13.50

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher:innen zu Hause! Heute Morgen sind im politischen Österreich zwei Dinge geschehen. Erstens: Die Koalition hat ein riesiges Pensionserhöhungspaket präsentiert. Fast 6 Prozent Pensionserhöhung für alle, über 8 Prozent für den Durchschnitt und über 10 Prozent für Pensionist:innen mit Ausgleichszulage, für die Mindest­pen­sionen. Das ist das, was real geschieht. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Loacker streicht mit der rechten Hand mehrmals schnell über die geöffnete linke Hand und wendet sich dabei in alle Richtungen.)

Dann geschieht noch etwas anderes: Die Freiheitlichen beantragen hier im Parlament eine Sondersitzung zum Thema „Wohlstand und Sicherheit“. Es ist das erste Mal, dass im Auftrag einer ausländischen Macht eine Sondersitzung des österreichischen Nationalrates stattfindet. Im Auftrag einer ausländischen Macht wird hier eine Nationalratssitzung missbraucht. (Abg. Kickl: Sie sind wirklich nicht mehr zu retten! – Abg. Steger: Langsam ist das ein Satireprojekt!)

Es ist die Frage, wie man damit umgehen soll, wenn man sich auf so etwas vorbereitet, aber Sie machen es einem leicht, Herr Klubobmann Kickl: Sie stellen sich ans Rednerpult und werfen gleich in Ihrem ersten Satz jemandem vor, ein Verräter zu sein. Dann geht es noch darum, dass die Leute eine Gehirnhälfte weniger haben, „Versager“ sind oder sonst etwas. (Abg. Kickl: Das hat doch der Mahrer gesagt!)

Wenn Sie selbst andere als Verräter bezeichnen, dann ist es natürlich nur legitim, Ihnen eines zu sagen: Wenn Sie hier für Putin eine Sitzung machen, dann sind Sie wohl ein Verräter an dem, wofür dieser Nationalrat stehen sollte! Das ist traurig, das ist ausgesprochen traurig. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Kickl und Steger.)

Ich habe Ihnen gestern gesagt: Wenn Sie tatsächlich eine Nationalratssitzung benutzen, um einem ausländischen Autokraten hier den Dienst zu erweisen, seine Politik zu betreiben, dann sollten Sie besser zurücktreten. (Abg. Steger: Können Sie auch ein Argument bringen? – Abg. Kickl: Nein, wir machen es für die Österreicher, aber dass Sie nichts verstehen, wundert mich nicht!)

Es wundert mich nicht, dass Sie das nicht tun, denn was sollten Sie denn sonst noch hackeln – mit einem abgebrochenen Philosophiestudium und da Sie 30 Jahre lang nichts anderes als Parteistrategie gemacht haben (Abg. Kickl: Aber sehr erfolgreich – erfolgreich im Unterschied zu Ihnen!), nichts anderes außer einem Parteijob gemacht haben –, Sie können ja gar nichts anderes machen!

Das ist aber ein Problem für diese Republik, denn Sie machen nur Strategie - - (Zwischenruf bei der FPÖ.) – Das sagt der Richtige, mit 20 Jahren Privatwirtschaft! Ich habe da draußen etwas gehackelt, im Gegensatz zu Herrn Kickl – jetzt hätte ich fast Putin gesagt.

Es ist ein Problem, wenn Sie nur mehr Parteistrategie betreiben und den Natio­nalrat nach Strich und Faden bei jeder Gelegenheit missbrauchen und Politik in diese Richtung machen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Kickl: Das werden Sie nicht entscheiden, wer was missbraucht und wer was ...! Absolut totalitär!)

Jedes einzelne Mal benutzen Sie dabei Ihre Wählerinnen und Wähler, und es ist Ihnen vollkommen wurscht, wie es denen geht. (Abg. Hauser: Ich hoffe, dass diese Rede viele Zuseher hat!)

Ich habe heute noch einmal nachgeschaut: Am 12. März vor zwei Jahren hatten wir den ersten Coronatoten, und wissen Sie, was Sie am 13. März gesagt haben? – Am 13. März vor zwei Jahren haben Sie sich ans Rednerpult gestellt und gesagt, jeder, der zu Hause bleibt, der im Lockdown bleibt, sei ein Held – ein Held! Sie haben den härtestmöglichen Lockdown gefordert. (Abg. Kickl: Wir haben dazugelernt und Sie nicht!)

Am 14. haben Sie mitgestimmt, am 15. März ist das in Kraft getreten. Damals waren Sie dafür, und dann haben Sie bemerkt, dass Ihnen eine andere Haltung strategisch nützt, und dann haben Sie den Leuten sogar Pferdeentwur­mungs­mittel empfohlen! (Abg. Kickl: Dann haben wir gemerkt, dass Sie gelogen haben! – Zwischenruf der Abg. Steger.)

