18.53
Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Werte Abgeordnetenkollegen im Hohen Haus! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehbildschirmen! Worum geht es heute? – Meine Vorredner haben es schon gesagt: Es gilt ganz klar eines abzuwägen, nämlich ob wir für Sanktionen gegen Russland sind oder ob wir unsere freien demokratischen Werte aufgeben wollen. (Abg. Stefan: Bei dem Tagesordnungspunkt jetzt?)
Wir sprechen einmal mehr darüber, was für ein entsetzliches Leid wir durch den Krieg in der Ukraine mitten in Europa haben. (Abg. Deimek: Frau Bundesminister, helfen Sie dem Kollegen von der ÖVP, der redet über irgendwas, übers Frühstück oder so ...!) Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass wir einmal mehr darüber sprechen, denn dieser Krieg ist mehr als ein Geschehen, dessen Auswirkungen wir spüren. Dieser Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ist auch ein Angriffskrieg Russlands auf unsere freien Werte. (Zwischenruf des Abg. Deimek. – Abg. Stefan: Und deswegen brauchen wir das heute!?) – Genau, deswegen brauchen wir das heute.
Nahezu täglich werden neue Massengräber ausgehoben. (Abg. Stefan: Deswegen machen wir Sondergenehmigungen?) Die darin gefundenen Menschen können teils nur mehr anhand ihrer Kleidung identifiziert werden. (Abg. Stefan: Wissen Sie überhaupt, worum es geht?) Es sind Menschen, die vor wenigen Monaten so wie wir tagtäglich aufgestanden und ihrer Arbeit nachgegangen sind und ihr Leben gemeinsam mit ihren Familien bestritten haben. (Abg. Stefan: Aber wenn wir Kobalt brauchen, werden wir das genehmigen! – Abg. Kassegger: Oder Nickel-Vanadium!) Es sind diese Menschen, deren Blut in Strömen vergossen wird. Es sind diese Menschen, die aus ihren Familien gerissen werden und ihr Leben lassen müssen.
Es ist tragisch, aber anscheinend normal, dass diese Bilder langsam ihre Wirkung verlieren und uns abstumpfen lassen. Vielleicht ist das auch eine gewisse Schutzhaltung, ein Selbstschutz. Was mich aber fassungslos zurücklässt, ist, wie die Sanktionen und unsere Haltung in diesem Blutvergießen infrage gestellt werden. Geschätzte Damen und Herren, ich glaube, es ist besonders wichtig, da nichts zu beschönigen. Man kann die Sanktionen sehr kurzfristig betrachten und – ja! – die Sanktionen zeigen Wirkung in Russland. Die Sanktionen entfalten ihre Wirkung in vielen Bereichen in Russland. Dies belegen uns mittlerweile auch viele Fakten und Studien. So können zum Beispiel keine modernen Raketen oder Waffen mehr in Russland hergestellt werden. (Abg. Stefan: Deswegen machen wir Sondergenehmigungen!) – Genau deswegen brauchen wir eine Sondergenehmigung. (Abg. Stefan: Für wen jetzt, für unsere Wirtschaft? Damit diese Sanktionen nicht angewendet werden?)
Geschätzte Damen und Herren, liebe Kollegen! Der Zeitraum ist es, der betrachtet werden muss, nicht nur bei den Sanktionen. Kurzfristig geht es um diesen Winter. Es scheint so, als ob es kurzfristig nur mehr um ein paar Gebiete in der Ukraine geht. Uns allen muss aber klar sein, dass es mittel- und langfristig um viel, viel mehr geht. Europa war seit jeher eines, nämlich ein Friedensprojekt. Was das bedeutet, ist ganz einfach: Es bedeutet, wie wir unser Leben die letzten Jahrzehnte gelebt haben, wie wir gewirtschaftet haben, wie wir den Wohlstand aufgebaut haben (Abg. Martin Graf: Aber Europa ist größer als die EU!) und wie wir das Völkerverbindende nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zu unserer Priorität und Aufgabe gemacht haben. Geschätzte Damen und Herren, das alles ist es, was auf dem Spiel steht. Darum braucht es unsere Entschlossenheit und unseren Zusammenhalt.
Lassen Sie es mich anders sagen: Ich bin nicht dazu bereit, bezüglich dessen, was da auf dem Spiel steht, meinem Sohn oder vielleicht meinen Enkelkindern einmal erklären zu müssen, dass ich (Abg. Stefan: Ausnahmegenehmigungen gegeben habe! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ) unsere europäische Freiheit und unser Lebensmodell aufgegeben habe, weil es einfacher war, nichts zu tun.
Liebe Kollegen – besonders all jene, die am europäischen Vorgehen zweifeln –, die Rechnung, die wir alle zahlen müssen, wenn wir jetzt nicht entschlossen handeln, ist um vieles höher als die aktuellen Auswirkungen von Krieg und Sanktionen. Neutralität bedeutet nämlich sicher nicht, dass man mit uns machen kann, was man will.
Ich kann mich nur unserer Verfassungs- und Europaministerin anschließen, die gestern in der „Pressestunde“ gesagt hat: Wenn wir in 20, 30, 40 Jahren in die Geschichtsbücher schauen, möchte ich nicht lesen, dass wir zugeschaut haben. – Um es auch mit den Worten von Leopold Figl zu sagen, dessen 120. Geburtstag wir gestern gedenken durften: Glauben wir an unser Österreich, glauben wir an Europa! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
18.59
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Margreiter. – Bitte.