17.38

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Regierungsmitglieder! Geschätzte Damen und Herren! Wir diskutieren heute in einer Sondersitzung, die die Regierung einberufen hat, eine Regierungserklä­rung zum Thema Sicherheit, Energie und Wirtschaftspolitik.

Erinnern wir uns zurück: Vor zwei Jahren haben uns ÖVP und Grüne erzählt, sie werden das Beste aus beiden Welten liefern. Wenn das Beste aus beiden Welten das ist, was wir heute sehen, dann, muss ich sagen, ist das mehr als be­sorgniserregend. Das heute war keine Regierungserklärung, sondern maxi­mal eine Bankrotterklärung. (Beifall bei der FPÖ.)

Schauen wir es uns an: Was überhaupt ist der Grund für diese Sondersit­zung? – Das Gesetz, die Sie im nächsten Tagesordnungspunkt beschließen müssen, damit Ihnen Ihre eigene Sanktionspolitik nicht um die Ohren fliegt – und auch nicht der österreichischen Wirtschaft. Das ist der Grund für diese Sondersitzung, die Sie für heute einberufen haben. Wir sind auf dem besten Weg in Richtung Wohlstandsverlust und Deindustrialisie­rung in unserem Land, und das haben Sie zu verantworten. Sie wissen das und Sie tun nichts dagegen (Vizekanzler Kogler: Na ja!), und das ist schlimm! (Abg. Obernosterer: Red net so an Blödsinn!)

Der IV-Präsident hat heute schon gewarnt, er hat gesagt: „‚Die Lage ist dra­matisch und auch unsere Volkswirtschaft ist vor einer De-Industrialisierung nicht gefeit.‘ Die hohen Energiepreise sind ein weitgehend europäisches Phänomen und damit sei die inländische Produktion von einer Verdrängung durch Anbieter aus anderen Weltregionen bedroht. ‚Bleibt die Lage unverändert, droht in Österreich ein dauerhafter Wohlstandsverlust.‘“ – Ein „dauerhafter Wohlstands­verlust“, Herr Vizekanzler! Es ist nicht so, wie Sie gesagt haben: Hie und da wird es einen Wohlstandsverlust geben! – Sie fahren unseren Wohlfahrtsstaat, unseren Sozialstaat, unseren Wirtschaftsstandort mit Vollgas an die Wand! (Beifall bei der FPÖ.)

Jeder vernünftige Politiker würde auf die Bremse steigen, doch ich glaube, bei Ihnen in der Koalition wird Bremsen überbewertet. Wenn Sie jetzt, in einer Phase der explodierenden Energiepreise und einer Rekordinflation, noch eine CO2-Steuer einführen, dann ist das ein absoluter Schwachsinn – ein absolu­ter Schwachsinn, anders kann man das nicht bezeichnen! Wie doppelbödig die ÖVP mit dem umgeht, zeigt auch ein Inserat des ÖVP-Klubobmanns aus Kärnten, Herrn Markus Malle, der am Samstag in der Zeitung schreibt: „Jetzt ist sie also da, die CO2Steuer an der Zapfsäule. Ein absoluter Schwachsinn in der aktuellen Situation unseres Wirtschaftsstandortes.“ – Das schreibt der ÖVP-Klubobmann von Kärnten in der „Kleinen Zeitung“. Da muss ich ihm einmal recht geben, muss ich ehrlich sagen. Da hat er einmal recht. (Zwischenruf des Abg. Rauch. – Abg. Stefan: ... falscher Zusammenhang!)

In dieser Situation belügen Sie auch noch die Bevölkerung: Sie erzählen der Bevölkerung, mit ein paar Windrädern und mit ein paar Fotovoltaikpaneelen retten wir unsere Wirtschaft. – Das geht einfach nicht, das geht sich hinten und vorne nicht aus. Wir brauchen 100 Terawatt Gas (Abg. Lukas Hammer: Terawattstunden, wenn schon!) für die Erzeugung von Strom – für unsere Indus­trie, fürs Heizen, Sie wissen es –, und heute erzeugen wir 10 Terawatt, sprich 10 Prozent davon, also 3 Prozent von den gesamten Energiekosten, die wir in Österreich haben, aus Wind und Fotovoltaik – und Sie wollen den Menschen glaubhaft machen, dass es ohne Gas geht. Es geht einfach nicht! Wir brauchen Gas, sonst werden die Menschen im Winter im Dunkeln sitzen und in ihren Häusern frieren, und die österreichische und die europäische Wirtschaft werden uns den Rücken kehren und abwandern. Das ist das Ergebnis. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie müssen endlich einmal ins Agieren kommen, nicht immer nur reagieren. Sie müssen endlich einmal agieren, und deshalb sollten Sie nicht Zufallsgewinne abschöpfen, sondern Zufallsgewinne verhindern. Das wäre die Aufgabe der Poli­tik: Ihr müsst die Zufallsgewinne verhindern, und das kann man, indem man in den Strompreis eingreift.

