10.41

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Lieber Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher online und auch hier im Saal! Zuerst noch einmal eine herzliche Entschuldigung für meine kurze Verspätung.

Wir beschäftigen uns heute mit dem Gaswirtschaftsgesetz. Schon wieder!, sind jetzt manche vielleicht versucht zu sagen. Wir haben das Gesetz in den letzten Monaten so oft angegriffen wie in den letzten Jahren, Jahrzehnten davor wohl nicht, aber es geht eben schon wieder darum, sich auf eine neue strategische Situation einzustellen, uns gut für den kommenden Winter zu rüsten.

Frau Abgeordnete Doppelbauer hat es angesprochen: Wir stehen vor Herausforde­rungen, die wir uns vor wenigen Jahren, vor Monaten noch kaum vorstellen hätten können, weil Selbstverständlichkeiten in der Energieversorgung, auf die wir Jahre und Jahrzehnte gebaut haben, eben plötzlich nicht mehr selbstverständlich sind, weil Russland Energielieferungen als Waffe verwendet, weil Putin uns mit Preisen unter Druck setzt. Wir spüren sehr deutlich – und das ist in der Debatte jetzt ja auch schon öfter herausgekommen –, wie verletzlich wir sind, wie angewiesen unsere Wirtschaft ist. Wir haben alle vor Augen, wie viele Wohnungen mit Erdgas geheizt werden.

Auch wenn es Jahre dauern wird – und das ist eine bittere Wahrheit, der müssen wir ins Auge sehen –, uns aus dieser Abhängigkeit zu befreien, müssen wir jetzt damit begin­nen: Kein Spaziergang, ein Kraftakt, auch das habe ich an dieser Stelle schon einmal gesagt, und dieser Kraftakt wird uns alle miteinander noch sehr fordern.

Gleichzeitig – ich werde jetzt nicht alles wiederholen – haben wir in den vergangenen Monaten schon Maßnahmen gesetzt, damit die Versorgung gesichert ist, damit die Resilienz unserer Volkswirtschaft steigt. Der zentrale Puffer, den wir haben – Abge­ordnete Graf hat auch schon darauf hingewiesen –, ist die Speicherbefüllung, deswegen liegt auch alle Kraft in unserer Arbeit zuerst auf der Frage: Wie bekommen wir volle Speicher?, weil das unser Puffer im Krisenfall ist.

Heute diskutieren wir auch zwei Anträge, die genau dem Ziel dienen, nämlich uns einerseits Schritt für Schritt aus der Abhängigkeit zu befreien und uns andererseits dadurch resilienter zu machen.

Der erste ist die Novelle zum Gaswirtschaftsgesetz, zum GWG 2011. Da geht es vor allem um drei Anliegen: Erstens geht es um das Ziel – ganz klar –, alle Erdgasspeicher an das österreichische Netz anzuschließen und uns für die Versorgungssicherheit in Österreich so aufzustellen, dass damit alle Erdgasspeicher auch für Österreich einen Beitrag leisten können. Deswegen gibt es in der GWG-Novelle den Vorschlag einer Verpflichtung, alle Speicheranlagen auf dem österreichischen Hoheitsgebiet auch an das Marktgebiet anzuschließen.

Speicherbetreiber haben alle baulichen Maßnahmen für einen Netzanschluss zu treffen, vorrangig für den Anschluss an das Verteilernetz – das geht schneller. Sobald der physische Netzanschluss hergestellt ist, haben dann Speicherunternehmen auch den Antrag auf Netzzugang und Netzzutritt zu stellen. Das betrifft natürlich vor allem den Speicher, von dem heute schon oft die Rede war, nämlich Haidach, der bislang nur über den Umweg über das deutsche Marktgebiet an Österreich ausspeichern konnte.

Auch die zweite Maßnahme – auch das ist schon erwähnt worden – betrifft den Speicher Haidach. Wie Sie wissen und wie heute auch schon angesprochen wurde, wird ein Teil des Speichers – nicht der ganze, aber Teil des Speichers – von einem Tochterunter­nehmen der russischen Gazprom vermarktet. Es wird in allen Speichern derzeit massiv eingespeichert, teilweise am technischen Maximum, das ist gut. In Haidach sehen wir – Stand heute – keine Aktivitäten. Wir sind momentan mit über 37 Terawattstunden Erdgas in unseren Speichern ausgestattet, aber ein Speicher ist leer: Der Gazprom-Teil im Speicher Haidach ist leer, und das können wir uns in dieser Situation schlicht und ergreifend nicht leisten.

