18.47

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeord­nete! Ich möchte auch zum Gasdiversifizierungsgesetz und zum Abänderungsantrag, der eingebracht wurde, sprechen. Sie haben vor gut drei Wochen, am 15. Juni, dieses Gesetz hier im Hohen Haus beschlossen, und jetzt gibt es einen Antrag, es zu ändern. Deswegen möchte ich kurz auch aus meiner Sicht erläutern, warum ich Sie um Ihre Zustimmung ersuchen würde.

Ich würde trotzdem gerne ein bisschen ausholen, weil Energiepolitik offensichtlich heute schon den ganzen Tag Thema war. Ich glaube, es ist immer wieder notwendig, ein paar Grundlagen hervorzuholen und auch noch einmal darzustellen, was eigentlich schon passiert ist, denn wir in dieser Bundesregierung machen unsere Hausaufgaben, und zwar Schritt für Schritt, eine nach der anderen.

Wir stehen vor dem Ergebnis von 30 Jahren Energiepolitik. Diese hat uns in eine Situa­tion gebracht hat, in der es jetzt gilt, uns Terawattstunde für Terawattstunde aus einer Abhängigkeit, aus einer Vertragsverlängerung, die schon vor fünf Jahren nicht gescheit war, zu bemühen. Jetzt sind wir trotzdem in dieser Situation, und die Bundesregierung macht Tag für Tag, und zwar Maßnahme für Maßnahme, die Dinge, die jetzt notwendig sind, um uns da rauszuführen. Wir können die Zeit nicht zurückdrehen, aber wir können jetzt gemeinsam Verantwortung übernehmen. Ich würde mir auch in der Debatte hier im Hohen Haus ein bisschen mehr gemeinsames Übernehmen von Verantwortung wün­schen, denn das ist das, was sich die Leute von uns erwarten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir brauchen keine Sekunde um den heißen Brei herumzureden: Russland nützt Ener­gielieferungen als Waffe. Das sehen wir täglich. Wir dürfen aber auch nicht eine Umkehr von Ursache und Wirkung betreiben, wie das gerade in den Reden der FPÖ angeklun­gen ist: Russland führt einen Angriffskrieg und Russland greift auch Europa an, die Ukraine mit Waffen, Europa mit Energielieferungen. (Abg. Rauch: Sie machen eine fal­sche Sanktionspolitik! Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis!) Da müssen wir dagegen­halten und da werden wir dagegenhalten, und ich bitte Sie, da Ursache und Wirkung auseinanderzuhalten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir sind trotzdem in einer Situation, in der es darum geht, uns auf alle Szenarien, auch auf den Ernstfall, vorzubereiten. Was heißt Ernstfall? – Der Ernstfall heißt: ein kompletter Lieferstopp aus Russland. Deswegen haben wir schon eine Reihe von Maßnahmen ge­setzt: Wir haben einerseits hier im Nationalrat und im Bundesrat erstmals die gesetzliche Basis für den Ankauf der strategischen Gasreserve geschaffen. Herzlichen Dank dafür. Sie wissen, es ist das erste Mal, dass der Staat überhaupt selbst Gas einkaufen kann.

Auch an Kollegin Doppelbauer, die ich jetzt gerade nicht sehe (Abg. Doppelbauer begibt sich wieder auf ihren Platz): Sie wissen wie ich, der Gasmarkt ist liberalisiert. Es kaufen Unternehmen, es speichern Unternehmen, das ist ein liberalisierter europäischer Markt. Wir können gerne die Diskussion führen, wo er an seine Grenzen stößt, das ist sicher eine spannende Diskussion.

Wir haben hier erstmals die Möglichkeit geschaffen, dass die Republik Gas einkauft. Die erste Ausschreibung ist bereits abgeschlossen, es wird seit 1. Juni eingespeichert, der nächste Teil der Ausschreibung bemüht sich dezidiert um nicht russisches Gas. Wa­rum? – Weil es eben in der Situation, in der wir in Österreich sind, wichtig ist, dass wir Lieferbeziehungen aufbauen, dass auch die Republik Verantwortung für Lieferbeziehun­gen für nicht russisches Gas übernimmt. Genau das tun wir mit der strategischen Re­serve, in den nächsten Tagen beginnt auch die zweite Tranche der Ausschreibung.

