22.40

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ja, die Geschichte holt uns ein, im Positiven wie im Negativen. Wir haben zuvor Srebrenica diskutiert, und es ist natürlich schön, über den Marshallplan zu sprechen, weil es ein perfektes Beispiel dafür ist, dass Menschen ja doch lernfähig sind, dass es Amerikanern nach dem Zweiten Weltkrieg klar war, dass man mit denjenigen, die einen Krieg begonnen haben, den Krieg Gott sei Dank verloren haben, wieder arbeiten muss.

Ich habe ein Buch von Bruno Kreisky mitgenommen, weil ich gewusst habe oder geahnt habe, dass von der SPÖ vielleicht heute wieder ein bisschen Antiamerikanismus oder zu starke Kritik an Amerika kommt. (Abg. Leichtfried: Also bitte!) Ich habe das Glück gehabt, dass ich viele Gespräche mit Bruno Kreisky führen durfte. Es war für mich immer faszinierend, auch zu sehen, dass er natürlich die Kraft, Stärke und die Bedeutung der Vereinigten Staaten für Europa sehr wohl immer hervorgehoben hat. In diesem Buch, „Im Strom der Politik“ (das genannte Buch in die Höhe haltend), das ist ein Teil seiner Erinnerungen, beschreibt er das sehr schön, wenn er schreibt, der „Marshallplan hat das Überleben der demokratischen Völker Europas ermöglicht“. Man muss sich den Satz überlegen, das ist ja nicht nichts. „Der Marshallplan hat das Überleben der demokrati­schen Völker ermöglicht. Sehr bald hat sich gezeigt, daß die europäische Wirtschaft auf einem sehr viel höheren Niveau als vor dem Krieg wiedererstanden ist.“ (Abg. Leicht­fried: Habe ich was anderes gesagt?) – Moment, ich bin noch nicht fertig! – Er verweist auf noch etwas: Warum heißt es Marshallplan? Klar, wegen George C. Marshall, aber der Erste, der ihn so genannt hat, war Ernest Bevin, das war der britische Außenminister, ein großer Gewerkschafter und auch ein großer Amerikafreund. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt.

Das ist die wirtschaftliche Seite, aber ich möchte einen anderen großen Österreicher zitieren, nämlich Hugo Portisch, mit dem ich auch sehr viel sprechen durfte, der ja nach dem Krieg in Amerika auch Journalismus studiert hat. Er hat sehr gerne eine Geschichte erzählt, wie er als Teil eines Praktikums in einer Stadt mit einem Journalisten zu einem Bürgermeister zu einem Interview gegangen ist. Der Journalist ist in das Zimmer des Bürgermeisters hineingegangen und hat alles genau angeschaut, die Zettel, die auf seinem Schreibtisch gelegen sind. Der Österreicher Hugo Portisch war schockiert: Wie kann so etwas möglich sein? Er hat darauf gesagt, we pay his salary, wir bezahlen sein Gehalt, also dürfen wir alles wissen, was der hier macht. Also das, was wir noch immer nicht haben, ein Informationsfreiheitsgesetz, hat es nach dem Krieg in Amerika offen­sichtlich schon gegeben.

Dieser Spirit ist eben auch dann von Thomas Chorherr, Portisch und vielen anderen nach Österreich übertragen worden, nämlich dass wir eine freie, offene Gesellschaft sind und dass zu dieser Gesellschaft natürlich ein offener, freier Journalismus gehört. Auch da ist Amerika in vielem natürlich ein Vorbild, was natürlich nicht heißt, dass man nicht kritisieren soll. Ich mache mir sehr, sehr viele Sorgen über den momentanen Zustand der amerikanischen Politik.

In „Foreign Policy“ konnte man erst vor Kurzem eine gescheite Analyse lesen, die davon ausgeht, dass dieses Land sich möglicherweise so weit auseinanderbewegt, dass es in den nächsten Jahren schwer sein wird, es wieder zusammenzufügen. Ein Trump würde natürlich davon profitieren, wenn es auseinandergeht, aber wir würden extrem darunter leiden. Für Europa wäre es ganz schwierig, weil ich glaube, dass wir diesen Partner, die Vereinigten Staaten, gerade in dieser Auseinandersetzung brauchen, in der wir ja mitten­drin sind, nämlich der Auseinandersetzung der freien, demokratischen, rechtsstaatlichen Staaten gegen die Diktaturen, die uns mit Krieg bedrohen.

Der nächste Gedanke, was die Zukunft betrifft, ist natürlich genauso wichtig, und ich habe heute schon davon gesprochen: Selbstverständlich werden wir beim Wiederaufbau der Ukraine mithelfen müssen. Ich habe das übrigens auch in Moldau gesagt, wo man sich für österreichische Hilfe bedankt hat: Österreich stünde nicht dort, wo wir heute stehen, wenn man uns nicht geholfen hätte, und heute ist die Stunde, in der wir helfen müssen, dass wir nicht nur unsere Gesellschaft weiter zusammenhalten, was mir auch wichtig ist, sondern die europäischen, vor allem aber diejenigen der freien Staaten, der Staaten, die an Demokratie und Rechtsstaat glauben.

In diesem Sinne noch einmal herzlichen Dank für die Idee an George Marshall und an alle, die das in Europa verbreitet haben. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

22.44

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Jeitler-Cin­celli. – Bitte.