10.17

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher hier auf der Galerie! Wir sprechen unter diesem Tagesordnungspunkt über das Impfpflicht-Volksbegehren, wenn man so möchte. Es hat 270 000 Unterstützerinnen und Unterstützer gefunden oder umgerechnet 4,23 Prozent der Wahlberechtigten.

Worum geht es? Oder vielleicht ein bisschen anders gesagt: Ich möchte Sie ein bisschen in eine Art Gedankenexperiment mitnehmen. Stellen Sie sich vor, es wütet eine extrem ansteckende Krankheit, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit lebensgefährlich für die Infizierten sein kann! Stellen Sie sich vor, gegen diese Krankheit gibt es eine Impfung, die dafür sorgt, dass die Infektionsketten unterbrochen werden, dass Leid gelindert wird! (Abg. Belakowitsch: ... gibt es halt nicht!) Stellen Sie sich weiters vor, dass diese Imp­fung aber nur dann Sinn macht, wenn möglichst viele Menschen oder möglichst alle Menschen geimpft werden, weil nur dann die erwähnten Infektionsketten unterbrochen werden können! Und stellen Sie sich weiters vor, dass es eine Verfassungsbestimmung gibt, wonach es keine Verpflichtung zur Impfung gibt! Stellen Sie sich vor, wie dann unser Gesundheitssystem, das darunter zu leiden hat, in die Knie geht – ein resilientes Ge­sundheitssystem, ein robustes System, eines, das dann kaputt gemacht wird. (Zwischen­ruf der Abg. Belakowitsch.)

Was hier jetzt wie Science-Fiction klingt, ist eine Einschätzung führender Wissenschafte­rinnen und Wissenschafter weltweit, und es ist ein durchaus realistisches Szenario, so­wohl was den Ausbruch von Krankheiten, neuer Krankheiten anbelangt, als auch was die negativen Auswirkungen von Impflücken anbelangt.

Die Impfung, ganz allgemein gesprochen, ist eine der wichtigsten Innovationen der mo­dernen Medizin, insbesondere der letzten 200 Jahre. Durch Impfstoffe konnten Krank­heiten ausgerottet werden (Abg. Belakowitsch: Welche?), Stichwort Pocken, oder zu­mindest so weit in den Griff bekommen werden, dass sie ihren Schrecken verloren ha­ben, Stichwort Masern. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Die Impfungen sind aber auch ein Opfer ihres Erfolges. Immer mehr Menschen glauben, weil es weniger Opfer dieser Krankheiten gibt, gegen die geimpft wird, hätten diese Krankheiten auch ihren Schrecken verloren. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belako­witsch.) Immer mehr Eltern lassen ihre Kinder nicht mehr gegen Masern oder andere Krankheiten impfen. Vernunft wird von Emotion abgelöst. Krude unwissenschaftliche Theorien sorgen dafür, dass sich immer mehr Menschen vor jeglicher Impfung, ohne sachliche Begründung, fürchten.

Die Nebenwirkungen und die Auswirkungen durchgemachter Krankheiten werden klein­geredet, angebliche Impfnebenwirkungen großgemacht. (Abg. Belakowitsch: „Angebli­che“!) Ja, es gibt in seltenen Fällen Nebenwirkungen bei Impfungen. (Abg. Belako­witsch: „In seltenen Fällen“!) Bei allen in Österreich vollständig oder bedingt zugelasse­nen Impfstoffen kommen diese Nebenwirkungen, gemessen an der Zahl der verimpften Impfdosen, äußerst selten vor. (Abg. Belakowitsch: Oje!  Abg. Wurm: Bei der Wahr­heit bleiben!) Das ist Fakt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das ist Fakt, das ist wissenschaftlich belegt, das ist evident, auch wenn die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ mit Zwischenrufen kundtun, dass sie es nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Angebliche Nebenwirkungen wie Autismus gibt es nicht – sorry to say ‑, dennoch gibt es immer noch Menschen, die sich, geleitet von Esoterik oder Anthroposo­phie, dieser wichtigsten Innovation moderner Medizin verschließen.

Was hat das Ganze mit dem uns vorliegenden Volksbegehren zu tun? – Dieses Volksbe­gehren zielt darauf ab, mit den Ängsten der Menschen, mit den vorhandenen Ängsten der Menschen zu spielen. Es hilft nicht mit, Menschen davon zu überzeugen, dass es gescheit ist, sich impfen zu lassen, egal gegen welche Krankheit – und ich rede jetzt dezidiert nicht nur von Covid (Abg. Belakowitsch: O ja, es geht nur um Covid!), ich rede allgemein davon, sich impfen zu lassen. – Nein, es geht eben nicht nur um Covid (Abg. Belakowitsch: Na, o ja!), denn, liebe Kollegin Belakowitsch, im Einleitungstext dieses Volksbegehrens heißt es: „Weder Corona [...] noch andere Ereignisse rechtfertigen ei­nen Zwang zu Impfungen.“ – Anmerkung: Es gibt keinen Zwang zur Impfung, es gibt aktuell eine Pflicht zur Impfung (Rufe bei der FPÖ: Aha! Ach so! Ah! – Abg. Belako­witsch: Aha! Das ist ja ein großer Unterschied!), aber auch das können die Kolleginnen und Kollegen offensichtlich nicht unterscheiden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es ist, und das möchte ich schon auch noch feststellen, natürlich das gute Recht der Betreiber des Volksbegehrens – die männliche Form ist hier angebracht, denn ich glau­be, es war keine Frau unter den ProponentInnen (Zwischenruf des Abg. Wurm) –, dieses Volksbegehren zu starten und eben um Unterstützung zu werben. Es ist auch gut so, dass wir darüber diskutieren. Ich finde es auch richtig, dass wir über die Impfung disku­tieren, dass wir generell über Impfungen diskutieren – ich finde das absolut in Ordnung (Abg. Belakowitsch: Ja, aber ihr diskutiert ja nicht, ihr verpflichtet nur!) –, aber ich kann dieses Volksbegehren so leider nicht unterstützen.

Abschließend sei noch auf Folgendes hingewiesen: Es gibt eine Einschätzung der WHO aus dem Jahr 2019 betreffend die Frage, was die größten Herausforderungen für Ge­sundheitssysteme weltweit sind. Und laut Einschätzung der WHO sind eine der größten Herausforderungen, eines der größten Gefahrenpotenziale für Gesundheitssysteme weltweit Impfgegnerinnen und Impfgegner. (Lebhafte Heiterkeit des Abg. Wurm. – Abg. Belakowitsch: Ja, ja, ...!) Das eingangs erwähnte Szenario wird nämlich dann realis­tisch. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Wurm: Was machst du mit den Impfgegnern? Was machst du mit denen? – Abg. Belakowitsch: Einsper­ren! – Abg. Schallmeiner – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz ‑: Man muss die Leute über­zeugen ...!)

10.22

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kucher. – Bitte.