Wir brauchen alle verfügbaren Speicher, um uns bestmöglich für den Winter zu rüsten. Deswegen ist der Vorschlag in der GWG-Novelle eben genau so: Speichernutzer, die ihre Kapazitäten systematisch nicht nützen, müssen diese auf einer Sekundärplattform anbieten oder sie eben dem physischen Speicherunternehmen wieder zurückgeben. Also ganz einfach: Wer den Speicher nicht nutzt, soll ihn anderen zur Verfügung stellen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Weidinger.)

Was passiert, wenn der Speichernutzer dieser Verpflichtung nicht nachkommt? – Dann entzieht das Speicherunternehmen dem Speichernutzer eben genau diese systematisch ungenutzten Speicherkapazitäten: Use it or lose it, oft schon in diesem Zusammenhang als Name für diese Regelung verwendet.

Wir haben mit der Regelung Use it or lose it vor, das gelindeste Mittel einzusetzen, aber ein Ziel effektiv zu erreichen, nämlich dass der Speicher Haidach befüllt wird. Das ist das Ziel und die oberste Priorität.

Die dritte Maßnahme in dieser GWG-Novelle ist eine Ermächtigung an mich, ein Ressort­übereinkommen über die gemeinsame Nutzung von Speicheranlagen abzuschließen. Da geht es insbesondere darum: Wir haben auf europäischer Ebene die Verpflichtung beschlossen, dass die Speicher zu 80 Prozent gefüllt werden. Das haben wir auch in Österreich als Bundesregierung beschlossen. Diese Speicherbefüllung betrifft auch den Speicher Haidach – siehe die zuvor genannten Maßnahmen –, dessen Befüllung insbe­sondere auf europäischer Ebene eine gemeinsame Verantwortung Deutschlands und Österreichs ist.

Dieses unionsrechtliche Befüllungsziel können wir nur in einem Abkommen mit Deutsch­land gemeinsam angehen, und deswegen geht es eben in dieser Novelle auch darum, mich dazu zu ermächtigen, ein Ressortübereinkommen mit Deutschland zu diesem Zweck zu machen. Auf Fachebene wird bereits daran gearbeitet, das ist ein sehr konstruktiver Dialog, den wir mit Deutschland führen, zu all den Themen, auch den Themen, die Frau Doppelbauer vorhin angesprochen hat, denn das ist wichtig: Wir als Europa sind gemeinsam in dieser Situation und wir sind in dieser Situation auch solidarisch. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte noch kurz auf das Gasdiversifizierungsgesetz eingehen, weil ich gesagt habe: Volle Speicher sind eine Versicherung für den nächsten Winter. – Ja, gut, wichtig, aber es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass es echte Unabhängigkeit und damit auch echte Sicherheit nur dann gibt, wenn wir nicht mehr so abhängig sind. Das heißt, deswegen müssen wir die Abhängigkeit von russischem Gas reduzieren und schlussendlich beenden, indem wir jetzt Schritt für Schritt die Erdgasimporte reduzieren.

Dazu gehört weniger Gasverbrauch, etwa durch die Umstellung von Gasheizungen auf erneuerbare Alternativen. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz ist heute schon gefallen. Ich bin wirklich sehr, sehr froh, dass wir mit diesem Gesetz jetzt in Begutachtung gehen können, nach mehr als 100 Arbeitsgruppensitzungen mit den Bundesländern, lieber Alois Schroll, drei politischen Steuerungsgremien mit den Landesräten, nach zwei Be­schlüssen in der Landeshauptleutekonferenz – ein wirklich gut vorbereitetes, intensiv diskutiertes Gesetz, das vor allem eines tut, nämlich das Übel an der Wurzel zu packen, die Abhängigkeit von Gas in einem Bereich, in dem wir ein Viertel unseres Gas­verbrauchs haben, nämlich im Wärmebereich, zu reduzieren. (Beifall bei den Grünen.)