Deshalb bringe ich wieder einmal den Antrag ein, das Meritorderprinzip sofort abzuschaffen. (Abg. Tanja Graf: Dann fahren Sie mit uns nach Brüssel!) Es kann nicht sein, dass das teuerste Kraftwerk den Preis bestimmt, den Menschen das Geld aus der Tasche gezogen wird und die Wirtschaft, so wie es Herr Schroll vorhin gesagt hat, nicht mehr weiß, wie sie ihre Betriebe erhalten und ihre Stromkosten finanzieren soll – obwohl die SPÖ da auch ein doppeltes Spiel spielt, weil ihr auch immer dabei wart, wenn es hier herinnen um Zweidrittel­mehrheiten gegangen ist, sei es bei den Sanktionen, sei es beim bedingungslosen Ausstieg aus der fossilen Energie hin zur erneuerbaren Energie. Ihr habt immer die Steigbügelhalter für diese Regierung gemacht, also ihr wart auch immer mit dabei. (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „umgehendes Aussetzen des ‚Merit-Order-Prinzips‘ zur Strompreisfestsetzung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich umgehend und mit Nachdruck auf Europäischer Ebene für ein sofortiges Aussetzen des sogenannten ‚Merit-Order-Prinzips‘ zur Strompreisfestsetzung einzusetzen.“

*****

Jetzt noch ein Wort an die Damen und Herren vor den Bildschirmen: Am Sonn­tag haben Sie die Möglichkeit, die erste Stopptaste zu drücken. Da oben (in Richtung Präsidentschaftskanzlei weisend) sitzt nämlich ein Schutzpatron dieser Bundesregierung, der alles abwinkt, der verfassungswidrige Gesetze durch­lässt und sie unterschreibt. Sie können ihn am Sonntag abwählen. (Abg. Tanja Graf: Wahlwerbung, oder was? Schäm dich!) Wählen Sie Walter Rosenkranz! Das ist der richtige Bundespräsident für Österreich, und dann hat dieses Leiden ein Ende. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Tanja Graf: Du bist ja peinlich, Er­win! Nein, das ist peinlich! Das ist echt peinlich!)

17.43

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, MMMag. Dr. Axel Kassegger

und weiterer Abgeordneter

betreffend umgehendes Aussetzen des „Merit-Order-Prinzips“ zur Strompreisfestsetzung

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1: Erklärungen des Vizekanzlers und der Bundesministerin für EU und Verfassung gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich der Maßnahmen in der Sicherheits-, Energie- und Wirtschaftspolitik in Europa und insbesondere in Österreich nach dem Angriff Russ­lands auf die Ukraine in der 174. Sitzung des Nationalrates am 3. Oktober 2022

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der seit Monaten extrem steigenden Gaspreise auch als Folge der Sanktionspolitik gegenüber Russland stößt das derzeit zur Anwendung kommende Strompreisbildungssystem auf Europäischer Ebene auf zu­nehmendes Unverständnis und massive Kritik.

So führt das sogenannte Merit-Order-Prinzip, wonach jene an der Strombörse anbietenden Kraftwerke, die billigeren Strom produzieren, zuerst zur Deckung der Nachfrage herangezogen werden, letztlich dann aber das teuerste zur Deckung der Nachfrage benötigte Kraftwerk, sprich: Gaskraftwerke, den Preis bestimmt, in der jetzigen Situation zu einer zusätzlichen Befeuerung der Strompreise.

Somit bestimmt gegenwärtig die letzte erforderliche Kilowattstunde aus einem Gaskraftwerk den Preis, der letztlich vom Kunden zu zahlen ist. Die in Österreich we­sentlich günstigere Stromproduktion, bspw. durch die heimische Wasserkraft oder Windenergie, kommt aufgrund dieser in der jetzigen Situation mehr als absurd anmu­tenden Preisbildungsmethodik nicht beim Konsumenten an.

