17.21

Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer zu Hause vor den Bildschirmen! Genau heute vor einem Jahr und zwei Tagen hat unsere Klub­vorsitzende, Dr.in Pamela Rendi-Wagner, hier im Parlament eine Pressekon­ferenz abgehalten. Der Titel war Teuerungsbremse für Menschen in Österreich. Damals, liebe Kolleginnen und Kollegen, lag die Inflation ein bisschen über 3 Prozent. Heute, ein Jahr und zwei Tage später, haben wir eine Inflation von über 10,5 Prozent.

Die exorbitanten Steigerungen bei den Strom- und Gaspreisen sind nicht nur eine enorme Belastung für die teuerungsgeplagte Bevölkerung, sondern mittlerweile ein riesengroßes Problem für alle KMU-Betriebe und für den Indus­triestandort Österreich, und Sie gefährden mit Ihrer Politik den Industriestandort Österreich und viele Arbeitsplätze, liebe Kolleg:innen in der schwarz-grünen Bundesregierung! (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht umsonst warnen die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereini­gung – und das muss ich dir, liebe Kollegin Tanja Graf, schon sagen, wenn du so tust, als ob alles okay wäre: Die Industriellenvereinigung, die Wirtschaftskam­mer, aber auch die Energiebranchenvertreter fordern Maßnahmen und warnen, dass Österreich mit 300 km/h an die Wand gefahren wird. (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.) Obwohl Frau Bundesministerin Gewessler maximal 100 km/h auf der Autobahn fordert, fahrt ihr mit 300 km/h dieses Land an die Wand, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb ist die Forderung, wie bereits ausgeführt, klar und ganz logisch: Wir brauchen einen Preisdeckel bei Gas, der in weiterer Folge natürlich auch die Stromkosten drückt. Viele Expertinnen und Experten haben das schon ge­sagt! – Herr Bundesminister Kocher, ich muss Ihnen eines sagen. Sie haben es heute ausgesprochen und angesprochen, auch in Brüssel im Interview: Na ja, jetzt sollten wir doch über einen Gaspreisdeckel diskutieren und reden. – Sie, genau Sie, waren aber jener, der in Brüssel drei Mal dagegen gestimmt hat! (Beifall bei der SPÖ.)

Unsere Bundesregierung in Österreich hat dagegen gestimmt und gefährdet die KMU-Betriebe, die Industriebetriebe und somit Arbeitsplätze in Österreich. (Vizekanzler Kogler: Das ist doch unglaublich!) Die SPÖ hat in den letzten Wochen und Monaten wirklich keine Gelegenheit ausgelassen, auf die negativen Fol­gen dieser Energieexplosion hinzuweisen. (Vizekanzler Kogler: Wir brauchen ein­mal ein Wörterbuch der Begriffe!) – Ja, Herr Vizekanzler, Sie können auch das sagen. Aber was haben Sie gemacht? (Vizekanzler Kogler: Was für ein Gaspreisde­ckel ist gemeint?) Sie gefährden den Standort Österreich, den Wirtschafts­standort! (Vizekanzler Kogler: Das ist doch unfassbar!) Ich werde noch ein bisschen näher darauf eingehen, dann werden Sie es vielleicht auch einmal verstehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die SPÖ hat einen konzisen Plan vorgestellt. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Wir haben alle Parlamentsparteien zu einem runden Tisch eingeladen. (Abg. Lukas Hammer: ... beantwortet diese Fragen nicht!) Der Kollege hat es schon gesagt: Leider Gottes ist nicht recht viel dabei herausgekommen. Leider bestätigt sich der fatale Eindruck, dass diese Regierung in der Krise einfach versagt und es nicht kann, und dieses Versagen zieht sich wie ein roter Faden durch die Politik von ÖVP und Grünen! Liebe, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Grün, seht es einfach ein: Diese Einmal- und Gutscheinpolitik ist gescheitert! (Beifall bei der SPÖ.)