Sie verkaufen Ihre eigene Bevölkerung an Hersteller von Pferdeentwurmungs­mitteln, wenn es für die Strategie der FPÖ notwendig ist, und Sie verkaufen sie auch an Putin. – So geht das nicht, und das ist ein Problem! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Abgeordneten Hauser und Kickl.)

Wir werden im österreichischen Nationalrat ein Zeichen setzen, ich habe mit den Kolleginnen und Kollegen gesprochen – hier ist der Ort der Demokratie, an dem wir darüber sprechen, was der Republik nützt, was der Bevölkerung hier nützt –: Alle vier Parteien werden diesem Antrag zustimmen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich möchte folgenden Antrag, in dem es darum geht, dass wir uns für diese Sanktionen und für eine gemeinsame europäische Politik aussprechen (Ruf bei der FPÖ: Einheitsbrei!), einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Michel Reimon, MBA, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „geschlossenes EU-Auftreten für starke gemeinsame Maßnahmen in Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und für volle Unterstützung der ukrainischen Souveränität und territorialen Integrität“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, sich sowohl anlässlich der Tagung der Europäischen Politischen Gemeinschaft und des informellen Europäischen Rates in Prag am 6./7. Oktober 2022, sowie in anderen relevanten Gremien auf europäischer sowie internationaler Ebene mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln für die sofortige Einstellung der militärischen Aggression Russlands und den unverzüglichen und vollständigen Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine einzusetzen.“

(Abg. Belakowitsch: Dafür brauchen Sie jetzt einen Antrag?)

„Des Weiteren wird die Bundesregierung ersucht, weiterhin Vermittlungsbemü­hungen zur Wiederherstellung der Achtung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen zu unterstützen und sich für eine klare Verurteilung der in den besetzten Gebieten der Ukraine stattgefundenen und von Russland inszenierten Scheinreferenden auf europäischer und internationaler Ebene einzusetzen.“

(Zwischenruf der Abg. Steger. – Abg. Belakowitsch: Selten schlechter Antrag!)

„Zudem soll sich die Bundesregierung aktiv für eine rasche und lückenlose Auf­klärung und Untersuchung der Ursachen der beschädigten Nord Stream Pipelines auf europäischer Ebene einsetzen.

Des Weiteren wird die Bundesregierung ersucht, weiterhin konstruktiv zur Ausarbeitung und Verhängung europäischer Maßnahmen beizutragen, mit dem Ziel, die russischen Möglichkeiten zur Fortsetzung der Aggression gegen die Ukraine wirksam zu reduzieren.“

(Abg. Steger: Also gar keine Sanktionen?!)

„Nicht zuletzt wird die Bundesregierung ersucht, Maßnahmen auf EU-Ebene zu forcieren, die eine rasche Reduktion der Energieabhängigkeit von Russland, vor allem einen schnellstmöglichen Umstieg auf erneuerbare Energien und die Steigerung der Energieeffizienz ermöglichen, sowie Maßnahmen wie einen gemeinsamen Gaseinkauf auf europäischer Ebene aktiv zu unterstützen.“

*****

(Abg. Kickl: Ich habe gedacht, das machen Sie eh schon alles!)

Werte Freiheitliche! Sie haben die Möglichkeit, sich so wie alle anderen Abge­ordneten hier im Interesse dieser Republik für diese Forderungen aus­zu­sprechen – oder aber wir sprechen über Verräter. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.56

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Michel Reimon, Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen

betreffend geschlossenes EU-Auftreten für starke gemeinsame Maßnahmen in Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und für volle Unterstützung der ukrainischen Souveränität und territorialen Integrität

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage „Österreich braucht Wohlstand und Sicherheit statt EU-Sanktionen und Asylantenansturm" in der 176. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 4. Oktober 2022

Der ungerechtfertigte Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine, der am 24. Februar 2022 begann, stellt einen tiefen Einschnitt im Weltgeschehen dar. Die internationalen sozialen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Aus­wirkun­gen sind enorm, insbesondere auf die Energie- und Lebensmittelmärkte. Die Euro­päische Union und ihre 27 Mitgliedstaaten stehen einmal mehr vor der Aufgabe, mit Einigkeit auf diese vielfältigen Herausforderungen zu reagieren.

Der österreichische Nationalrat hat bereits mehrmals in seinen Entschließungen vom 24. Februar 2022 und vom 8. März 2022 sowie im EU Hauptausschuss in Form einer Stellungnahme am 24. März 2022 die Aggression Russlands gegenüber der Ukraine auf das Schärfste verurteilt und klargemacht, dass Österreich an der Seite der Ukraine und ihrer Bevölkerung steht und diese weiterhin tatkräftig unterstützt.

