17.22

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin froh, dass Kollegin Eva Maria Holzleitner diesen Antrag, den Ursprungs­antrag, eingebracht hat und Menschenrechtsverletzungen in der Türkei anspricht.

Zu meinem Vorredner, Kollegen Brandstätter, darf ich aber schon sagen: Ich finde es ein bisschen billig, hier innenpolitisches Kleingeld machen zu wollen. Es gibt eine ganze Reihe von gemeinsamen Anträgen mehrerer Parteien – zumindest von vier, wenn nicht von fünf Parteien –, in denen man sich ganz klar gegen den Krieg in der Ukraine aus­spricht, und das möchte ich noch einmal betonen. So zu tun, als ob Kollege Brandstätter oder NEOS die Einzigen wären, die hier das gelbblaue Fähnchen hochhalten, ist nicht richtig, denn so ist es überhaupt nicht. Es war der Wiener Bürgermeister, der rote Wiener Bürgermeister, der als Erster gesagt hat: So etwas wie Moria darf nicht wieder passieren. Selbstverständlich nehmen wir Flüchtlinge, Menschen, Frauen, Kinder aus der Ukraine auf. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte aber nicht den Fehler begehen, wie Kollege Brandstätter, dass man das Thema Türkei hier völlig wegschiebt. Das ist genau der Punkt, dass man in so einer Situation, in der die Ukraine quasi die ganze Weltberichterstattung überlagert, auf manche Menschen, Freiheitskämpfer eben nicht vergisst, sondern ihnen sehr wohl hier das Forum gibt, auch für Menschenrechte in der Türkei einzutreten.

Wenn in der Türkei Antiterrorgesetze verwendet werden, um gegen Meinungsfreiheit, um gegen Menschenrechte vorzugehen, so ist das das System Erdoğan. Es beginnt bei einzelnen Minderheiten, richtet sich gegen Armenier, gegen Kurden, gegen Zyprioten, gegen Griechen, die zu Feindbildern werden. Der nächste Schritt ist dann die eigene Justiz – Journalisten, die Opposition, die Medien. Diese Feindbilder für die eigene Be­völkerung zu schaffen, ist das System Erdoğan.

Es beinhaltet auch ein massives Vorgehen gegen türkische Aktivisten. Säuberungen, Schauprozesse führen zu Angst und zu Selbstzensur dieser Menschen. Hunderte Rich­ter und Staatsanwälte, die nach dem Putschversuch vor etlichen Jahren sozusagen gesäubert wurden, werden trotz nachträglicher Freisprüche nicht wieder in den Staats­dienst aufgenommen. Eine unabhängige Justiz ist in der Türkei quasi beseitigt worden. Es gibt Verurteilungen wegen bloßer Beleidigung der Regierungschefs und des Präsi­denten.

Einer dieser türkischen Aktivisten ist Osman Kavala. Ich möchte nicht, dass Sie aufgrund des Ukrainekriegs auf diese Helden in der Türkei, auf diese Helden von Meinungsfreiheit und Medienvielfalt vergessen. Die politische Justiz in der Türkei nützt nur einem, Erdoğan und seinem Clan, um von der Korruption abzulenken. Das darf man Erdoğan nicht schenken, auch wenn es in der Ukraine Probleme gibt. Die Vorfälle in der Ukraine dazu zu verwenden, die Menschenrechtsverletzungen in einem Nato-Land zu überlagern, darf in diesem Hohen Haus nicht passieren, Herr Brandstätter, das lasse ich Ihnen nicht durchgehen! (Beifall bei der SPÖ.)

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