Damit seid ihr gescheitert, weil ihr das Problem nicht an der Wurzel packt. Das ist genau das Problem! (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.Vielleicht, lieber Kollege, darf ich dir ein paar Beispiele näherbringen. Mit heutigem Tag haben wir seit 639 Tagen kein Energieeffizienzgesetz. Kollege Hammer hat es schon gesagt: 639 Tage kein Klimaschutzgesetz. Du hast es selber gesagt, lieber Kolle­ge Hammer! Das wird sich in dieser Periode mit der ÖVP nicht mehr ausge­hen, aber bei euch geht sich viel nicht mehr aus, denn es gehen sich auch die Energieeffizienzgesetze nicht aus, und auch nicht das Erneuerbare-Wärme-Gesetz. (Beifall bei der SPÖ.)

Wo sind die Gesetze? Wo ist das, was ihr die ganze Zeit sagt? Ihr stellt euch alle hier heraus und sagt: Wir müssen den Ausbau der Erneuerbaren vorantreiben, damit wir vom Gas unabhängig werden!, aber ihr macht es nicht. Ihr macht es nicht! Der „Kurier“ hat es gestern geschrieben, über 1 006 Tage habt ihr nichts gemacht, ist keine Marktprämienverordnung da gewesen. Kein einziger Windpark wurde gebaut. Kein einziger Fotovoltaikpark wurde in Österreich gebaut. Nichts ist passiert! Jetzt, nach 1 006 Tagen, wurde die Verord­nung freigegeben. – Danke, Frau Bundesministerin Gewessler, grüne Ener­gieministerin: 1 006 Tage, herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte zu einem weiteren Punkt kommen: Am 1. Oktober hat diese Bundesregierung noch eines gemacht, nämlich die CO2-Steuer eingeführt, und ich darf zitieren, was eine der größten Tageszeitungen Österreichs am Frei­tag geschrieben hat: „Regierung als Inflationstreiber“. „Es ist wohl einzigartig in Europa, dass zum jetzigen Zeitpunkt eine zusätzliche Steuer in Kraft tritt; und dann ausgerechnet auf jene Produkte, deren Preise ohnehin schon massiv gestiegen sind.“

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, nur dass wir wissen, wovon wir reden: Diese CO2-Bepreisung (Abg. Kassegger: Steuer! Sag Steuer dazu!), die seit 1. Oktober durch Ihre Zustimmung in Kraft ist, kostet die Bürgerinnen und Bürger zusätzlich 150 bis 250 Euro im Monat. Wenn sich dann noch irgendjemand herausstellt und sagt: Wir haben einen Energiegutschein ausge­schickt (Vizekanzler Kogler: Schon wieder falsch!) – ich weiß nicht, ob ihn in Österreich schon jemand gekriegt hat –, wir haben einen Energiekostenzuschuss ausgezahlt, wir haben das ausgezahlt – alles Einmalzahlungen, Gutscheinzahlun­gen –, dann sage ich Ihnen, Frau Bundesministerin Edtstadler, da Sie sagen, dass Sie „24 Stunden, sieben Tage die Woche daran arbeiten“: Wenn ich Be­triebsrat wäre, würde ich Ihnen heute einen Urlaub verordnen, und wenn Sie den Urlaub machen, dann fahren Sie mit mir gemeinsam ins Mostviertel (Abg. Stocker: Na! Das wär kein Urlaub!) – und jetzt hört zu – die Kollegen vom Mostviertel sind gerade nicht da (Abg. Stocker: Das wäre kein Urlaub!) –, Herr Generalsekretär, jetzt sage ich Ihnen etwas: Haubis – vielleicht kennen Sie Haubis, einen der größten Bäcker Österreichs, beliefert ganz Österreich –, hat mich am Mittwoch angerufen: Alois, bitte, hast du Zeit, denn ich habe ein rie­sengroßes Problem? – Über 900 Bedienstete, zahlt bis jetzt 50 000 Euro Strom­rechnung – wir reden noch gar nicht vom Gas –, und ab 1. Oktober 520 000 Euro; und dann sagt die Frau Bundesministerin, ihr arbeitet Tag und Nacht für die Industrie, es ist alles okay. – Gar nichts ist okay! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Vizekanzler Kogler: Deshalb gibt es ja den Energiekosten­zuschuss!) – Ja, Herr Vizekanzler!

