17.15
Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Eine spannende Diskussion: Es geht in diesem ersten Tagesordnungspunkt um Energie, um Wirtschaft, darum, wie man den Österreicherinnen und Österreichern hilft – und wir reden die ganze Zeit über Sanktionen und darüber, wie wir dem russischen Autokraten helfen. Sei’s drum. Probieren wir das einmal und schauen wir, wie man der österreichischen Bevölkerung damit helfen kann!
Ich höre immer wieder das Argument, die Sanktionen wären dann richtig, wenn sie Putin mehr schaden würden als uns. – Ich halte das für vollkommen falsch. Darum geht es nicht. Wir sind ja nicht auf dem Schulhof, wo es dem einen mehr wehtun muss als dem anderen, wenn er etwas gemacht hat. Die Frage ist: Tut es Putin so weh, dass dieser Krieg enden muss? Darum geht es als Allererstes. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Steger.) Das tut es, weil es eine langfristige Sache ist und nur eine langfristige Sache sein kann. Wir wollen keine militärische Lösung, und die Sanktionen sind eine langfristige. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Steger.)
Es ist völlig zweitrangig, sagen wir einmal, ob die Wirtschaftsleistung um 7, 8, 9 oder 10 Prozent sinkt. Was wichtiger ist, ist, dass die Autoproduktion um 85 Prozent sinkt, dass die Computerproduktion eingebrochen ist, dass die Reparatur von Eisenbahnen und Flugzeugen de facto unmöglich ist. Wenn man Nachschub an eine Front bringen will, braucht man all diese Dinge und nicht 2 Prozent Wirtschaftswachstum. Deswegen werden die Sanktionen wirken und tun Putin weh (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP), und sie werden immer mehr wirken, je länger sie dauern.
Die umgekehrte Frage ist: Wie sehr tun uns die Sanktionen weh und was haben wir davon? – Ich behaupte, sie tun uns gar nicht weh im Vergleich zu dem, was die Alternative wäre. Wir leben in einem reichen, wohlhabenden Land, dem es grundsätzlich gut geht. Warum? – Weil wir 77 Jahre Frieden haben – das ist der Hauptgrund (Zwischenruf des Abg. Hafenecker) –, um etwas aufzubauen. Das ist der Wohlstand, und das geben wir her, wenn wir uns gegen Putin nicht durchsetzen und das nicht akzeptieren.
Die Besetzung der Krim war die erste militärische Grenzverschiebung in Europa seit 1945. Sie hätte damals nicht akzeptiert werden dürfen, und sie darf jetzt nicht akzeptiert werden. (Beifall bei den Grünen.)
Nach einer Annexion kommt immer die nächste. Das lernen wir aus der Geschichte vor 1945. Man hätte es damals nicht akzeptieren dürfen, und man darf jetzt den nächsten Schritt nicht akzeptieren, denn sonst kommt der übernächste. Wenn wir das einreißen lassen, wenn wir es bei Putin durchgehen lassen – es gibt in der gesamten Europäischen Union keine einzige Grenze, wo nicht auf der anderen Seite jemand aus einer anderen Sprachfamilie oder mit einer sonstigen Andersartigkeit lebt –, wenn wir zulassen, dass Grenzen in Europa militärisch verschoben werden, dass man einmarschiert und sich etwas nimmt, dann haben wir wieder Krieg wie seit Jahrhunderten. Wir werden keinen Millimeter militärischer Grenzverschiebung auf diesem Kontinent akzeptieren, nie wieder! (Beifall bei den Grünen.)
Wenn man als Österreich etwas beitragen möchte, hätte ich einen Vorschlag: Wir haben hier in einem demokratischen Parlament einen Südtirol-Unterausschuss. Ein halbes Bundesland liegt in einem anderen EU-Mitgliedstaat, und wie gehen wir damit um? Wie gehen wir damit um, dass die Bevölkerung dort ein Interesse an Österreich hat und Österreicher ein Interesse daran haben? – Mit einem demokratischen Diskurs. Österreichische Nationalratsabgeordnete fahren nach Südtirol, reden dort, hören sich Probleme an, kommen zurück. Wie wir das machen, so geht man in einer Demokratie damit um. Das sollte man einmal hochhalten, nicht irgendwelche Fantasievorschläge einer Neutralität, die nur Putin nützt, so wie Sie sie bringen. Das könnten wir machen: einen demokratischen Diskurs. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Weidinger.)
