16.07

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Ich bin ja sehr ruhig im Gegensatz zu Ihrem Parteikollegen, weil ich sehr froh bin, dass es in Zeiten ständiger Veränderung eine wesentliche Konstante in Österreich gibt, und diese Konstante ist, wie sich die ÖVP und ihre Teilorganisationen schamlos am Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bedienen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Was mich nur trotzdem wöchentlich oder nahezu täglich überrascht, ist, mit welcher Dreistigkeit  man könnte es positiv formulieren: mit welcher Kreativität, oder auch eben negativ: mit welcher Schamlosigkeit  Sie sich am Geld der Steuerzahlerinnen und Steu­erzahler bedienen, wie Sie sich daran bereichern, wie Sie die Regeln missachten und den Rechtsstaat mit Füßen treten.

Kollege Hafenecker hat schon ein paar Beispiele aufgezählt. Ich kann vielleicht noch früher anfangen – wir könnten das hier stundenlang diskutieren –: Sie erinnern sich, als Sie die Wahlkampfkostenobergrenze ganz bewusst mehrfach überschritten haben. Sie erinnern sich, als Mitarbeiter im Finanzministerium Umfragen in Auftrag gegeben und öffentliche Gelder dazu verwendet haben, den Aufstieg von Sebastian Kurz zu orches­trieren, und diese Gelder für Parteizwecke missbraucht wurden.

Sie erinnern sich, wie in Vorarlberg über schwindlige Inseratengeschäfte versucht wur­de, neben der eh schon üppigen Parteienförderung den Unternehmerinnen und Unter­nehmern vielleicht noch ein bissel ein zusätzliches Körberlgeld für die ÖVP abzupressen. Wer den österreichischen Schriftsteller Wolf Haas kennt: Der würde jetzt sagen: „Jetzt ist schon wieder was passiert.“ (Heiterkeit bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Jetzt haben der Verein Oberösterreichischer Seniorenbund und seine Ortsgruppen die Coronakrise dazu verwendet, sich 2 Millionen Euro aus einem Fonds für Non-Profit-Organisationen zu holen, und das, obwohl die Verordnung ganz klar vorgesehen hat, dass es keine Auszahlung an politische Parteien und deren Teilorganisationen geben kann. Man hat im Antragsformular sogar anklicken und ausdrücklich bestätigen müssen, dass man keine Teilorganisation einer politischen Partei ist. Das hat die Proponenten des Oberösterreichischen Seniorenbundes aber nicht daran gehindert, in großer Manier Steuergeld einzukassieren.

Jetzt könnte man glauben, eine größere Unverfrorenheit gehe gar nicht, aber dann kommt die ÖVP und erklärt uns, dass der Seniorenbund gar keine Teilorganisation der ÖVP ist. Das, was die Teilorganisation der ÖVP ist, das heißt zwar auch Seniorenbund, das hat die gleiche Adresse wie dieser andere Verein, den gleichen Geschäftsführer wie dieser andere Verein, das hat den gleichen Obmann wie dieser andere Verein (Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger), das hat sogar das gleiche Logo wie dieser andere Verein, aber es ist ein ganz anderer Verein. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Das ist Monty Python!)

Ich weiß nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, ob Sie den berühmten En­tentest kennen: Wenn etwas aussieht wie eine Ente (Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisin­ger), wenn etwas schwimmt wie eine Ente, wenn etwas quakt wie eine Ente, dann kön­nen Sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es auch eine Ente ist. (Heiterkeit und Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.) Und wenn Sie diesen Test jetzt mit dem Oberösterreichischen Seniorenbund ma­chen, dann können Sie mir doch nicht im Ernst erklären, dass der Oberösterreichische Seniorenbund gar nicht der Oberösterreichische Seniorenbund ist. (Heiterkeit bei NEOS und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Das, was Sie machen, ist, dass Sie versuchen, das so darzustellen, dass zwei Vereine, die genau gleich sind, angeblich – und das ist die nächste Unverfrorenheit – ganz unter­schiedliche Dinge machen. Wir haben gehört, es gibt den einen Verein, der soll die Se­nioren politisch repräsentieren, und es gibt den anderen Verein, dort kümmert man sich um Soziales – Kollege Lindinger hat angesprochen, wie man sich dann um die Leute kümmert; dafür braucht es offensichtlich zwei Vereine. Das ist mir neu.