Zwischen Februar und Juli 2022 hat die Europäische Union in enger Abstimmung mit internationalen Partnern insgesamt sieben massive Sanktionspakete beschlossen, mit einem Fokus auf russische Schlüsselsektoren im Bereich Verteidigung, Finanzen, Handel, Energie, Transport und Medien sowie individuelle Sanktionen für derzeit über 100 Organisationen und 1200 Einzelpersonen. Die Europäische Kommission hat weitere Sanktionen als Reaktion auf die Scheinreferenden in den besetzten Gebieten und die folgende Annexion dieser Gebiete am 30. September durch die Russische Föderation vorgeschlagen.

Die Europäische Union, genauso wie Österreich verurteilten diese inszenierte Abstimmung. Sie stellt einen weiteren völkerrechtswidrigen Akt Russlands dar, ohne jegliche demokratische Legitimation. Die Annexion der besetzten Gebiete durch die Russische Föderation ist ebenso völkerrechtswidrig und wird weder von der Euro­päischen Union noch von Österreich anerkannt.

In der Nacht zum 26. September 2022 wurden drei Lecks an den Nord Stream Pipelines in der Nähe der dänischen Insel Bornholm entdeckt. Mittlerweile hat die schwedische Küstenwache ein viertes Leck gefunden. Hohe EU-Vertreterinnen und Vertreter äußern die Vermutung, dass es sich um Sabotage durch einen staatlichen Akteur handelt. Eine Untersuchung ist im Gange.

Diese Entwicklungen werden auch Thema anlässlich des Treffens der Staats- und Regierungschefs im Rahmen der Tagung der sog. „Europäischen Politischen Gemein­schaft“ und des informellen Europäischen Rates in Prag am 6./7. Oktober 2022 sein. Das Ziel ist, gemeinsam als EU die bevorstehenden Herausforderungen zu meistern und eine starke Antwort gegenüber dem russischen Aggressor zu formulieren.

Es gibt in Österreich politische Kräfte, die in der heimischen Innenpolitik die Inter­essen des russischen Präsidenten Wladimir Putin vertreten und auch parla­mentarische Mittel im Sinne russischer Positionen einsetzen. Beobachter einer politischen Partei wurden sogar zum international nicht anerkannten Referendum entsandt, das zur Annexion der Krim führte. Diese bewerteten die von der inter­nationalen Gemeinschaft als völkerrechtswidrig verurteilte Abstimmung als frei von Zwang.

Vor diesem Hintergrund sowie im Lichte der fortschreitenden eskalierenden Situation in der Ukraine ist es notwendig, dass die österreichische Bundesregierung mit Nach­druck ihre volle Unterstützung für die Ukraine und ihre Bevölkerung ausspricht und alle stattgefundenen Scheinreferenden in den besetzten Gebieten der Ukraine als Völkerrechtsbruch verurteilt. Ein geschlossenes Auftreten und solidarisches Handeln der Europäischen Union ist ein Gebot der Stunde, um ein starkes politisches Signal in Bezug auf den russischen Angriffskrieg und dessen Folgen zu senden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, sich sowohl anlässlich der Tagung der Euro­päischen Politischen Gemeinschaft und des informellen Europäischen Rates in Prag am 6./7. Oktober 2022, sowie in anderen relevanten Gremien auf europäischer sowie internationaler Ebene mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln für die sofortige Einstellung der militärischen Aggression Russlands und den unverzüglichen und voll­ständigen Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine einzusetzen.

Des Weiteren wird die Bundesregierung ersucht, weiterhin Vermittlungsbemühungen zur Wiederherstellung der Achtung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen zu unterstützen und sich für eine klare Verurteilung der in den besetzten Gebieten der Ukraine stattgefun­denen und von Russland inszenierten Scheinreferenden auf europäischer und inter­nationaler Ebene einzusetzen.

Zudem soll sich die Bundesregierung aktiv für eine rasche und lückenlose Aufklärung und Untersuchung der Ursachen der beschädigten Nord Stream Pipelines auf europä­ischer Ebene einsetzen.

Des Weiteren wird die Bundesregierung ersucht, weiterhin konstruktiv zur Ausar­beitung und Verhängung europäischer Maßnahmen beizutragen, mit dem Ziel, die russischen Möglichkeiten zur Fortsetzung der Aggression gegen die Ukraine wirksam zu reduzieren.

Nicht zuletzt wird die Bundesregierung ersucht, Maßnahmen auf EU-Ebene zu forcieren, die eine rasche Reduktion der Energieabhängigkeit von Russland, vor allem einen schnellstmöglichen Umstieg auf erneuerbare Energien und die Steigerung der Energieeffizienz ermöglichen, sowie Maßnahmen wie einen gemeinsamen Gaseinkauf auf europäischer Ebene aktiv zu unterstützen.“

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Christian Hafenecker. – Bitte, Herr Abgeordneter.