19.30
Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Sozialminister! Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe der Debatte heute wirklich zum Großteil aufmerksam – sehr aufmerksam – zugehört und gelauscht, und es ist eigentlich schon beachtlich, was in so eine Regierungserklärung alles mit hineingepackt wird. (Zwischenruf des Abg. Kaniak.) Ich gebe zu, wir haben zwei Themen zu behandeln: zum einen den neuen Gesundheits- und Sozialminister, der heute angelobt wurde – herzlich willkommen, lieber Johannes Rauch! –, und zum Zweiten natürlich eine derartige Krisensituation, die wir seit 13 Tagen auf europäischem Boden – ich möchte das betonen – haben, wo ein Land regelrecht überfallen wurde. Jetzt kann man da natürlich auch viel hineinpacken.
Ich bin jetzt 19 Jahre im Haus, und Sie sind der neunte Sozialminister. Ich betone Sozialminister, weil Gesundheit und Soziales ja nicht immer in einem Ministerium vereint war. Zwei haben wir in der Übergangszeit 2017 gehabt, die rechne ich jetzt nicht dazu, also haben wir sozusagen neun in den letzten 19 Jahren gehabt. Ich verstehe eine Debatte hier herinnen nicht, weil Österreich ein sozialer Wohlfahrtsstaat ist und die Sozialminister von den verschiedensten Parteien – großteils von der Sozialdemokratie, auch von der FPÖ und jetzt von den Grünen – gestellt worden sind. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben das seit Grete Rehor irgendwie nicht mehr zustande gebracht, aber wir haben uns immer aktiv an der Sozialpolitik beteiligt.
Was ich aber nicht verstehe, ist, dass man jetzt gegenseitig Schuldzuweisungen macht, was gut oder nicht gut gelaufen ist. Ich kann sagen: In den letzten 19 Jahren wurde stets eine gute Sozialpolitik gemacht. Warum? – Weil wir sonst nicht diesen Status hätten, den wir heute haben. Österreich ist ein sozialer Wohlfahrtsstaat, und darauf, glaube ich, sollte man durchaus auch stolz sein. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Wer jetzt was genau getan hat und nicht getan hat, darum geht es doch nicht. Eines möchte ich aber festhalten, weil da heute auch von der Sozialdemokratie so über die grünen Sozialminister und diese Bundesregierung hergefallen wird, was alles nicht funktioniert und was alles nicht gemacht worden ist: In den letzten zwei Jahren wurde mehr Sozialpolitik betrieben als in zehn Jahren sozialdemokratischer Sozialminister. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Das könnt ihr euch hinter die Ohren schreiben. Das könnt ihr euch aufschreiben. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Stöger.)
Wir haben die Pensionen überdurchschnittlich angehoben. (In Richtung SPÖ:) Wenn ihr in euren Reihen grinst und lacht, dann wisst ihr ja eigentlich, dass es genau so ist, weil wir die Pensionen viel höher angehoben haben, als euch das überhaupt jemals eingefallen wäre. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben im Bereich der Armutsbekämpfung in den letzten beiden Jahren weit mehr getan – was auch richtig ist.
Wir haben eine Entlastung gemacht, die wir mit euch nie zusammengebracht haben, weil euch immer andere Dinge wichtig waren, denn wenn wir gesagt haben: Wir wollen entlasten, dann haben wir auf der anderen Seite für die Eisenbahn 5 oder 10 Milliarden Euro gebraucht. Es waren ja zum Teil nur grausliche Deals, die da geschlossen werden mussten. Das muss man ja auch einmal beim Namen nennen. (Zwischenruf des Abg. Stöger.) Wir reagieren, wir entlasten die Menschen, und wir machen eine Sozialpolitik, die bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt – vor allem auch bei jenen, die es wirklich brauchen. Das macht diese Bundesregierung. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Zum Thema Pflege: Einen, der leider viel zu früh verstorben ist, nehme ich da aus – das ist Rudi Hundstorfer. Das ist der Einzige gewesen, der sich wirklich bemüht hat (Abg. Loacker: Sich ausgekannt hat!), sich ausgekannt hat, der die Expertise, das Fachwissen gehabt hat, und der wirklich bemüht war, auf diesem Gebiet etwas weiterzubringen.
Das ist nicht einfach, Herr Minister! Du kennst die Situation als Mitglied einer Landesregierung. Die Pflege ist in ihrer Kompetenzzuteilung ein schwieriges Unterfangen, weil natürlich der Bund Zuständigkeiten hat – aber vor allem auch die Länder und die Gemeinden, und daran sind viele Sozialminister gescheitert. (Zwischenruf des Abg. Stöger.)
