18.22
Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Das Wesen einer Demokratie ist es, dass jeder hier am Rednerpult sagen und denken darf, was er oder sie möchte. (Zwischenrufe der Abgeordneten Martin Graf und Amesbauer.) Das wäre, Herr Amesbauer, in Russland nicht denkbar – zu Ihrer Erinnerung.
Nun, keine Polemik und kein Populismus kann aber über gewisse historische Fakten hinwegtäuschen. (Abg. Rauch: Lesen Sie einmal das Buch vom Van der Bellen!) Deswegen möchte ich am Ende dieser Debatte einige von diesen festhalten (Abg. Martin Graf: Europa ist größer als die EU! – Ruf bei der FPÖ: Was sagen Sie zum Van-der-Bellen-Buch?) und vor allem Ihnen in Erinnerung rufen. (Abg. Martin Graf: Europa ist größer als die EU!)
Es gibt keinen Frieden ohne Freiheit. Seit 1989 wissen das die Satellitenstaaten der Sowjetunion bis heute. Und das, was heute passiert, sind nicht Sanktionen der USA oder des Westens, sondern es sind vor allem die osteuropäischen Staaten, die sich hier für klare Sanktionen, für eine klare rote Linie gegenüber Russland einsetzen (Abg. Kassegger: Ich hab gedacht, alle!), weil sie wissen, was Repression, Unterdrückung und diktatorisches Regime bedeuten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Die zweite Wahrheit ist: Die Geschichte wiederholt sich zwar nie eins zu eins, aber in Variationen. Genau vor 84 Jahren erlaubten Großbritannien und Frankreich Hitler, Teile Tschechiens zu annektieren. Man wollte Frieden, man hoffte auf Frieden – wir wissen, wie es ausgegangen ist. Und diese Annexion, die jetzt Putin vorgenommen hat, ist – und auch das ist geschichtlich und rechtlich richtig – ein Verstoß gegen jegliche Prinzipien der UN-Charta und ist ein Verstoß gegen das internationale Recht. Darüber wird auch Ihre Polemik nicht hinwegtäuschen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Es ist deshalb richtig und wichtig, dass Österreich heute, genauso wie viele andere Staaten, aufgrund dieser völkerrechtswidrigen Annexion den russischen Botschafter einberufen hat. Wieso? – Ein Diktatfriede um jeden Preis ist kein echter Friede. Auch das lehrt uns die Geschichte.
Was wir jetzt sehen, ist, wie schwach Putin eigentlich ist. Er mag unberechenbar sein, aber er ist nicht unbesiegbar. Dass er eskaliert und dass er seine eigene Bevölkerung, die ihm davonrennt, zwangsmobilisiert, ist nur und ausschließlich ein Zeichen der Schwäche. (Beifall bei den Grünen.)
Wissen Sie, es überrascht mich nicht, dass am Ende des Tages die FPÖ auf der Seite der Autokraten steht. (Ruf bei der FPÖ: Von Österreich!) Das ist jetzt nicht weiter überraschend. (Abg. Martin Graf: Aber ein Blödsinn! Ein vollkommener Blödsinn!) Die gute Nachricht ist, auch hier heute im österreichischen Parlament: Sie sind in der Minderheit. (Abg. Rauch: Wir sind auf der Seite der Österreicher!) Sie sind in der Minderheit, wenn es darum geht (Zwischenruf der Abg. Steger – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), Russland, einem Diktator in einem Moment des eklatanten Völkerrechtsbruches die klare Kante zu zeigen. Und das ist gut so, dass Sie Minderheit bleiben. (Beifall bei den Grünen)
Wir hingegen werden weiterhin auf der Seite der Mehrheit stehen (Abg. Hafenecker: ... die Mehrheit? Ihr seid ... Mitte der Roten!), auf der Seite des Völkerrechts stehen, auf der Seite der Ukrainer und Ukrainerinnen stehen, hier im österreichischen Parlament genauso wie außerhalb von diesem. (Zwischenruf des Abg. Amesbauer.)
Am Ende vielleicht noch etwas Positives: Die Sanktionen wirken nicht nur, das wissen Sie, sondern wir müssen auch weitere Maßnahmen treffen, die zielgerichtet sind. Dazu gehört beispielsweise, mit den Sanktionen tatsächlich jene zu treffen, die das System von Putin stützen (Abg. Hafenecker: Sie treffen die Österreicher!), und da gibt es noch Luft nach oben.
Das zweite Wichtige ist, tatsächlich in Österreich die Teuerung abzufedern, damit uns der soziale Frieden nicht abhandenkommt, gerade jetzt (Ruf bei der FPÖ: Hoch gefördert!) in dieser schwierigen Situation.
Und das Dritte ist, in Europa zusammenzuhalten. Auch das lehrt uns nämlich die Geschichte, dass es auch hier eine Mehrheit für nachhaltigen Frieden gibt. (Abg. Martin Graf: Durchhalteparolen!)
Insofern: Sie bleiben in der Minderheit, und niemand in Österreich wünscht sich eine Autokratie. Deshalb: Spalten Sie ruhig weiter, aber am Ende gewinnen der Frieden und die Freiheit. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Martin Graf: Wir werden das trotz der Grünen überwinden, weil die Österreicher fleißig sind! – Abg. Rauch: Die Österreicher sind fleißig!)
18.26
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wöginger. – Bitte.