Dies führt derzeit dazu, dass die Stromproduzenten den Strom, der in Österreichs Haushalten verbraucht wird, derzeit um 4,4 Milliarden Euro über den Herstellungs-kosten verkaufen, wie das österreichische Online-Tarifvergleichsportal durchbli­cker.at kürzlich errechnete.

„2023 werden es nach jetzigem Stand allein im ersten Jahresviertel 2,7 Milliarden Euro sein“, so der Energieexperte von durchblicker.at, Stefan Spiegelhofer. Jähr­lich verbrauchen Österreichs Haushalte gemeinsam rund 18 Terawattstunden (TWh) Strom. Rund 85 Prozent davon stammen aus erneuerbaren Energiequellen.

Die höchsten Zufallsgewinne entstehen im österreichischen Strom-Mix in der Wasser-kraft, in der Windenergie und bei Biomasse. (09.09.2022/ https://help.orf.at/stories/3215025/)

In Krisenzeiten, wie diesen kann es daher nicht sein, dass günstig hergestellter Strom aus Wasserkraft, Solarenergie oder Wind zum selben Preis verkauft wird, wie der aufgrund des Gaspreisexplosion viel teurer produzierte Strom. Auch wenn das Merit-Order-Prinzip unter „normalen“ Marktbedingungen funktioniert, so ist es jetzt geeignet, am Rücken der Bevölkerung die Preise künstlich in die Höhe zu treiben. Während Energieunternehmen dadurch Rekordgewinne schreiben, stürzt die Stromrechnung unzählige Menschen in Existenznot und gefährdet den Wohlstand im Land.

Eine dringende Entkoppelung der Strom- von den Gaspreisen und somit ein Aussetzen des Merit-Order-Prinzips auf unbestimmte Zeit ist daher ein Gebot der Stunde und im Interesse der heimischen Bevölkerung umgehend mit Nachdruck zu verfolgen.

Spät aber doch erfolgt nun auch beim österreichischen Bundeskanzler Nehammer ein Umdenken.

Noch im Mai dieses Jahres wurde von Seiten des Finanzministeriums klargestellt, dass aufgrund der aktuellen Strom-Gaspreis-Kopplung derzeit auch Stromunternehmen von den steigenden Gaspreisen, deren Stromproduktion zu einem überwiegenden An­teil aus Erneuerbarer Energie stammt, profitieren, man die derzeitige Art der Strom­preisbildung nicht in Frage stelle. (06.05.2022/SN)

Wurden bisher somit auch von Seiten der österreichischen Bundesregierung entsprechende Forderungen nach einer Entkoppelung der Strom- und Gaspreise belächelt oder überhaupt abgelehnt, so fordert nun auch Nehammer genau dieses, was angesichts der Untätigkeit der letzten Monate geradezu zynisch in den Ohren derer klingen mag, die nicht mehr wissen, wie sie ihre Stromrechnungen begleichen sollen.

„Wir müssen diesen Irrsinn, der sich derzeit auf den Energiemärkten abspielt, endlich stoppen“, so Nehammer. „Man muss den Strompreis vom Gaspreis entkoppeln, und er muss sich wieder an die tatsächlichen Kosten der Erzeugung annähern“, so Ne­hammer weiter.

Die Europäische Kommission hat sich jedoch in diesem Zusammenhang einmal mehr lediglich auf Ankündigungspolitik beschränkt und keine konkreten Initiativen zur dringend erforderlichen Entkopplung der Strom- von den Gaspreisen vorgelegt.

Dass hier dringender Handlungsbedarf besteht und Maßnahmen zur Senkung der Energiepreise höchste Priorität haben müssen, zeigt sich unter anderem auch im Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2021, demzufolge die durch den Krieg in der Ukraine ausgelösten Energiepreisschocks in Verbindung mit der Inflationsent­wicklung die Konjunkturaussichten für das Jahr 2022 und damit auch die Entwick­lung der öffentlichen Finanzen sehr unsicher machen.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachste­henden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich umgehend und mit Nachdruck auf Europäischer Ebene für ein sofortiges Aussetzen des sogenannten „Merit-Order-Prinzips“ zur Strompreisfestsetzung einzusetzen."

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ord­nungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Disoski. – Bitte.