9.37

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Fernsehgeräten! Es ist heute eine besonders skurrile Situation: Die Grünen machen eine Aktuelle Stunde zum grünen Projekt des grünen Gesundheitsministers, nämlich zum Thema Pflege. Das Thema Pflege ist etwas, das uns natürlich seit vielen Jahren immer wieder begleitet und auch in Zukunft begleiten wird, weil wir wissen, dass die Pflege ein wichtiges Zukunftsthema ist. Da hat Frau Maurer recht gehabt. Das war es dann aber auch schon wieder mit dem Rechthaben, beim Rest ist sie ein bisschen von dem, was tatsächlich passiert ist, abgewichen.

Was ist denn passiert? – Es gab eine Pressekonferenz. Dort wurde ganz groß verkündet, was jetzt kommen soll, also eine halbe Milliarde Euro zusätzlich für die Gehälter. Das sei signifikant, hat Klubobmann Wöginger gesagt. Wenn wir ausrechnen, was das für die Pflegekräfte in Österreich bedeutet – wir wissen noch gar nicht, wer das überhaupt bekommen soll; sind das jetzt die Pflegefachassistenten, die Pflegeassistenten oder eh alle? –, dann schaut es schon wieder anders aus mit dem signifikant. Das ganz We­sentliche dabei aber ist: Der Finanzminister weiß nichts davon!

Das Budget ist in Zahlen gegossene Politik. Es gab am Montag eine Budgetaus­schuss­sitzung, und Finanzminister Brunner hat sich dort für seine eigene Fraktion, für den eigenen Klubobmann geniert. Er hat sich gar nicht mehr zu Wort gemeldet, er hat nur noch die Sektionschefin sprechen lassen, die wörtlich gesagt hat, dass sie keine Ahnung hat, was da kommen soll: Pflegereform? – Im Budget 2023 sei diese Milliarde Euro jedenfalls nicht abgebildet.

Also das ist natürlich wieder eine Ansammlung von Überschriften, die da präsentiert wurde, weil die Regierung wieder einmal unter Druck war, weil der grüne Gesundheits­minister geglaubt hat – was er schon öfter geglaubt hat –, er muss jetzt rausgehen und, weil er neu im Amt ist, alles neu machen und halt irgendetwas bringen. Und das ist eigentlich das, was zur nächsten Enttäuschung in der Bevölkerung führen wird.

Das, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, ist das Problem, das Sie haben: Sie kündigen etwas ganz groß mit Pomp an und sagen auch noch, Sie hätten lauter positive Reaktionen. Ja, die wissen ja nicht, dass Ihre Versprechen nicht finanziert sind!

Im Übrigen: Was passiert nach dem Jahr 2024? Selbst wenn Sie jetzt diese Milliarde Euro noch irgendwo ins Budget hineindrücken, was passiert denn 2024? Alles wieder weg? Das heißt, Leute, die sich heute überlegen, eine Ausbildung zu machen, kommen gar nicht mehr in den Genuss eines erhöhten Einkommens? – Das ist ja alles eine Ansammlung von Überschriften.

Oder auch die Unterstützung der pflegenden Angehörigen: Wir wissen, dass 80 Prozent aller zu Pflegenden zu Hause betreut und gepflegt werden – und das ist gut so, weil sie das möchten, aber das ist eine enorme Belastung für die Angehörigen. Ich glaube, darin sind wir uns alle einig.

Das, was die Angehörigen da leisten, erspart unserem Land Milliarden an Euro, und zwar viele, viele Milliarden, denn wenn die das nicht täten, würde das alles institutionell passieren. Dafür gibt es jetzt eine Anerkennung von 1 500 Euro im Jahr – aber nicht für alle pflegenden Angehörigen, sondern nur für einen ganz, ganz kleinen Anteil von ihnen, nämlich jene, die kein eigenes Einkommen mehr haben.

Also seien Sie mir nicht böse, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei und den Grünen! Wenn man das ernst nimmt und wenn man sagt, man möchte den pflegenden Angehörigen auch tatsächlich Danke schön für diese Leistung und für diese Geldersparnis sagen, dann muss man wirklich in die Tasche greifen und dann muss man auch Geld in die Hand nehmen. Sonst lassen wir es einfach so, wie es ist, sonst lassen wir es! (Abg. Michael Hammer: Ihr müsst es eh lassen, wenn ihr nicht mitmacht!) Dann machen wir keine Ankündigungen, denn dann können die Leute wenigstens nicht enttäuscht sein. Daher ist es dringend notwendig, da jetzt tatsächlich echte Reformen anzugehen.

Das ist zum einen, dass wir einmal eine nachhaltige Finanzierung über das Jahr 2023 hinaus brauchen, denn sonst verpufft das sofort wieder, noch bevor es angerollt ist. Das heißt, ja, wir bekennen uns dazu: Es braucht eine bessere Entlohnung in der Pflege – dazu sind wir auch bereit, dazu stehen wir –, aber nicht nur bis Ende 2023, sondern auch darüber hinaus. Das ist Punkt eins.

Punkt zwei – und der ist in dieser Pflegereform auch nicht enthalten – ist eine Aus­bildungsoffensive. Ich bin hocherfreut - - (Abg. Gödl schlägt erheitert die Hände zusam­men.) Ja, da lächelt er, der Kollege Gödl, da lächelt er. Na, wo ist denn die Ausbil­dungsoffensive? – Die Rot-Weiß-Rot-Card haben Sie hineingeschrieben. Das ist das Einzige! (Zwischenruf der Abg. Maurer.) Ich bin zwar persönlich hocherfreut, dass es zur Pflegelehre kommt, dass Sie sich dazu endlich einmal durchgerungen haben, weil das ja seit vielen Jahren an der ÖVP gescheitert ist – das ist wohl erfreulich –, die Frage ist aber: Wie ist das ausgestaltet? – Das kommt alles. Das kommt dann irgendwann in Verhandlung. Bis der erste Jahrgang fertig ist, fließt noch ganz viel Wasser die Donau hinunter!

Da können Sie sich noch so oft an den Kopf greifen, aber das ist das, was Sie gemacht haben: Sie haben in Ihr Reformpapier nichts hineingeschrieben. Das ist eine Ankün­digung. Wo wollen Sie denn die jungen Leute herbekommen? Wie wollen Sie sie denn davon überzeugen, dass sie diese Lehre auch angehen? – Da ist überhaupt nichts da, um eine tatsächliche Ausbildungsoffensive zu starten. Auch hinsichtlich der Umsteiger ist nichts passiert. Dazu gibt es nichts in diesem Papier.

Damit ich aber auch einmal positiv ende: Es gibt natürlich auch einen positiven Aspekt, nämlich für Menschen mit Behinderungen, vor allem dass für jugendliche Menschen mit Behinderungen, die Pflegegeld beziehen, die erhöhte Familienbeihilfe jetzt nicht mehr angerechnet wird. Das halte ich für einen positiven Punkt. Das möchte ich auch einmal ganz offen sagen. Da ist der Regierung tatsächlich ein Pünktchen gelungen. Das kann man positiv sehen, das muss man positiv sehen, aber ansonsten, meine Damen und Herren, ist das eher eine sehr traurige Geschichte. Und es ist vor allem, und das müssen Sie mit dem Finanzminister klären, im Budget überhaupt nicht abgebildet. Da werden wir fragen: Wo wird diese Milliarde sein? (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Obernosterer.)

9.42

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ribo. – Bitte.