Heute aber zu sagen: In der Pflege ist noch gar nichts geschehen! – Wir haben die Communitynurse beschlossen, wir haben den Pflegeausbildungsfonds mit 50 Millionen Euro installiert und wir haben derzeit 13 000 Personen in Ausbildung. (Zwischenruf des Abg. Stöger.) 13 000 Menschen, die wir dringend brauchen, sind in Ausbildung für Pflegeberufe. Wir haben – noch nebenbei gesagt – seit zwei Jahren eine Pandemie zu bewältigen, und jetzt haben wir seit 14 Tagen einen Krieg auf europäischem Boden. (Zwischenruf des Abg. Hauser.) Wenn man da also hergeht und sagt, diese Bundesregierung arbeitet nicht Tag und Nacht für die Bevölkerung, auch die sozialpolitischen Punkte betreffend, auch was die Pflege anbelangt, dann ist das einfach nicht richtig, und das weise ich zurück.
Ich bedanke mich dafür, dass wir diese Dinge zusammengebracht haben. Herr Minister, Sie haben meine volle Unterstützung, was die Pflegepunkte anbelangt. Da geht es um Personal, da geht es um Ausbildung und Berufsrecht, da geht es um die pflegenden Angehörigen, und da geht es um die Finanzierung für die nächsten Jahre insgesamt. Wir werden das heuer auch gemeinsam zustande bringen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Jetzt noch zu der gekünstelten Aufregung rund um die Neutralitätsdebatte: Gerade die SPÖ müsste es ja wissen, dass es immer sein kann, dass in den eigenen Reihen jemand etwas sagt, was die Parteispitze nicht goutiert oder was die Parteispitze eigentlich anders sieht. (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.) Das müsstet ihr ja eigentlich kennen: Doskozil erklärt euch da jeden Tag die Welt, und ihr sagt dann: Nein, so ist es nicht gemeint! (Zwischenruf des Abg. Stöger.) Wir schätzen unseren ehemaligen Präsidenten Andreas Khol sehr. (Zwischenruf der Abg. Erasim.) Er hat da eine Meinung kundgetan, die aber nicht die unsere ist. Der Bundesparteiobmann, der Bundeskanzler hat das ganz klar und deutlich festgehalten, und jetzt tue ich das als Klubobmann noch einmal, vielleicht glaubt ihr es dann: Österreich war neutral, Österreich ist neutral und Österreich bleibt neutral – damit das auch von dieser Kanzel aus gesagt ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Stöger und Hafenecker.)
Eines aber möchte ich schon noch, auch in die Vergangenheit geblickt, erwähnen: Es heißt nämlich schon – das hat Ofenauer gemeint –, dass wir uns mit allem, was uns zur Verfügung steht, auch verteidigen können müssen. Das ist nämlich der zweite Satz, der da in der Verfassung drinnen steht, und ja, wir müssen da etwas tun. Da war ja (in Richtung SPÖ) euer Wehrsprecher, auch beim Nationalen Sicherheitsrat, gleich ganz schnell.
Ich würde euch nur schon bitten, einmal an das Jahr 2004, in dem ihr nicht regiert habt – da wart ihr auch in der Opposition –, zurückzudenken: „Hier fliegt Ihre Pension!“ (Ruf bei der SPÖ: Ja eh!), „Sozialfighter“! (Ruf bei der SPÖ: Ja eh!) Wisst ihr, was ihr getan habt? – Nämlich Investitionen in das Bundesheer gegen die Sozialpolitik auszuspielen und die Menschen dafür zu fangen, um Wählerstimmen zu bekommen! (Zwischenruf des Abg. Stöger.) Das ist das, was ihr getan habt, und das ist gar nicht einmal so lange her. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Daher, wenn der Sinneswandel in der Sozialdemokratie stattgefunden hat, soll es mir recht sein, es ist nur die Frage, ob der ehemalige Verteidigungsminister Doskozil es auch so sieht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir werden sehen, was in den nächsten Tagen da noch im medialen Rampenlicht erscheinen wird.
Nun noch zur FPÖ: Es gibt ja eine gewisse Schnittmenge zwischen Putin-Verstehern und Impfgegnern. Das ist eine Schnittmenge, die wir auch in der Bevölkerung orten, weil diejenigen, die am massivsten gegen das Impfen aufgetreten sind, auch jetzt jene sind, die sagen: Lasst ihn gehen, lasst ihn in Ruhe!, Das wird noch blöder, das wird noch ärger! – Gemeint ist Putin. (Abg. Hauser: ... ein bissl ... reduziertes Programm ...!) Im Übrigen: Putin wird von keinem FPÖ-Abgeordneten im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg erwähnt. Ich weiß nicht, wem das aufgefallen ist. Es wird ein erster Satz gesagt: Man verurteilt diesen Überfall auf die Ukraine. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Der Name des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin wird in diesem Zusammenhang nicht erwähnt. Er wird erst erwähnt, wenn man sagt: Ja natürlich, das sind ja auch Aggressionen gegenüber Russland!