Herr Vizekanzler und liebe Österreicherinnen und Österreicher, hört jetzt zu! Der Herr Vizekanzler hat gerade gesagt, deswegen gibt es den 500-Euro-Gutschein. (Vizekanzler Kogler: Energiekostenzuschuss! Entschuldigung! Der ist für die Industrie!) – Energiekostenzuschuss, bitte sehr. Da möchte ich Ihnen eines sagen: Ein Bürger von derselben Gemeinde, nämlich aus Petzenkirchen, hat mir gestern geschrieben: Lieber Herr Abgeordneter, was soll ich machen? Meine Stromrechnung und Gasrechnung – er hat einen kleinen Gastank – war bis jetzt 3 700 Euro im Jahr. Ich zahle jetzt über 13 500 Euro, umgerechnet rund 1 200 Euro im Monat – ein Pensionist! (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Wisst ihr eigentlich, was das für die Leute da draußen heißt, wenn ihr so eine Politik be­treibt und dann sagt, mit 500 Euro könnt ihr den Leuten helfen?! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Stocker: ... Wien-Energie ...! – Zwischenruf des Abg. Sieber.)

Betreffend CO2-Steuer bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „Verschiebung der Einführung der CO2-Steuer zur Bekämpfung der Inflation“

„Die Bundesregierung, insbesondere der Finanzminister wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein Gesetzespaket vorzulegen, mit welchem die CO2-Steuer zur Dämpfung der Rekordinflation solange ausgesetzt wird, bis sich die Energiepreise wieder auf das Vorkrisenniveau normalisiert haben.“

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Handeln Sie endlich und tun Sie etwas für die Haushalte in Österreich, für die KMU-Betriebe, für die Industriebetriebe und deren Arbeitsplätze! – Danke. (Lang anhaltender Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

17.29

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Alois Schroll,

Genossinnen und Genossen

betreffend Verschiebung der Einführung der CO2-Steuer zur Bekämpfung der Inflation

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1 Erklärungen des Vizekanzlers und der Bundesministerin für EU und Verfassung gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich der Maßnahmen in der Sicherheits-, Energie- und Wirtschaftspolitik in Europa und insbesondere in Österreich nach dem Angriff Russ­lands auf die Ukraine

Begründung

Die ÖVP hat Anfang des Jahres im Zuge der Steuerreform gemeinsam mit den Grünen eine neue Steuer erfunden: die CO2-Steuer wurde mit dem Nationales Emis­sionszertifikatehandelsgesetz 2022 für das Jahr 2022 mit 30€/t CO2 vorgesehen und steigt bis 2025 auf 55 €. Die Regierungsfraktionen haben schon einmal erkannt, dass es auf Grund der steigenden Energiepreise geboten ist, die Steuer zumindest zu verschieben, weshalb im Juni 2022 der Einführungstermin um ein Quartal von Juli auf Oktober 2022 verschoben wurde, in der Begründung hieß es damals (Auszug aus Antrag 2662/A1):

„Im Rahmen der Beschlussfassung der ökosozialen Steuerreform war ein Start der CO2-Bepreisung des NEHG 2022 mit 1. Juli 2022 vorgesehen. […] Allerdings war zu diesem Zeitpunkt das Ausmaß des Anstieges der Energiepreise, wie er derzeit zu beobachten ist, noch nicht in vollem Umfang absehbar. Ein Festhalten an den Grund­sätzen der ökosozialen Steuerreform ist unumgänglich, um die Reduktion von energiespezifischen Treibhausgasemissionen sicherzustellen, allerdings müssen dabei auch sozial- und standortpolitische Herausforderungen, die sich durch die Energiepreissituation ergeben, berücksichtigt werden. Aus diesem Grund soll die Be­preisung von CO2 Emissionen für ein Quartal ausgesetzt werden und anstatt mit 1. Juli 2022 mit 1. Oktober 2022 beginnen.“