Weil die Speicherung heute schon von Kollegin Erasim, die ich jetzt auch nicht sehe – ah, dort hinten spricht sie gerade –, thematisiert wurde: Die Speicher sind unser zentraler Sicherheitspuffer; das sagen wir seit dem ersten Tag, und ich werde auch nicht müde werden, das weiterhin zu sagen. Die Mengen in den Speichern sind der Sicherheitspuf­fer, den wir haben, deswegen ist es wichtig, dass alle, die einspeichern können, das auch tun. Wer ist das in Österreich? – Energieversorger – die haben Verantwortung ih­ren Kundinnen und Kunden gegenüber –, also von der Wien Energie über die EVN, über die Illwerke bis hin zu Industrieunternehmen, die für sich selbst vorsorgen. Deswegen haben wir gemeinsam für die heimische Industrie die Möglichkeit geschaffen, dass selbst bevorratetes Gas, wenn die Unternehmen also mit uns gemeinsam Verantwortung für die Einspeicherung übernehmen, zu einem gewissen Teil immunisiert wird. Diese Mög­lichkeit wird von den großen Unternehmen auch in Anspruch genommen – ein Danke dafür von meiner Seite. Die Voest – sie hat darüber kommuniziert, deswegen kann ich das hier sagen – hat angekündigt, 1,5 Terawattstunden Gas in Österreich zu speichern, hat auch die entsprechenden Lieferverträge abgeschlossen und natürlich die Leitungs­kapazitäten gebucht, das Gas wird eingespeichert. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Wir bereiten als dritte Maßnahme derzeit – das war die Diskussion der letzten Tage – eine Verordnung nach dem Energielenkungsgesetz vor, um gerade bei den Großabneh­mern und Großverbrauchern insofern vorzusorgen, als sie jetzt schon ihre Anlagen für den bivalenten Betrieb im Herbst – das ist eine Maßnahme, die ab Oktober greifen soll – ertüchtigen. Was heißt das? – Wir sorgen für die technische Möglichkeit, dass im Herbst im Falle einer Mangellage die Anlagen nicht nur mit Gas betrieben werden können, son­dern auch mit anderen Energieträgern. Das wird – das ist ein technisches Thema – öfter einmal Erdöl sein, es können auch alle anderen Energieträger sein; wichtig ist, dass diese Entscheidung jetzt getroffen wird. Ich werde damit in naher Zukunft auch den Hauptausschuss befassen, weil es eine Energielenkungsmaßnahme ist, damit wir im Herbst überall dort, wo es möglich ist, im Notfall auf Gas verzichten und andere Energie­träger einsetzen können.

Frau Kollegin Doppelbauer hat die Speicherkapazitäten angesprochen. Eine zentrale Frage ist, die gesamte Speicherinfrastruktur nutzbar zu machen. Deswegen auch hier: Wir haben gemeinsam eine Use-it-or-lose-it-Regelung beschlossen. Speicherbetreiber werden in Österreich jetzt verpflichtet, ihre Speicher zu nutzen oder sie weiterzugeben. Die E-Control hat als zuständige Behörde, da das Gesetz im Bundesgesetzblatt veröf­fentlicht und jetzt auch in Kraft ist, bereits das Verfahren zum GSA-Speicher in Haidach eingeleitet.