Ich war jahrelang Vorsitzender einer politischen Jugendorganisation, und wir hatten ei­nen Verein; es gab dann Zweigvereine in den Bundesländern. (Abg. Lindinger: Dafür braucht es ...!) Was ich aber, Herr Kollege Lindinger, nie verstanden habe – aber viel­leicht ist das bei der ÖVP anders –: Ich habe immer gedacht, dass wir, wenn wir als Junos untertags politisch diskutieren, als gleicher Verein danach am Abend auf ein Bier gehen können. Offensichtlich ist das bei der ÖVP anders, offensichtlich muss die JVP sich zuerst zum Landeskongress treffen, und wenn sie am Abend ein Zeltfest organisiert, ist das eine ganz andere JVP. – Das ist doch absurd! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Sie führen die Menschen an der Nase herum, Sie führen die Menschen hinters Licht – und das Ganze, um sich am Steuertopf zu bedienen, und ohne Unrechtsbewusstsein, denn das ist ja nicht allein der Oberösterreichische Seniorenbund; das ist der Wiener Seniorenbund, der Tiroler Seniorenbund, der Kärntner Seniorenbund – über eine halbe Million Euro aus dem Steuertopf. Die JVP hat zugegebenermaßen sehr wenig davon bekommen, das muss man schon sagen.

Herr Vizekanzler, was ich nicht verstehe: Sie beschwichtigen dann. Das ist eine kom­plexe Rechtslage, haben Sie im Ausschuss – hat man mir erzählt – gesagt. Ich verstehe nicht, worin die komplexe Rechtslage besteht: Wenn der Oberösterreichische Senioren­bund nicht berechtigt ist, sich am Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu bedie­nen, dann darf er sich auch nicht daran bedienen. Daran ist überhaupt nichts komplex! (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.) Spätestens, Herr Vizekanzler, seit der Feststellung des Rechnungshofes, der gesagt hat: Natürlich ist der Seniorenbund eine Teilorganisa­tion der ÖVP!, sollten Sie es ja auch wissen.

Es ist zugegebenermaßen schwierig, in diesem Sumpf der ÖVP noch den Überblick zu haben, sogar der Rechnungshof muss jetzt einen eigenen, einen dritten Wirtschaftsprü­fer bestellen, weil niemand mehr in ihrem System der strukturellen Korruption einen Durchblick hat.

Wir können jetzt aber in einen kleinen Teil Licht hineinbringen, diesen kleinen Teil der strukturellen Korruption aufklären. Deswegen bringe ich folgenden Entschließungsan­trag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „NPO-Fonds: Transparente Kontrolle der Auszahlungen und Rückforderungen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, wird aufgefordert, rasch sämtliche Leistungen aus dem NPO-Fonds genau darauf zu überprüfen, ob entgegen § 5 Z1 der NPO-Fonds-Richtlinienverordnung Hilfs­zahlungen an politische Parteien erfolgt sind. Diese Überprüfung soll sich insbesondere auf Hilfszahlungen an bekannte Vorfeldorganisationen sämtlicher politischer Parteien in Österreich sowie die gesetzeskonforme Verwendung dieser konzentrieren.“

*****

Hören Sie auf, mit beiden Händen schamlos in die Taschen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu greifen (Abg. Lindinger: Hört ihr einmal auf, Vorverurteilungen zu treffen! Das habe ich zuerst schon gesagt!) und sich und die ÖVP zu bereichern! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

16.13

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak‚ MA, MMag. Katharina Werner, Bakk, Kollegin­nen und Kollegen

betreffend NPO-Fonds: Transparente Kontrolle der Auszahlungen und Rückforderungen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 160. Sitzung des Nationalrats über Bericht nach § 1 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Errichtung eines Non-Profit-Organisationen Unterstützungsfonds für April 2022, vorgelegt vom Bundesminister für Kunst, Kultur, öf­fentlichen Dienst und Sport (III-648/1517 d.B.) – TOP 3