Dazu gehören aber natürlich auch andere Lieferländer, und gerade weil unsere Ab­hängigkeit von russischem Erdgas so groß ist, ist dieser Bereich für Österreich be­sonders schwierig. Wie Sie wissen, ist die Pipelineinfrastruktur historisch in Richtung Russland ausgerichtet. Österreich war das erste westliche Land, das an das russische Gasnetz angeschlossen wurde. Wir sind ein Binnenland und haben keine Seehäfen für den eigenen Import. Trotzdem haben wir keine Zeit zu verlieren. Wir haben erste Schritte gemacht: Mit der Aufstockung der strategischen Gasreserve mit nicht russischem Gas – diese Ausschreibung startet in Kürze – werden wir heuer die Abhängigkeit von 80 auf 70 Prozent drücken. Es gibt einzelne Unternehmen, bei denen da und dort schon Gas aus nicht russischen Quellen zusätzlich fließt. Das ist aber nicht genug. Wir brauchen weitere Schritte, und genau deshalb wollen wir mit dem Gasdiversifizierungsgesetz die notwendigen Maßnahmen ergreifen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Von heuer bis 2025 stehen in Summe jährlich 100 Millionen Euro zur Verfügung, damit Unternehmen die Mehrkosten für den Import von nicht russischem Erdgas gefördert bekommen können. Das können etwa erhöhte Kosten für die Anlieferung nach Öster­reich sein – Leitungsrechte, längere Wege – oder Mehrkosten für die Unternehmen für den Einsatz von Erdgas aus nicht russischen Quellen. Wir fördern das bewusst so und anders als in Deutschland; in Deutschland werden die Kosten auf die Netzgebühren umgelegt, damit aber auch direkt an die Endkunden und Endkundinnen weiterver­rech­net. Das wollten wir in Österreich bewusst nicht machen, deswegen der Vorschlag, der Ihnen heute hier vorliegt, um direkt zu fördern, damit das eben nicht an die EndkundIn­nen weitergegeben wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Schließlich wollen wir als zweite Maßnahme im Rahmen dieses Gesetzes jene Unter­nehmen unterstützen, die die Anlagen, die sie jetzt haben, die ausschließlich mit Gas betrieben werden können, derart umrüsten, dass sie alternativ zu Erdgas auch noch mit anderen Energieträgern betrieben werden können. Das ist eine wichtige Maßnahme hinsichtlich Krisenresilienz. Ich bin aber überzeugt, dass auch das ein wichtiger Schritt zu mehr Unabhängigkeit ist und uns helfen wird, in Summe den Anteil unserer Gas­importe aus Russland deutlich zu reduzieren.

Zusammenfassend: Die Herausforderung, vor der wir stehen, ist unbestritten groß. Es ist gut, sich das trotzdem immer wieder vor Augen zu führen. Diese Anstrengung ist noch lange nicht zu Ende. Die ersten Maßnahmen, die wir getroffen haben, wirken bereits, das ist gut. Die Gasspeicher füllen sich schnell. Mit heutigem Stand liegt mehr als ein Drittel unseres Jahresverbrauchs in den österreichischen Speichern. Im europäischen Vergleich sind wir damit Zweiter, hinsichtlich der Menge, die wir gespeichert haben, bezogen auf den Anteil unseres Jahresverbrauchs: mehr als ein Drittel unseres Jahres­verbrauchs.

Mit der heutigen GWG-Novelle wird die Grundlage dafür geschaffen, dass der Speicher Haidach angeschlossen wird, dass wir Speicherkapazitäten, die systematisch nicht genutzt werden, dann auch im Sinne der Versorgungssicherheit unseres Landes als kritische Infrastruktur nützen können. Wir fördern die Diversifizierung der Gasversor­gung.

All das sind wichtige Schritte auf dem Weg, bis 2027 unabhängig von russischem Erdgas zu sein. Das ist ein gutes und wichtiges Ziel für unsere Republik, deswegen sage ich herzlichen Dank für die Unterstützung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.53

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Litschauer ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.