13.28
Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren oben auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Über 300 000 Menschen haben das Rechtsstaat- und Antikorruptionsvolksbegehren unterstützt, das ist ein Auftrag für die Politik, aber auch vor allem für uns Abgeordnete hier im Hohen Haus.
Ich darf ganz kurz daran erinnern, was denn über 300 000 Menschen dazu bewogen und vor allem die Proponentinnen und Proponenten dieses Volksbegehrens dazu veranlasst hat, im 21. Jahrhundert, damals noch in einer liberalen Demokratie, so ein Volksbegehren zu initiieren: Das waren die systematischen, massiven Angriffe der ÖVP auf die Justiz. Das hat es in der Geschichte der Zweiten Republik noch nie gegeben, nicht in diesem Ausmaß und nicht mit dieser Systematik. (Beifall bei der SPÖ.)
Umso mehr ärgert es mich, wenn Abgeordnete der ÖVP sich hierherstellen und genau das, was Anlass für dieses Volksbegehren gegeben hat, hier wiederholen: nämlich eine Institution der Korruptionsbekämpfung in diesem Land anzupatzen. Das müssen Sie unterlassen! (Zwischenruf bei der ÖVP.)
Wir alle sollten daran interessiert sein, eine unabhängige, starke Korruptionsbekämpfung in diesem Land sicherzustellen. Würden wir heute nicht darüber diskutieren, einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt vielleicht wirklich umzusetzen, dann verstehe ich nicht mehr, wie Ihr Demokratie- und Rechtsstaatlichkeitsverständnis ist.
Ich darf nur daran erinnern, dass Österreich mit dem derzeit bestehenden System nach den Rechtsstaatlichkeitskriterien der Europäischen Union keine Chance hätte, als Mitglied in die Europäischen Union aufgenommen zu werden – das muss man sich doch auf der Zunge zergehen lassen!
Ich darf auch daran erinnern und halte Ihnen – gerade den Vertreterinnen und Vertretern der ÖVP – das vor: Sie sind maßgeblich schuld daran, dass die Republik Österreich im Jahre 2022 keine liberale Demokratie mehr ist, sondern nur mehr eine Wahldemokratie. Ich bin entsetzt darüber. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich bin noch mehr entsetzt, dass die Einsicht fehlt, dass wir die Korruptionsbekämpfung in diesem Land massiv stärken müssen. Ich finde das wirklich besorgniserregend, das alles so einfach vom Tisch zu fegen, ohne sich intensiv damit zu befassen und zu diskutieren, wo wir effektive Verbesserungsmöglichkeiten sehen. Es gibt aber viele Möglichkeiten: 72 Vorschläge hat man uns vorgelegt. Wir als Sozialdemokratische Partei haben dazu jedenfalls bereits zahlreiche Vorschläge und Anträge eingebracht und sind auch bereit, konstruktiv an einem besseren, transparenten und korruptionsfreien Land zu arbeiten. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Wenn ich in dem Zusammenhang – ich sehe da wirklich ein Problem bei Ihnen, Vertreterinnen und Vertreter der ÖVP – nur an die Aussage eines Tiroler ÖVP-Abgeordneten in den letzten Tagen im Zusammenhang mit den anstehenden Landtagswahlen in Tirol erinnern darf: Er hat gesagt: „Wir regieren seit dem Zweiten Weltkrieg dieses Land.“ Dann hat er weiters gesagt: „Uns gehört die Tiwag“ – der Tiroler Energieversorger –,„uns gehört die Wohnbauförderung, uns gehört die Hypo-Bank“ – die Hypo Tirol, die Tiroler Landesbank. Manche in der ÖVP scheinen zu glauben, dass ihnen das ganze Land gehört, und sie agieren auch so. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schroll.)
Ein anderes Beispiel, weil Sie jetzt ein paar Mal den Untersuchungsausschuss erwähnt haben: Ich habe – stellvertretend für die Zweite Nationalratspräsidentin – tageweise diesen Untersuchungsausschuss leiten dürfen. Es war unglaublich, dass eine Auskunftsperson 1 Stunde gebraucht hat – weil Sie Instrumente der Geschäftsordnung dazu missbraucht haben –, bis sie überhaupt sagen konnte, wie sie heißt und welche Funktion sie hat. So gehen Sie mit Rechtsstaatlichkeit um. Das ist ärgerlich und das kann man so nicht stehen lassen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Taschner: Wir missbrauchen die Instrumente nicht, wir gebrauchen sie!)
Das Volksbegehren will nicht mehr und nicht weniger: Anstand und Integrität in der Politik, Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz, moderne Antikorruptions- und Transparenzgesetzgebung und Pressefreiheit. In all diesen Punkten sind wir verpflichtet, zu unterstützen. Wir wollen Österreich wieder an einen internationalen Spitzenplatz bringen, indem es ein sauberes, transparentes und korruptionsfreies Land ist. Wir wollen, dass wir aufgrund von Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit wieder ein entsprechendes Ansehen haben. Wir sind gerne dabei, das gemeinsam voranzutreiben. Ich hoffe sehr, dass auch die Kolleginnen und Kollegen der ÖVP endlich diesen Handlungsbedarf erkennen. (Beifall bei der SPÖ.)
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