Die Energiepreissituation und die sozial- und standortpolitischen Herausforderungen bestehen immer noch, schlimmer noch, sie sind durch das Nicht-Handeln der Re­gierung nicht besser geworden. Die Inflationsrate lag im Mai bei 7,7%, ist im Juni wei­ter sprunghaft auf 8,7% gestiegen und liegt mit August bei 9,3%. Für den Sep­tember hat die Statistik Austria einen vorläufigen Wert von 10,5% ermittelt, was die höchste Inflationsrate seit 70 Jahren darstellt. Alle beschlossenen Maßnahmen der Bundesregierung wirken nicht auf die Preise, sondern sollen allenfalls das verfügbare Einkommen durch Einmalzahlungen punktuell erhöhen, das wirkt aber nicht auf Dauer. Die Menschen wissen also nicht, wie sie die für immer um fast zehn Prozent gestiegenen Preise finanzieren sollen, die Preissteigerungen seit 2021 machen inzwischen 12,5% aus (VPI 2020, Juli 2022). Keine Maßnahme der ÖVP/Grünen hat zu einer Preissenkung geführt, im Gegenteil, das Festhalten an der Einführung der CO2-Steuer wird die Energiepreise für die Konsumenten beim Heizen und Tanken neuerlich anheben. Einerseits erhöht die Regierung die Preise durch Einführung einer neuen Steuer, andererseits versucht sie mit Einmalzahlungen die gestiegenen Energiekosten zu dämpfen. Dabei ist der gestiegene Preis für sich genommen genau jenes „Preissignal“, dass sich die Grünen durch die Einführung einer CO2-Steuer erhofft hatten, da die Preise inzwischen stärker gestiegen sind als das durch Einführung der Steuer passiert wäre, entsteht tatsächlich ein Anreiz zum Ener­giesparen.

Statt die breite Bevölkerung durch das Festhalten an der CO2-Steuer ab Okto­ber 2022 zur Kasse zu bitten und die allgemeine Rekordinflation noch zusätzlich zu erhöhen, könnte der Finanzminister als Gegenfinanzierungsmaßnahme die geplante Körperschaftsteuersenkung absagen, die exorbitanten Krisengewinne der Energiekonzerne durch eine Übergewinnsteuer abschöpfen und die Reichsten durch eine Millionärssteuer für Vermögen und Erbschaften ab einer Million Eu­ro sowie die Krisengewinnler endlich an der Finanzierung des Staatshaushaltes und damit der Krisenkosten beteiligen. Damit kann die CO2-Steuer jedenfalls so lange verschoben werden, bis wieder Normalität am Energiemarkt eingekehrt ist, und die Preise auf Vorkrisenniveau gesunken sind. Bei einer Rekordteuerung durch eine von der ÖVP gemeinsam mit den Grünen erfundenen neuen zusätzlichen Steuer die Preise noch weiter hinaufzutreiben, ist sozial- und wirtschaftspolitisch nicht ein­mal mit dem Hausverstand durchdacht.

Die im Vergleich zu 2021 stark gestiegene Inflation 2022 ist nicht nur für den heurigen Budgetvollzug, sondern auch die Budgeterstellung 2023 eine He­rausforderung, dämpfende Maßnahmen daher dringend geboten.

Während die deutsche Bundesregierung die Preise für Energie durch ein 200 Milliarden Paket massiv senkt, dreht die österreichische Bundesregierung mit der Ein­führung einer CO2-Steuer die Inflation sogar weiter in die Höhe. Sie ist damit die einzige Regierung in Europa die Preise erhöht, statt sie zu senken. Diese Preis­erhöhung soll noch dazu versteckt werden, indem die CO2-Steuer nicht auf den Rechnungen ausgewiesen werden soll.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

„Die Bundesregierung, insbesondere der Finanzminister wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein Gesetzespaket vorzulegen, mit welchem die CO2-Steuer zur Dämpfung der Rekordinflation solange ausgesetzt wird, bis sich die Energie­preise wieder auf das Vorkrisenniveau normalisiert haben“.

1 https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/A/A_02662/index.shtml

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend un­terstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Weidinger. – Bitte.