Der NPO Fonds

Durch die Beschlüsse des Nationalrats vom 29.5.2020 und des Bundesrats vom 4.6.2020 trat das Bundesgesetz über die Errichtung eines Non-Profit-Organisationen Unterstützungsfonds (BGBL.I Nr. 49/2020) mit 18.6.2020 in Kraft. Ziel des Unterstüt­zungsfonds ist es, durch die Covid-Pandemie entstandene Einnahmeausfälle zu mildern, damit die begünstigten Organisationen weiter ihren satzungsmäßigen Tätigkeiten nach­gehen können. Im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes 2021 wurde die Verlängerung des Fonds bis Ende März 2022 ermöglicht. Anträge für das 1. Quartal 2022 können ab Juni 2022 gestellt werden. Aus den vorliegenden Berichten ist zu entnehmen, dass aus dem erwähnten NPO-Unterstützungsfonds Gelder an gemeinnützige Organisationen aus allen gesellschaftlichen Bereichen, kirchliche Organisationen und freiwillige Feuer­wehren gingen. Mit Stand 31.5.2022 wurden laut eigenen Angaben (npo.fonds.at) 51.570 Auszahlungen im Wert von insgesamt 744,3 Mio. Euro getätigt. Sport (29,9 %) sowie Kunst und Kultur (18,5 %) haben am meisten von diesem Instrument profitiert. Auf Platz 3 folgt bereits der Bereich "Sonstige" (14,1 %).

Diskussion um Auszahlungen an politische Vorfeldorganisationen durch parlamentari­sche Anfrage

Aufgrund einer NEOS-Anfragebeantwortung (10004/AB) wurde bekannt, dass Gelder aus dem NPO-Unterstützungsfonds an Vorfeldorganisationen politischer Parteien in Oberösterreich geflossen sind. Das BMKÖS gab dazu an:

·         Oberösterreichischer Seniorenbund und Teilvereine: 1.915.194,14

·         JVP - Junge Volkspartei und Teilvereine (Oberösterreich): 10.844,73

·         SU - Schülerunion und Teilvereine (Oberösterreich): 8.866,92

·         RFJ - Ring Freiheitlicher Jugend Österreich und Teilvereine (Oberösterreich): 1.595,36

·         Österreichischer Bauernbund und Teilvereine (Oberösterreich): 1.996,78

·         Österreichischer Wirtschaftsbund und Teilvereine (Oberösterreich): 2.176,84

"Das haben einige gemacht." (Ingrid Korosek, ÖVP-Landtagsabgeordnete und Präsiden­tin des österr. Seniorenbundes),

Diese Enthüllungen führten dazu, dass noch mehr solcher Auszahlungen an Teilorgani­sationen politischer Parteien bekannt wurden. So hat der Seniorenbund auch in Tirol (185.000 Euro) und Vorarlberg (24.000 Euro) Geld aus dem NPO-Fonds erhalten. Wäh­rend manche der öffentlich Erwähnten sich einsichtig zeigten und eine Rückzahlung der Gelder veranlasst bzw. versprochen haben, zeigt sich v.a. der Seniorenbund wenig ein­sichtig. Einerseits wird gesagt, dass die gemeinnützigen Vereine nichts mit der Partei zu tun haben. Andererseits wird eingeräumt, dass es persönliche Überschneidungen gibt. Auffällig war auch die Stellungnahmen des ehemaligen Landeshauptmanns und Ob­mann des oberösterreichischen Seniorenbundes Joseph Pühringer, wonach mit den Geldern aus dem NPO-Fonds "fast ausschließlich Gehälter bezahlt" worden seien, zu­mal Personalkosten in den Richtlinien zum NPO-Fonds explizit nicht abgedeckt werden. Jedenfalls hält die Präsidentin des österreichischen Seniorenbundes fest: „Wir zahlen nichts zurück.“

"Wer bin ich überhaupt? Und wenn ja: Wie viele?" (Werner Kogler, Vizekanzler und Bun­desminister)