Wisst ihr, was ich euch jetzt einmal sage? – Da werden Menschen getötet, auf eine bestialische Art und Weise umgebracht. Städte werden einfach zerbombt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, ihr müsst euch einmal die Bilder anschauen, und dann stellt ihr euch hierher, weil ihr mit Herrn Putin und seiner Partei bis letztes Jahr einen Vertrag gehabt habt, dass ihr das nicht auch noch auf das Allerschärfste zurückweist, das, meine Damen und Herren, geht so nicht! Da wird ein europäisches Land überfallen, und die FPÖ hat nichts Besseres zu tun, als in ihrer Vergangenheit zu wühlen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Abg. Scherak. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Das ist doch allerhand! Ihr könnt das Wort Angriffskrieg nicht in einem Antrag unterstreichen. (Zwischenruf des Abg. Hauser.) – Dann erklärt uns, was es ist! Dann stellt euch heraus und erklärt, was es ist! Wenn eine Übermacht von drei Seiten ein souveränes Land auf europäischem Boden überfällt, was ist das dann? Das möchte ich gerne wissen. (Abg. Stefan: Wer bezweifelt denn das? Hat das irgendjemand bezweifelt?) – Ja. (Abg. Stefan: Wer denn?)
Schaut her, da sind all die, die selber beim Putin mit waren, einen Vertrag mitunterschrieben haben und dann, als Putin mit der ehemaligen FPÖ-Außenministerin aufgetanzt hat, dabei waren. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ihr seid die Putin-Versteher meine lieben Freundinnen und Freunde von der FPÖ! Ihr seid die Putin-Versteher, das versteht aber die restliche Bevölkerung in Österreich nicht. Das könnt ihr mir glauben, das versteht sie nicht! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kassegger.)
Eines sei euch noch ins historische Stammbuch geschrieben, weil heute Kickl mit der Neutralität in seiner Rumpelstilzchenmanier auftanzt: 1998: „FPÖ fordert in Dringlichem Antrag raschen Nato-Beitritt Österreichs.“ Diese Dringliche hat damals der Abgeordnete Scheibner begründet, der später Verteidigungsminister war. 2002: „Scheibner für Volksabstimmung über NATO-Beitritt.“ (Abg. Kassegger: ... unterirdisch ...!)
Dann der ehemalige mächtige Parteiobmann Jörg Haider – dem Kickl jahrzehntelang die Reden geschrieben hat; böse Stimmen haben einmal gesagt, selbst hätte er es nicht zusammengebracht, aber Kickl hat sie geschrieben –: 20. Oktober 1998, Entschließungsantrag betreffend „die Aufnahme von Verhandlungen [...] über einen Beitritt Österreichs zum NATO-Vertrag“. Das ist in der Parlamentskorrespondenz zu finden, das ist da. (Abg. Hauser: Wahrheitsverdreher! – Ruf bei der ÖVP: Hört, hört!)
Dass ihr euch mit eurer Streiterei alle zehn Jahre in die Luft sprengt, einmal irgendwo in der Steiermark und dann wieder woanders, das ist euer Problem, dafür kann aber die österreichische Bevölkerung nichts. Das ist im Namen der FPÖ passiert, liebe Kolleginnen und Kollegen, im Namen der FPÖ! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Kehrt einfach vor eurer eigenen Tür! (Abg. Stefan: Das war jetzt letztklassig!) – Ja, genau, das musst du genau sagen. Kehrt einfach vor eurer eigenen Tür! Warum findet - - (Abg. Stefan: Hab ich noch nie gehört, so was Letztklassiges!) – Ich kenne dich auch nicht so, dass du vor lauter Schreien nicht zusammenkommst.
Abschließend, meine Damen und Herren: Worum geht es – vor allem der FPÖ, aber anscheinend auch der SPÖ –? Um Wählerstimmen. Es geht um Wählerstimmen, die man daraus lukrieren möchte. (Zwischenruf der Abg. Erasim.)
Ich darf euch aber eines sagen: Die Zeit, in der wir jetzt sind, ist zu ernst und zu dra-matisch, um aus einer solchen Situation heraus um Wählerstimmen zu buhlen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Erasim.) Sie ist zu ernst! Und wir alle sollten uns gemeinsam daran messen, dass wir hier miteinander diesen Weg gehen, der eigentlich die letzten 14 Tage möglich war – jetzt leider nicht mehr.
Es geht um unsere Bevölkerung. Es geht um die Kinder, um die Frauen, die dort auf eine Art und Weise vertrieben werden, die wir nicht goutieren können, denen wir eben helfen müssen, das ist unsere humanitäre Verpflichtung. (Zwischenruf der Abg. Erasim.) Es ist unsere Aufgabe, sich hier zur Wehr zu setzen, nämlich mit Sanktionen, die auch uns wehtun. Es ist aber notwendig, das zu tun, denn das ist das Einzige, womit wir den russischen Präsidenten vielleicht doch zur Vernunft bringen. Daher appelliere ich, das auch miteinander zu tun, im Sinne unserer Menschen und im Sinne der Republik Österreich! (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie anhaltender Beifall bei den Grünen.)
19.44
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Dr. Martin Graf. – Bitte schön, Herr Doktor.
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