit Blick auf Europa – etwas anders, aber letztlich sind sie auch nicht für einen Nato-Beitritt (Zwischenruf des Abg. Leichtfried), und von den Freiheitlichen hätte ich das auch nicht gehört. Diese Diskussion gibt es so nicht. Was wir diskutieren sollten, ist nicht, ob Österreich neutral ist, da würde ich mir Ernsthaftigkeit erwarten, sondern wie es neutral ist – und dazu habe ich jetzt keinen inhaltlich seriösen Vorschlag gehört.
Ich würde gerne einen machen: Was ich mir erwarten und erhoffen würde, ist, dass wir unsere Neutralität so leben, dass wir aktiv auf Menschen zugehen, die Unterstützung brauchen. Neutralität ist kein Widerspruch zu Menschenrechtsfragen und kein Widerspruch zu Demokratiefragen, also setzen wir uns bitte in diesem Bereich ein! Es ist schlicht und einfach nicht ehrlich, zu glauben, dass wir zu einer Neutralität wie in den – keine Ahnung – Achtzigern zurückkönnten. Wir müssen schon den Tatsachen ins Auge schauen: Wir waren damals schon auch ein Werkzeug der beiden Supermächte, die einen Neutralen in der Mitte gebraucht haben; das gibt es so jetzt nicht mehr. Was wir machen sollten, ist, Demokratiebewegungen unterstützen (Zwischenruf bei der SPÖ), in der jetzigen Situation, wie ich finde, insbesondere in Russland und in Weißrussland. Dafür sollten wir uns einsetzen.
Machen wir das doch! Das Nationalratspräsidium könnte im Namen des Parlaments eine Sitzung, eine Veranstaltung machen. Laden wir Dissidenten, DemokratieaktivistInnen, MenschenrechtsaktivistInnen aus Russland, aus Weißrussland ein, diskutieren wir das im Parlament – die vier Parteien! Machen wir – die vier Parteien, die sich gegen diesen Krieg aussprechen, die sich gegen Putin aussprechen – so eine Veranstaltung, leben wir aktive Demokratie statt irgendwelcher innenpolitischen Scharmützel betreffend Neutralität! Machen wir eine solche Diskussion und helfen wir den MenschenrechtsaktivistInnen! Machen wir doch so etwas! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Brandstätter.)
Und ich sage gezielt nur „die vier Parteien“, denn eines muss man schon sagen: Die Rolle der Freiheitlichen heute hier war wieder klar. Ihr seid der verlängerte Arm Putins in diesem Parlament (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), und wenn irgendjemand hier nicht neutral ist, dann sind das die Freiheitlichen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Von euch, von der FPÖ-Spitze, gibt es Fotos in Moskau, es gibt die Fotos der Außenministerin, die den Knicks macht – wenn die jetzt im Rat sitzen würde, könnte sie ein Veto aussprechen. Macht doch ihr einmal etwas, macht es einmal transparent! (Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Mich würde interessieren, welchen Einfluss Putin bei euch hat. (Abg. Stefan: ... Wirtschaftskammer!) Zeigt doch dem Rechnungshof einmal eure Bücher und zeigt her, was in eurer Regierungszeit (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Stefan) von Putin da gekommen ist und wie das war! Der Rechnungshof darf nur anschauen, was ihr vorlegt. (Abg. Stefan: Wer hat zuletzt Lukaschenko begrüßt? Van der Bellen, oder? ...!) Wenn ihr nichts zu verbergen habt – wo ist Kollege Kickl als Parteichef? –, legt doch dem Rechnungshof eure Bücher aus eurer Regierungszeit vor! Ich möchte wissen, was Putin in diesem Parlament mitredet. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Stefan: Lukaschenko bei Van der Bellen!)
17.54
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Gerald Loacker. – Bitte, Herr Abgeordneter.