17.20
Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, wie Georg Bürstmayr sagt: Die Kinder wieder zum Lachen bringen – eine große Aufgabe! Es sind ja, wie Sie, Frau Bundesministerin, gesagt haben, ungefähr sechs Millionen Vertriebene im Ausland, aber es sind auch acht Millionen Menschen im Land, in der Ukraine, vertrieben. Ungefähr die Hälfte der Kinder in der Ukraine wohnt nicht mehr dort, wo sie aufgewachsen sind. Wenn wir uns das vorstellen, muss man sagen, das ist unfassbar, und es zeigt uns wieder einmal, dass wir natürlich aufgerufen sind, zu helfen – und die Hilfe findet statt.
Ich möchte aber auch das Bild dieser Flüchtlinge ein bisschen zurechtrücken, weil ich inzwischen mit einigen gesprochen habe. Jede Geschichte ist natürlich anders. Die Geschichten lauten natürlich so, dass sie Angst vor den Bomben hatten, Angst vor der Verfolgung hatten, vor Vergewaltigung, vor diesen unglaublichen Grausamkeiten der russischen Soldaten hatten und dann in engen Zügen irgendwie zu einer Grenze gekommen sind. Dann hat es aber schon Hilfe gegeben.
Eine Familie hat mir erzählt, dass die Caritas schon in Ungarn geholfen hat, dass sie zu uns kommen, dass Wohnungen beschafft wurden. Sie haben mir aber auch erzählt, dass sie von Anfang an hier gearbeitet haben – und zwar für ihr Unternehmen zu Hause. Diese Möglichkeiten, die wir ja im Homeoffice kennengelernt haben, gehen natürlich auch über die Grenzen, also bitte schön: Viele Menschen, die hier sind, arbeiten noch für ihr Unternehmen zu Hause, oder sie arbeiten hier. Das sind sehr, sehr gut ausgebildete Menschen, das müssen wir auch einmal sehen.
Wir hatten heute den ukrainischen Minister für regionale Verwaltung, Oleksij Tschernyschow, zu Besuch. Er war auch bei Frau Bundesministerin Edtstadler. Er hat uns seinen Führerschein und alle anderen persönlichen Dokumente, die er hat, gezeigt. Er hat sie natürlich am Handy. Was also Digitalisierung betrifft, sind sie möglicherweise ein Stück weiter als wir. Es sind sehr gut ausgebildete Leute, sie lernen ab der ersten Klasse Volksschule Englisch, auch das merke ich bei den Kontakten, die wir mit diesen Menschen haben.
Das ändert aber nichts daran, dass diese Schicksale so tragisch sind. Ich möchte Ihnen sehr empfehlen, dass Sie dieses Buch kaufen, weil Sie damit dieser jungen Frau nützen, aber dass Sie das Buch auch lesen. (Der Redner hält das Buch „24. Februar und der Himmel war nicht mehr blau“ von Valeria Shashenok in die Höhe.) Es ist auch wieder nur eine Geschichte von einem Menschen, von dieser Valeria Shashenok. Vielleicht folgen manche von Ihnen – es sind ja ein paar junge Leute da – ihr auf Tiktok und haben erfahren, was sie von Anfang an, als sie eben in den Bombenkeller gehen musste, erlebt hat: dass sie ihren Cousin verloren hat, dass sie dann über Warschau nach Italien geflüchtet ist. Jetzt hat sie dieses Buch geschrieben, hat gerade auch in Deutschland ein bisschen eine Pressereise gemacht. Sie geht aber wieder nach Hause – wie übrigens viele Ukrainerinnen und Ukrainer wieder nach Hause gehen, weil sehr viele genau das wollen.
Das ist, glaube ich, der nächste Punkt, damit müssen wir uns auch beschäftigen: Wie können wir, wenn dieser Krieg hoffentlich einmal vorbei ist, dann der Ukraine helfen und gleichzeitig uns helfen? Ich habe immer gesagt, wir brauchen so etwas wie den Marshallplan, aber Minister Tschernyschow hat mir heute gesagt: Bitte verwenden Sie nicht den Marshallplan als Wort – als Inhalt ja, das ist großartig, wenn wir den Wirtschaftsaustausch betreiben, das hat ja Österreich bekanntlich sehr geholfen –, nennen wir es United24. Die Zahl 24 hat natürlich eine Bedeutung für die Ukraine: 24. Februar, sie haben 24 Regionen. Dieses United24 soll der Beginn eines Wiederaufbaus der Ukraine sein, und das ist der nächste Punkt, bei dem wir, glaube ich, sehr aktiv sein wollen, bei dem wir sehr aktiv sein werden.
Natürlich ist der nächste Schritt der Weg in die Europäische Union. Da würde ich auch sagen, dass wir sehr deutlich sagen müssen: Ja, Kandidatenstatus so schnell wie möglich, jetzt im Juni! – Alle Abgeordneten, mit denen wir, auch in der Freundschaftsgruppe – alles sehr gut ausgebildete Frauen und Männer –, inzwischen gesprochen haben, haben gesagt: Wir wollen übrigens gar keine besonderen Vorteile! Wir wollen nur, dass wir – entsprechend dem Gesetz und entsprechend den Vorschriften der Europäischen Union – entsprechend dem, was wir erfüllen, dann auch aufgenommen werden. – Ich glaube, das ist auch wichtig, dass von dort auch die Botschaft kommt: Wir sind ein Rechtsstaat und wir wollen in eine Organisation von Rechtsstaaten hinein!
Sie alle verstehen auch, dass es das Thema mit dem Westbalkan gibt, und auch da sagen sie: Ja, das verstehen wir auch! – Wir müssen aber wiederum verstehen: Wenn wir die Aufnahme der Westbalkanländer weiter verzögern, wird Herr Putin, wenn er die Ukraine nicht kaputtmachen kann, dort weiterzündeln.
In diesem Sinn also brauchen wir diese europäische Einigung und wir brauchen die Zusammenarbeit mit diesen tapferen Menschen in der Ukraine, mit diesen gut ausgebildeten Menschen, aber auch mit all denen, die natürlich unter diesem schrecklichen Krieg leiden. Denen müssen wir speziell helfen, und deswegen schließe ich mich jetzt auch diesem Dank an alle Menschen, die in Österreich geholfen haben, an die NGOs, die großartige Arbeit leisten, an.
Es findet übrigens fast jede Woche irgendeine Veranstaltung für die Ukraine statt, am kommenden Samstag auf der Kaiserwiese im Prater: Bitte hinkommen und mit den Leuten reden! Man kann sehr viel lernen, und das sage ich euch auch noch: Lernen ist das Einzige, das jung hält; das ist meine Erfahrung. – Danke schön. (Beifall bei NEOS und Grünen.)
17.25
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johann Weber. – Bitte.