11.48

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Ministerinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Abgeordnete Steger, ich verstehe schon, dass Sie bei dem Thema hochgradig nervös werden und sich da so reinreden. Da haben 53 000 BürgerInnen aus ganz Europa darüber diskutiert, wie sie Europa gerne hätten, und genau nichts davon ist so, wie es die FPÖ gerne hätte. Sie haben für Ihre Euro­papolitik null, null Rückhalt in der europäischen Bevölkerung. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Brandstätter.)

Ich verstehe schon, dass Sie da die Nerven ein bisschen wegschmeißen und das Ganze schlechtreden und kaputtreden (Abg. Steger: Dann lassen Sie die österreichische Be­völkerung darüber abstimmen, dann werden ...!), aber Tatsache ist, dass dies einer der größten und breitest aufgesetzten Diskussionsprozesse – 53 000 BürgerInnen, reden Sie das klein – gewesen ist. Sich dann noch als Vertreterin der Bevölkerung hinzustellen, das geht nicht.

Sie fragen, was die Bevölkerung draußen mitgekriegt hat und ob wir rausgegangen sind. Ich sage Ihnen etwas: Ich bin allein in diesem Monat bei zwölf Abendveranstaltungen, um Europapolitik mit BürgerInnen zu diskutieren. Wie viel diskutieren Sie? Sie regen sich auf, dass die BürgerInnen nichts über Europa wissen. – Arbeiten Sie etwas, machen Sie etwas! Gehen Sie raus und erzählen Sie einmal etwas über Europa! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Gabriela Schwarz.) Typisch FPÖ: nichts hackeln, herstellen und schimpfen. – Aber gut, reden wir über den Inhalt.

Diese Konferenz habe auch ich von Anfang an ein bisschen kritisch gesehen, denn wenn lange diskutiert wird, große Inhalte diskutiert werden und etwas Großes rauskommen soll, dann muss, wenn man bei Bürgerinnen und Bürgern Erwartungen weckt, am Schluss auch etwas umgesetzt werden. Da war ich mir nicht sicher und bin ich mir bis jetzt nicht sicher, wie gut das ausgehen wird.

Das Ergebnis als solches, muss ich sagen, hat meine Erwartungen übertroffen. Das Pro­gramm, die Vorschläge, die gemacht wurden, sind gut und teilweise sogar extrem gut. In manchen Bereichen habe ich das Gefühl, da ist von Rat, Kommission und Europa­parlament gemeinsam fast ein grünes Parteiprogramm beschlossen worden.

Das erstaunt mich dann doch, und da frage ich mich, wie wir da jetzt weiter vorgehen.

Da sitzt immerhin eine Mehrheit aus Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen und beschließt zum Beispiel, dass wir ein ökologisches Europa haben wollen. Europa soll Vorreiterin in der Klimapolitik sein, im Artenschutz, bei der Biodiversität, beim Umweltschutz, Fischereischutz und so weiter.

Machen wir es doch! Wenn wir uns hinstellen und auf dem Papier festhalten, dass wir als Europa in all diesen Bereichen führend sein wollen: Warum stellen sich dann die­selben Mehrheiten hin und schaffen die Biodiversitätszonen in der Landwirtschaft bei der ersten sich bietenden Gelegenheit ab? – Es wäre doch schön, wenn man genau das tut, was man beschlossen hat, und die Gelegenheit dazu ergibt sich in den nächsten Mo­naten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist in vielen Bereichen ein soziales Europa beschlossen worden. Es wurde gesagt, man wolle, dass Europa sozialer, gleicher und gerechter wird, das sagen dieselben Mehrheiten. Niemand sagt, dass Europa auseinanderklaffen soll, ungerechter werden soll, die Steuerflucht zunehmen soll, die Korruption zunehmen soll, niemand sagt das – dann arbeiten wir doch in die Gegenrichtung!

Ich glaube auch, dass man da doch sehr gut wirtschaftsliberale und sozialdemokrati­sche, soziale, grüne Positionen verbinden kann. Wenn wir alle nicht wollen, dass es ei­nen Wettbewerb um niedrigere Löhne gibt, um Standorte, die sich gegenseitig bei sol­chen Standards unterbieten, dann heben wir doch diese in Europa gemeinsam an!

Errichten wir eine Sozialunion, führen wir einen Wettbewerb um die besten Köpfe, um die besten Produktionstechnologien, um die besten, modernsten Zukunftsvisionen! Ma­chen wir das doch alle gemeinsam, ich glaube, das geht sich aus, von wirtschaftspoli­tisch liberal bis links. So etwas sollten wir gemeinsam ankurbeln, wir, die wir für Europa sind. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Brandstätter.)

Es ist nicht nur darüber gesprochen worden, welche Politik man machen soll, sondern auch, wie man sie machen soll – demokratiepolitische Maßnahmen, Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips und so weiter –, und da werden wir liefern müssen.

Gerade Österreich, das sich sehr für die Länder am Westbalkan eingesetzt hat und diese näher an Europa heranführen sollte, wird auch deutlich sagen müssen: Diese Union mit 27 Mitgliedern ist doch schon jetzt schwer zu regieren, es ist schwer, etwas voranzubrin­gen, und wenn wir sie erweitern wollen, wenn wir Osteuropa, den Westbalkan an die EU heranführen wollen, dann müssen auch wir uns demokratiepolitisch bewegen. Wir müs­sen moderner werden, schlagkräftiger werden, einsatzfähiger werden. Österreich sollte sich dafür einsetzen, und es ist eher beschämend, dass 13 Länder sich schon von vorn­herein dagegen aussprechen.

Ein letzter Punkt: Die Bürgerinnen und Bürger haben in ihrem Beschluss acht Punkte zusammengefasst, die sie den Regierungen, dem Rat, dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission mit auf den Weg gegeben haben. Wenn ich mir diese acht Punkte ansehe, muss ich sagen, wir sollten das als Arbeitsprogramm für uns neh­men.

Sie fordern als ersten Punkt Solidarität und soziale Gerechtigkeit. So wie ich es vorhin gesagt habe: Wir sollten wirklich an einer Sozialunion arbeiten. Sie fordern tatkräftige und rasch handelnde Umwelt- und Klimapolitik und dass Europa in diesem Bereich die Führung übernimmt – darauf haben wir uns geeinigt. Sie fordern mehr Demokratie, wir haben es vorhin erwähnt. Sie fordern mehr Europa: mehr Zusammenwachsen und mehr Binnenmarkt, nicht weniger – kein Auseinanderdriften und kein Zurück zu den National­staaten.

Sie fordern ein Europa, das auf Werten basiert. Der Kampf gegen Korruption, mehr De­mokratie, gleicher Zugang zu Gesundheit und ein menschlicher Umgang mit MigrantIn­nen gehören zu diesen Werten, die da aufgezählt werden. Sie fordern mehr Bildung in der Europäischen Union. Als letzten Punkt fordern sie, dass Europa bekannter gemacht wird und man mehr um Europa kämpft.

Vielleicht denken die Freiheitlichen noch einmal darüber nach, ob sie nicht doch zu den Leuten hinausgehen und dort etwas arbeiten. – Danke. (Beifall bei den Grünen, bei Ab­geordneten der ÖVP sowie des Abg. Brandstätter.)

11.53

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Scherak. – Bitte.