Das kommt aber von der FPÖ nicht. Was von der FPÖ kommt, ist das Spiel mit Putins Propagandaapparat, wie immer. Putin hat mehrere Zeitungen, Medien, Onlinemagazine, die er finanziert – wir kennen sie alle: RT, Sputnik et cetera; die FPÖ teilt so etwas, verbreitet so etwas, heizt so etwas an –, hat Trollfarmen, die auf Websites und im Interesse der FPÖ kommentieren. All das wird von der FPÖ gemacht. Sie nutzen das, und das geht gegen die eigene Bevölkerung. Wenn Sie das in diesem Sinne machen, machen Sie sich zum Agenten einer ausländischen Kraft und agieren gegen die österreichische Bevölkerung. (Abg. Kickl: Ja, bei Ihnen sehe ich schon CIA oben stehen! Ja, ja!) So schaut es aus. Sie vertreten mit dieser Politik nicht die Interessen der österreichischen Bevölkerung (Abg. Kickl: Sie sollten unter dem Sternenbanner auftreten! Das würde gut passen!), kämpfen nicht gegen die Teuerung, sondern Sie machen hier, im österreichischen Nationalrat, die Politik einer ausländischen Kraft.
Das machen Sie ja schon die ganze Zeit. (Zwischenruf der Abg. Steger.) Wir haben auf Video gesehen, wie ein freiheitlicher Parteichef bereit ist, österreichische Politik für russisches Geld zu verkaufen. Warum haben wir es gesehen? – Weil es ein Fake war. Was haben wir nicht gesehen? – Das, was wirklich passiert.
Was ist mit einer Außenministerin von Ihnen, die niederkniet vor Putin? Was ist mit denen, wenn sie einen Freundschaftsvertrag am Roten Platz unterschreiben? (Abg. Kickl: Jeder Auftritt von Ihnen ist ein Niederknien vor Joe Biden!) Was ist mit dem Fall, den Herr Kollege Lopatka erwähnt hat? Sie fahren nach Russland, Sie fahren in Gegenden, wo es Referenden gegeben hat, und bestätigen, dass Putin dort eine Wahl gewonnen hat. Wer hat denn das bezahlt? (Abg. Kickl: Sie lassen nicht einmal Referenden zu! Das ist ja noch besser!) Legen Sie einmal alles offen und zeigen Sie einmal, was es an Geschäften gibt, Herr Kickl! (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Herr Kickl, zeigen Sie das einmal!
Ich sage Ihnen etwas: Sie verkaufen hier Österreichs Bevölkerung. Sie verkaufen Österreichs Bevölkerung an eine ausländische Macht, und Sie als Innenminister haben das ganz besonders gemacht! (Abg. Kickl: Jeder Auftritt von Ihnen ist ein Kniefall vor den amerikanischen Kriegstreibern! – Abg. Steger: Sie verstehen ... neutral ...! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)
Morgen wollen Sie hier eine Sondersitzung abhalten, eine Sondersitzung im Interesse von Wladimir Putin (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch); Sie als angelobter Abgeordneter dieser Republik, angelobt auf diese Republik und aufs Wohl dieser Bevölkerung! Wenn Sie das machen, Herr Kickl, dann machen Sie sich hier morgen zum Agenten einer ausländischen Kraft (Abg. Kickl: Herr Reimon, bei Ihnen fällt das schon unter ...! – Abg. Amesbauer: Sie sind ja nicht zurechnungsfähig! – Abg. Kickl: Bei Ihnen fällt das schon unter mangelnde Zurechnungsfähigkeit! – Abg. Amesbauer: Lassen Sie Ihren Geisteszustand untersuchen!), dann sind Sie rücktrittsreif, Herr Kickl! (Präsident Sobotka gibt erneut das Glockenzeichen.)
Ich sage Ihnen etwas: Sie haben bis morgen 8 Uhr in der Früh Zeit, hier nicht russische Politik zu machen. Zeigen Sie sich einmal als Patriot! (Abg. Kickl: Ich mach’ da draußen das, was ich für richtig halte, Sie amerikanischer Söldner! – Abg. Steger: Das ist ja absurd, was Sie da von sich geben!) Ziehen Sie die Sondersitzung zurück oder treten Sie morgen zurück! (Anhaltender Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Stefan: Großer Patriot Reimon! Bravo! Die ÖVP klatscht!)
17.21
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schroll. – Bitte.