12.31

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Österreichische Volkspartei veranstaltet heute eine Europastunde zum Thema Südtirolautonomie. Wenn wir so in die Reihen schauen: Mehr als die Hälfte der ÖVP-Abgeordneten ist schon die längste Zeit nicht mehr im Raum – so wichtig ist Ihnen das Thema tatsächlich. Ich glaube, Sie haben das Thema eher deswegen gewählt, weil es einmal ein positiv besetztes Thema ist (Abg. Haubner: Um Gottes willen! Ist das so schlimm, ein positives Thema?) – wobei historisch gesehen von der ÖVP nicht sehr viel Positives dazu beigetragen worden ist. Ich erinnere an das Gruber-De-Gasperi-Abkom­men: Dafür wurde der spätere, zumindest interimistische ÖVP-Landeshauptmann Gru­ber dann von den Schützen abgewatscht. Da war es eher nicht die Österreichische Volkspartei, die sich diesen Erfolg unbedingt auf ihre Schultern heften kann. – So viel einmal dazu.

Meine Damen und Herren! Südtirol ist natürlich ein erfolgsreiches Modell. Aus heutiger Sicht können wir sagen, die Autonomie, die in den Siebzigerjahren beschlossen wurde, und auch die Streitbeilegung 1992 sind sicherlich etwas, was in anderen Regionen, wo es Konflikte gibt, Schule machen sollte. Ich möchte aber schon mit einem Gerücht auf­hören: Deutsch Sprechende sind dort nicht die Minderheit, sondern die Tiroler sind in ihrer Heimat. Südtirol ist die Heimat der Tiroler, das ist das Vaterland. Das ist nicht eine Minderheit, die dort gelebt hat (Beifall bei der FPÖ), sondern die Italiener waren, bevor die Umsiedelungsprojekte stattgefunden haben, eine Minderheit von 3, 4 Prozent in Süd­tirol – so viel zur historischen Wahrheit, meine Damen und Herren.

Natürlich muss man aber zu dem, was danach passiert ist, auch sagen, dass nach 1992 viele Dinge leider Gottes nicht immer ganz gut gelaufen sind. Die Österreichische Volks­partei hat wieder einmal eine Politik betrieben, dass sie den Kopf in den Sand gesteckt hat. Es ist schon gesagt worden: Seit 2001 sind sehr viele Autonomieerrungenschaften wieder zurückgenommen, weggemacht worden, weil die Italiener gar kein Interesse da­ran haben, sie aufrechtzuerhalten.

Die Verwaltungsreform in Italien hat dafür gesorgt, dass man den Südtirolern Stück für Stück – wie mit einer Salamitaktik – der Autonomierechte wegnimmt. Das hat natürlich auch dazu geführt, dass sich die Südtiroler an Österreich gewandt haben. Aber es ist nichts passiert, von der Österreichischen Volkspartei kommt da sehr wenig. Ich kann mich erinnern, im Regierungsprogramm 2017/2018 gab es ein ganz großes Vorhaben als Schutz für die Südtiroler, nämlich die Möglichkeit zur Doppelstaatsbürgerschaft, mei­ne Damen und Herren.

Dieses Gesetz liegt noch, es ist niemals in Begutachtung gegangen, da die Volkspartei das gar nicht wollte. Da war die Freiheitliche Partei die treibende Kraft. Sie lassen die Südtiroler in Wahrheit im Stich, meine Damen und Herren, wie Sie es schon in der Ver­gangenheit gemacht haben, denn Ihnen war Rom immer näher als Südtirol, Ihnen war Brüssel immer näher als Südtirol. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Wenn aus Rom dann vielleicht ein scharfer Ton kommt, dann lassen wir die Gesetze gleich wieder in der Schublade liegen. Herr Kollege Hörl, es ist so! Ist das Gesetz in Begutachtung gegan­gen? – Nein, aber es liegt, es ist natürlich ausverhandelt gewesen, aber Sie wollen es Wahrheit gar nicht haben. Das ist doch die Wahrheit!

Eine zweite historische Wahrheit muss man auch sagen: Es war nicht immer friedlich. Die Südtirolautonomie ist nicht das Ergebnis von Diplomatie, da ist über viele Jahre Blut geflossen, da hat es Tote gegeben und da hat es Freiheitskämpfer gegeben. Wenn dann die Grünen hergehen und sagen, das sind Terroristen, dann möchte ich Ihnen schon sagen: Lesen Sie die Memoiren von Silvius Magnago! (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Auch er hat dort geschrieben, dass es selbstverständlich die Freiheitskämpfer waren, die den Ausschlag gegeben haben, dass Bewegung in die Verhandlungen gekommen ist. (Abg. Deimek: ...ÖVP ... alle zu feig!)

Was noch passiert ist: Alle diese Freiheitskämpfer durften dann nicht mehr in ihr Heimat­land, die durften nie wieder Heimatboden betreten. Es hat keine Begnadigungen gege­ben; auch jetzt, die letzte Begnadigung, das war kein politischer Akt, Frau Bundesminis­ter (in Richtung Bundesministerin Edtstadler). Dafür, dass die Begnadigung gekommen ist, hat die Familie bei Gericht winseln müssen. Das war kein politischer Akt. Auch da versagt die Bundesregierung, meine Damen und Herren! Es gibt immer noch Freiheits­kämpfer, die schon im Greisenalter sind, die nicht in ihre Heimat dürfen, der überwiegen­de Teil ist aber längst in der Fremde verstorben, ohne jemals wieder nach Hause gedurft zu haben. Diese Leute haben ihr Heimatland, ihr Vaterland verteidigt, und das wird hier so abgetan.

Das war natürlich Teil des Ganzen, so wie auch die Diplomatie, Politiker wie Bruno Kreis­ky, die Außenpolitik – im Gegensatz zu Ihnen heute, im Gegensatz zu Schallenberg – noch konnten. Einfach nur noch Sonntagsreden zu halten, ist einfach zu wenig für eine aktive Außenpolitik, man muss eben manches Mal auch Wege gehen, die vielleicht für das Gegenüber nicht immer einfach sind, aber man muss dranbleiben und wissen, was man am Ende des Tages möchte, und soll sich nicht von oben herunter leiten und alles diktieren lassen. Das ist das, was die Österreichische Volkspartei macht. (Abg. Stein­acker: Unglaublich!)

Wenn man nur im Fall Ukraine schaut: Was machen Sie da? – Da lassen Sie sich von Brüssel alles sagen. (Zwischenruf des Abg. Haubner.) Da wird ein Ölembargo beschlos­sen, ganz egal, was es kostet. Koste es, was es wolle! Die Leidtragenden sind die Ös­terreicherinnen und Österreicher. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

In diesem Sinne, glaube ich, ist es Aufgabe des Parlaments und vor allem dieser Re­gierung, endlich auch dafür Sorge zu tragen, dass die Autonomie in Südtirol wiederbelebt und die Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler, die es möchten, möglich wird. (Beifall bei der FPÖ.)

12.37

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Olga Voglauer. – Bitte.