10.35

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich mich bei den Proponenten des Volksbegehrens dafür bedanken, dass sie dieses demokratische Instrument gewählt haben, um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen. Ich möchte auch meinen Respekt gegenüber diesen etwa 270 000 Menschen in Österreich, die ihre Meinung auf diesem Weg kundgetan haben, zum Ausdruck bringen; das sind immerhin etwas mehr als 4 Prozent der Wahlberech­tigten.

Wenn wir uns fragen, wie dieses Impfpflichtgesetz zustande gekommen ist, dann müs­sen wir in dieser schnelllebigen Zeit einmal kurz zurückblicken: Zu Beginn des Jah­res 2020 ist ein neues Virus über eine immunologisch und auch ansonsten unvorbe­reitete Weltbevölkerung hereingebrochen. Es war in manchen Gegenden zum Teil dra­matisch, was sich dort abgespielt hat, in manchen Ländern, wie bei uns, hat man rasch reagiert, und daher war gerade die erste Welle relativ gut abzufangen. Es hat sich aber dramatisch weiterentwickelt, und trotz zum Teil eingreifender Präventionsmaßnahmen hatten wir zum Beispiel Ende 2020 eine Phase, an der jeden Tag zwischen 100 und 200 Menschen in unserem Land mit Covid verstorben sind. (Abg. Belakowitsch: Mit Covid!) Das war eine ganz starke Belastung und Herausforderung.

Eine vorbildhafte internationale Zusammenarbeit hat es ermöglicht, dass Impfstoffe ge­gen Covid-19 entwickelt worden sind, primär mit dem Ziel, schwere Erkrankungen und Todesfälle zu verhindern, aber durchaus auch mit der Hoffnung, dass man damit die Ausbreitung der Erkrankung, die Weitergabe bremsen könnte. Für den ursprünglichen Typ des Virus, Wildtyp Wuhantyp, hat das zugetroffen und auch für die erste Variante, die britische, die Alphavariante. Da hat der Impfstoff bestens gewirkt und hat auch Infek­tion und Weitergabe sehr gut gebremst.

Im Weiteren war es dann so, dass man Mitte vergangenen Jahres – und das war so ziemlich die anerkannte wissenschaftliche Ansicht – zum Schluss gekommen ist: Für die Geimpften ist die Pandemie weitgehend vorbei, und wenn genügend Menschen immuni­siert sind, dann kriegen wir sie überhaupt in den Griff.

Es hat sich dann doch anders entwickelt, wie wir wissen. Bei Delta, bei Omikron ist das dann nicht mehr so der Fall gewesen, aber unter dem Eindruck der verschiedenen – zum Teil eingreifenden – Präventionsmaßnahmen einerseits und der Notwendigkeit einer breiten Immunisierung andererseits ist dann die Idee des Impfgesetzes geboren worden. Allerdings war zu dem Zeitpunkt schon klar, dass das Krankheitsgeschehen, das epide­miologische Geschehen ein sehr dynamisches ist und man deshalb auf die aktuelle Si­tuation Bezug nehmen muss.

Ganz besonders zu beachten ist, dass so eine Präventionsmaßnahme wie eine Impfung primär eine individuelle Sache der einzelnen Person ist. Es gibt aber zwei Situationen, in denen es die Gesamtbevölkerung betrifft: Das ist dann, wenn ungeschützte Personen gegebenenfalls das Gesundheitswesen so überlasten, dass es auch zum Schaden der Geimpften mit anderen Erkrankungen kommt. Und das Zweite: wenn man die Möglich­keit hätte, insgesamt auch die vulnerablen Gruppen durch breite Impfung zu schützen, und das nicht erreicht wird, weil sich soundso viele nicht impfen lassen. – Das sind die zwei Situationen, in denen man sagt: Da geht es über das Individuelle hinaus, da wird es zum gesellschaftlichen Anliegen.

Da die Sache sehr dynamisch ist, sich aufgrund der Varianten, der Wirksamkeit der Impf­stoffe und so weiter ändert, hat man das Gesetz als ein Rahmengesetz konstruiert – das heißt, dass aktuell vierteljährlich zu entscheiden ist: Ist die Verhältnismäßigkeit gege­ben? –, so kann es eingesetzt, so kann es ausgesetzt werden, weil allen klar war, dass man mit einem heutigen Wissensstand nicht präjudizieren kann, was in einem halben Jahr, in einem Jahr, in zwei Jahren der Fall sein wird.

Diese Ausgewogenheit, diese Angemessenheit hängt von vielen Faktoren ab: der Anste­ckungsfähigkeit, der Schwere der Erkrankung, dem bereits vorhandenen Immunschutz und den weiteren Behandlungsmöglichkeiten – da sind im letzten Jahr einige dazuge­kommen. Das alles ist zu berücksichtigen, wenn man sich grundsätzlich den Kopf darü­ber zerbricht, ob dieses Gesetz einzusetzen oder auszusetzen ist.

Es wurde dazu, dem Gesetz entsprechend, eine Impfpflichtkommission eingesetzt. Die Mitglieder der Kommission geben regelmäßig Einschätzungen ab – und sie sind nicht alleine –, die dann jeweils der demokratischen Kontrolle unterliegen, weil das durch den Hauptausschuss des Nationalrates bestätigt werden muss. Damit sind wir auf einem guten Weg und unter Abwägung aller Eventualitäten wirklich in der Lage, zu entschei­den, was für die kommenden Monate zielführend ist und was nicht.

Zu Recht ist die Impfpflicht derzeit nicht eingesetzt. Das ist aufgrund der vorhandenen Datenlage absolut nachvollziehbar.

Abschließend möchte ich den Expertinnen und Experten im Hearing des Gesundheits­ausschusses, die durch ihre sehr differenzierten Meldungen eine wirklich hochwertige Diskussion ermöglicht haben, ein herzliches Danke sagen. Mein Dank gilt außerdem den Persönlichkeiten in der Impfpflichtkommission, die eine äußerst verantwortungsvolle Aufgabe auf sich nehmen, und ich wünsche ihnen dazu eine gute und sichere Hand. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.41

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.