14.34

Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Blicken wir gemeinsam 50, 60 Jahre in die Vergangenheit! In den Sechziger- und Siebzi­gerjahren war es unvorstellbar, dass ein Kind mit einer körperlichen Behinderung eine normale Schule besucht und gemeinsam mit nicht behinderten Kindern unterrichtet wird. Ein paar Jahrzehnte später, in den Neunzigerjahren, war das dann nicht mehr so unvor­stellbar, denn auch Kinder mit einer körperlichen Behinderung wurden gemeinsam mit nicht behinderten Kindern beschult.

Es war jedoch weiterhin unvorstellbar, dass Kinder und Jugendliche mit einer kognitiven Beeinträchtigung, mit einer Lernschwierigkeit, gemeinsam mit nicht behinderten Kindern in die Schule gehen. Wenn wir uns heute umsehen, stellen wir fest, dass es beinahe an jeder Volks- und Mittelschule und auch an Berufsschulen Integrationsklassen gibt. Kinder, so vielfältig sie sind, haben die Möglichkeit, zusammen zur Schule zu gehen. Es hat sich einiges getan.

Ich möchte damit aber nicht sagen, dass wir bereits am Ziel angekommen sind. Inklusion ist immer noch nicht selbstverständlich, in den letzten Jahrzehnten hat sich aber doch einiges bewegt. Wir, die Regierungsparteien, werden schulische Inklusion weiterhin voranbringen, damit Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam lernen und auch gemeinsam ihre Abschlüsse machen können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ganz entscheidend, damit Inklusion funktioniert, ist auf der einen Seite gut ausgebildetes Personal und auf der anderen Seite die richtige Unterstützung von Kindern und Jugend­lichen mit Behinderungen. Jedes Kind hat seine unterschiedlichen Fähigkeiten und braucht individuelle Unterstützungsleistungen. Wie die Unterstützungsleistungen genau aus­schauen, ist abhängig vom sonderpädagogischen Förderbedarf des Kindes. 2019 wurde das Verfahren für den sonderpädagogischen Förderbedarf bundesweit vereinheitlicht und liegt seitdem in der Zuständigkeit der Bildungsdirektionen.

In Österreich haben durchschnittlich 5 Prozent aller Schülerinnen und Schüler einen sonderpädagogischen Förderbedarf. Was dabei auffällig ist, ist die Schwankung in den Bundesländern. Im Schuljahr 2019/2020 wurde beispielsweise in Vorarlberg bei 7,2 Pro­zent aller Schülerinnen und Schüler ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt, in Tirol hingegen waren es nur 3,4 Prozent. Ebenso ergeben sich Unterschiede bei der besuchten Schulform. So werden zum Beispiel in Kärnten fast 85 Prozent der Schüle­rinnen und Schüler mit SPF integrativ beschult, während es in Wien nicht einmal 50 Pro­zent sind. All diese Unterschiedlichkeiten werfen die Fragen auf, ob es wirklich mehr oder weniger behinderte Kinder in den unterschiedlichen Bundesländern gibt und ob das Ausmaß der Behinderung wirklich so unterschiedlich ist. Ich glaube, das ist nicht der Fall. Wahrscheinlich liegt es doch an der Vergabepraxis des SPF in den Bundesländern und dadurch variiert die SPF-Quote.

Um all diese Fragen zu beantworten und wirklich ein einheitliches System in Österreich zu bewerkstelligen, liegt dieser Entschließungsantrag vor, denn die Erkenntnisse darü­ber, wie die SPF-Vergabe vonstattengeht und in welche Settings die SPF-Ressourcen dann fließen, sind notwendig, um mehr Transparenz in der Ressourcenvergabe herzu­stellen und eine Optimierung der Verteilung zu erreichen. Schließlich sollen auf Basis der gewonnen Erkenntnisse Implikationen abgeleitet und Schritte zur Ausgestaltung inklusiver Bildung gesetzt werden.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, ich freue mich schon, wenn Sie uns bald Hand­lungs­empfehlungen und Konzepte vorlegen können, welche einen Wissenstransfer zwischen bestehenden Sonderschulen und inklusiven Angeboten ermöglichen, mit dem Ziel, die Inklusionsquote in Österreich wesentlich und nachhaltig zu erhöhen, damit unsere Kinder und SchülerInnen und Jugendlichen in Österreich, egal ob sie eine Behinderung haben oder nicht, gemeinsam zur Schule gehen können und gemeinsam ihre Ab­schlüsse machen können. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.39

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hermann Brückl. – Bitte.