Es wurde auch der Marketmaker hier beschlossen, und Sie haben – und jetzt komme ich zum aktuellen Thema – das Gasdiversifizierungsgesetz beschlossen, mit dem die Durchleitung von Gas aus nicht russischen Quellen ermöglicht wurde. – Ja, darum geht es: zu diversifizieren. Wir müssen die Unternehmen in unserem Land, die Gas beziehen, die Gas kaufen, unterstützen, dass sie auch tatsächlich andere Lieferverträge abschlie­ßen. Das verursacht aufgrund der Leitungskapazitäten, aufgrund der Durchleitungen hö­here Kosten. Das heißt, wir haben in Österreich die Entscheidung getroffen, wir fördern das, wir machen es nicht wie in Deutschland über eine Umlage – in Deutschland wird dieser Tage diskutiert, wie man die höheren Preise auf alle Kunden/Kundinnen umlegt. Wir haben gesagt, wir machen es mit einer Förderung. Ich halte das für gescheit und ich halte das auch für richtig, und deswegen danke ich hier an dieser Stelle noch einmal dafür, dass wir dieses Gesetz so schnell durch den Nationalrat bekommen haben.

Eine Frage war: Wer reserviert Leitungskapazitäten? – Jene Unternehmen, die Gas kau­fen. Der, der Gas kauft, muss dafür sorgen, dass er oder sie es nach Österreich bringt. Das ist genauso, wie wir es bei der strategischen Reserve machen: Wenn wir eine Aus­schreibung für die strategische Reserve machen, heißt das natürlich, mit der Einspei­cherung müssen auch die Leitungskapazitäten vorhanden sein, um das Gas nach Ös­terreich zu bringen.

Wir sehen in den letzten Wochen – auch das sei noch einmal gesagt –, dass die Unter­nehmen das schon machen. Die OMV hat Einschränkungen in ihren Gasflüssen aus Russland um teilweise die Hälfte, die physischen Gasflüsse nach Österreich sind bei Weitem nicht in diesem Ausmaß zurückgegangen, weil sich die Unternehmen eben schon umorientieren, weil die Flüsse aus Italien, weil die Flüsse aus Deutschland zuge­nommen haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nach dem kurzen Exkurs: Wozu brauchen wir jetzt eine Novelle? – In diesem Haus war es schon Thema und ich habe es in den letzten Wochen schon ein paarmal erklärt: Wir haben den Verbund ersucht, alle Schritte in die Wege zu leiten, um das bereits still­gelegte Kohlekraftwerk in Mellach für den Notfall wieder in Betrieb nehmen zu können. Die Kosten für die Herstellung und die Vorbereitung der Betriebsfähigkeit, für die Bereit­haltung und für den Betrieb der Anlagen mit Steinkohle zur Erzeugung von Strom und Wärme werden, weil das eine Aufforderung durch den Bund ist, dementsprechend auch vom Bund getragen. Der Betrieb muss deswegen durch eine Verordnung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 Energielenkungsgesetz „zur Abwendung einer unmittelbar drohenden Stö­rung oder zur Behebung einer bereits eingetretenen Störung“ dann auch tatsächlich an­geordnet sein, also wenn wir den Betrieb brauchen. Der Mitteleinsatz ist gemäß dieser Novelle jedenfalls auf die Abdeckung von Mehrbelastungen begrenzt, das heißt, es wird auf die Differenz zwischen Kostenaufwand und erzielten Erlösen abgestellt und es wird nur die Differenz abgedeckt. Es wird dazu noch eine Förderrichtlinie ausgearbeitet und in Kürze auch veröffentlicht, damit sollen dann insbesondere das Verfahren, die Höhe des Mitteleinsatzes, die Voraussetzungen und Bedingungen – wie eben in einer Förder­richtlinie üblich – sowie die Aufzeichnungs- und Nachweisverpflichtungen geregelt werden.

Glauben Sie mir, es ist dies keine Maßnahme, die mir als Klimaschutzministerin Freude bereitet, aber es ist ein weiterer notwendiger und wichtiger Schritt, um im Notfall in einer Gasmangellage auf ein weiteres Kraftwerk zurückgreifen zu können. Aus dieser Verant­wortung für die Versorgungssicherheit bitte ich Sie auch um Zustimmung zu diesem Ab­änderungsantrag. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.57

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Maria Smodics-Neumann zu Wort. – Bitte.