Als für den NPO-Fonds zuständige Minister hat Vizekanzler Kogler zugesagt, genau zu überprüfen, ob die entsprechenden Richtlinien eingehalten wurden. In § 5 Z1 der NPO-Fonds-Richtlinienverordnung wird klar festgehalten, dass "politische Parteien gemäß § 2 Z 1 des Bundesgesetzes über die Finanzierung politischer Parteien" nicht förderfähig sind. Im Parteiengesetz 2012 wird eine politische Partei wie folgt definiert:

·         § 1 Abs. 2: Eine politische Partei ist eine dauernd organisierte Verbindung, die durch gemeinsame Tätigkeit auf eine umfassende Beeinflussung der staatlichen Willensbil­dung, insbesondere durch die Teilnahme an Wahlen zu allgemeinen Vertretungskör­pern und dem Europäischen Parlament, abzielt und deren Satzung beim Bundesmi­nisterium für Inneres hinterlegt ist.

·         § 3 Z 1:  "Politische Partei": Jede Partei im Sinne des § 1, wobei dieser Begriff umfas­send zu verstehen ist und alle territorialen (Landes-, Bezirks-, Gemeindeorganisa­tionen) und nicht territorialen (nach thematischen Kriterien oder solchen der Interes­senvertretung definierten Teilorganisationen) Teile erfasst". Der zuständige Bundes­minister muss daher nun prüfen, inwiefern die geförderten Vereine darunter fallen.

Bundesminister Kogler muss jetzt also prüfen, wie diese gesetzlichen Vorgaben von den geförderten Organisationen eingehalten wurden. Daneben muss genau darauf geschaut werden, ob die erhaltenen Mittel auch für die vorgesehenen Zwecke verwendet worden sind. § 7 Abs. 2 der NPO-Fonds-Richtlinienverordnung listet abschließend die mittels NPO-Fonds förderbaren Kosten auf. Personalkosten sind nur für Personen abgedeckt, die im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes begünstigt behindert sind, soweit die­se Kosten nicht durch sonstige Unterstützungen der öffentlichen Hand getragen werden (Z 9). Sonst werden darin allein dreimal Aufwendungen betreffend Personal explizit aus­geschlossen.

Transparente und lückenlose Aufklärung im Sinne von Steuerzahler_innen und Rechts­staat

Sämtliche Parlamentsparteien unterstützten den Ausgleich der Folgen der Pandemie für gemeinnützige Organisationen durch den NPO-Fonds. Angesichts des hohen Einsatzes an Steuergeldes müssen im Sinne der Steuerzahler_innen und des Rechtsstaats die aufgekommenen Zweifel an der Rechtmäßigkeit gewisser Hilfszahlungen transparent und lückenlos aufgeklärt werden. Die Bundesregierung, insbesondere Bundesminister Kogler soll rasch sämtliche Leistungen aus dem NPO-Fonds genau darauf überprüfen, ob entgegen § 5 Z1 der NPO-Fonds-Richtlinienverordnung Hilfszahlungen an politische Parteien erfolgt sind. Diese Prüfung soll sich insbesondere auf Hilfszahlungen an be­kannte Vorfeldorganisationen sämtlicher politischer Parteien in Österreich sowie die ge­setzeskonforme Verwendung dieser konzentrieren.

Quellen:

·         https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20011211&FassungVom=2020-08-11

·         https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_10004/index.shtml

·         https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2149052-Unterschied­liche-Linien-in-OeVP-bei-Corona-Hilfen.html

·         https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/6146671/OeVPFinanzen_NEOS-werden-Seniorenbund-Oberoesterreich-anzeigen

·         https://www.oe24.at/oesterreich/politik/seniorenbund-bezahlte-gehaelter-mit-foer­derung/520390478

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, wird aufgefordert, rasch sämtliche Leistungen aus dem NPO-Fonds genau darauf zu überprüfen, ob entgegen § 5 Z1 der NPO-Fonds-Richtlinienverordnung Hilfs­zahlungen an politische Parteien erfolgt sind. Diese Überprüfung soll sich insbesondere auf Hilfszahlungen an bekannte Vorfeldorganisationen sämtlicher politischer Parteien in Österreich sowie die gesetzeskonforme Verwendung dieser konzentrieren."

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Vizekanzler Kogler. – Bitte.