9.55.34

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon ein großes Problem in der Politik, wenn man seiner eigenen Propaganda glaubt. Ich habe den Eindruck, dass hier einige Parteien die eigene Propaganda auch noch glauben. Ich sage Ihnen eines: Dann schauen wir uns die Zahlen an, denn Zahlen lügen nicht, und vergleichen wir das mit der Propaganda, die die Parteien hier erzählen! Fangen wir vielleicht ein­mal mit der Frage der Steuern an, mit der Frage, wie hoch die Steuern in die­sem Land sind, und der Propaganda, damit, wie einzelne Parteien behaup­ten, dass sie die Steuern senken, oder den anderen vorhalten, dass sie sie erhö­hen. (Abg. Michael Hammer: Das ist der Spiegel, der Blick in den Spiegel!)

Wir wissen zum Beispiel (Abg. Michael Hammer: Ihr wisst gar nix!), die ÖVP hat 2017 im Wahlkampf gesagt, die Steuern in Österreich seien zu hoch, man müsse die Steuern senken, und zwar die Steuer- und Abgabenquote – so wird ja die Steuerhöhe bemessen –, auf unter 40 Prozent, und hat behauptet, immer wenn die SPÖ einen Kanzler stellt – als ob das quasi automatisch irgendwie die Steuer- und Abgabenquote verändern würde –, seien die Steuern in Österreich immer nur gestiegen.

Wenn wir uns jetzt aber die Zahlen ansehen – und die kann jeder ganz schnell googeln, Statistik Austria, Sie können es sogar auf der WKO-Seite, also bei der Wirtschaftskammer, nachlesen, die haben da schöne Statistiken –, was sehen wir da? –Wir sehen: Als Faymann Kanzler war, als Kern Kanzler war, und zwar mit Mitterlehner, sind die Steuern und Abgaben 2016 gesunken, 2017 ge­sunken. (Rufe bei der ÖVP: Das ist ein Blödsinn! Ihr verliert die Realität!) Kaum war die SPÖ nicht in der Regierung, sondern Kurz, zunächst mit der FPÖ, Herr Abgeordneter Fuchs war damals ja Staatssekretär in der Regierung – was ist passiert? Ist die Steuer- und Abgabenquote gesunken oder ist sie gestiegen? Was ist passiert? – Sie ist gestiegen. Sie ist 2018 gestiegen, sie ist 2019 ge­stiegen, sie hat sich 2020 nicht verändert, ist 2021 gestiegen, 2022 gestiegen, und jetzt prognostiziert das Budget, sie wird 2023 steigen. Sie sollten Ihre eigene Propaganda, die Sie erzählen, nicht glauben, sondern sich die Zahlen an­sehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Staatssekretär außer Dienst Fuchs, wenn Sie sich hierherstellen, schauen Sie sich Ihre eigene Bilanz an und glauben Sie nicht immer nur Ihre eigenen Ankündigungen und Ihre eigene Propaganda! Das gilt auch und vor allem für die ÖVP, weil oft das Gegenteil von dem, was hier angekündigt wird, auch tatsächlich passiert.

Reden wir gerne über die kalte Progression! Kollegin Maurer sagt, Jahrzehnte haben das die Regierungen versprochen und niemand hat es gehalten, aber Sie machen es. Zeigen Sie mir bitte das Regierungsprogramm, in dem das ver­sprochen wurde, als die SPÖ in der Regierung war! Zeigen Sie es mir! Ich lese Regierungsprogramme seit 20 Jahren (Zwischenrufe bei der ÖVP), ich habe das nicht gelesen. Ich habe es gelesen, als die SPÖ nicht in der Regierung war. Wir waren skeptisch, und wir haben dem aus einem einfachen Grund zu­gestimmt. Das, was nämlich immer passiert ist, und das haben wir hier immer gesagt, auch von diesem Rednerpult aus: Es gibt zwei Wege, damit umzugehen. Ja, es gibt die kalte Progression, und es gibt Gestaltungsmöglich­keiten, die Steuern und die Abgaben für Menschen, die arbeiten gehen, zu senken. Wir haben das auch immer so gehalten.

Als wir nicht in der Regierung waren, Schwarz-Blau I, ist das Geld der Arbeit­nehmer verwendet worden, um die Steuern auf Kapital und Vermögen zu senken. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist nämlich in Wahrheit passiert. Da haben wir gesagt, wahrscheinlich ist es besser – mit allen Nachteilen, die die Abschaffung der kalten Progression hat, das hat nämlich nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile –, denn dann stehlen Sie, wenn wir nicht in der Regierung sind, zumindest nicht das Geld der Ar­beitnehmer und geben es den Unternehmern – was passiert ist. Dann haben wir das verhandelt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben uns geeinigt: Mitterlehner, Kern, Schelling. (Abg. Hanger: Da seid ihr dagegen!) Wir haben uns geeinigt, und wir wissen aus den Chats, was passiert ist. (Ha-Rufe bei der SPÖ. – Abg. Hanger: Ah, jetzt sind wir wieder bei den Chats!) Kurz ist zu Schelling gegangen, wir kennen das alle aus dem Untersu­chungsausschuss (Abg. Michael Hammer: Dem Farceausschuss, oder was?), und dann gibt es diese berühmten Chats, in denen steht: „Kurz war ganz klar“, er will keine Lösung, er will keine Einigung. Wenn Schelling hier zustimmt, ist er raus aus dem Team! (Ah-Rufe bei der SPÖ.) – Das war die Art und Weise, wie die ÖVP mit der Frage der kalten Progression umgegangen ist. Es ist Ihnen nicht um den Inhalt gegangen, es ist Ihnen um die innerparteiliche Macht gegan­gen. Kurz hatte eine Erzählung, nämlich: Die Große Koalition bringt nichts wei­ter!, und das hat gestimmt. (Abg. Disoski: So war’s doch auch! – Abg. Hanger: Geh Jan, setz dich nieder! – Abg. Michael Hammer: Darum seid ihr in der Opposition, weil es mit euch nicht geht! – Ruf bei der ÖVP: Es ist immer dasselbe!) Das hat gestimmt, weil nämlich Kurz mit Sobotka und anderen innerhalb der ÖVP jede Einigung blockiert hat. Eine solche hätte es auch betreffend kalte Progression gegeben. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist die historische Wahrheit! (Abg. Michael Hammer: Das ist eure Wahrheit!) Wir haben gestern nicht gegen die Abschaffung der kalten Progression ge­stimmt, nein (Abg. Hanger: Bist du jetzt dafür oder dagegen?), wir haben das Mo­dell, das wir mit Kern und Mitterlehner im April 2017 vereinbart haben, ges­tern hier eingebracht und haben dafür gestimmt. (Abg. Hanger: Bei dir kennt man sich nicht aus! – Abg. Michael Hammer: Kern war überhaupt der Ärgste!)

Sie haben abgelehnt, und wissen Sie, was der Vorteil von unserem Modell ist? (Abg. Hanger: Bist du jetzt dafür oder dagegen?) – Bei Ihrem Modell bekom­men alle Abgeordneten hier drei- bis viermal so viel – Klubvorsitzende Maurer viermal so viel, die anderen Abgeordneten dreimal so viel – wie der durch­schnittliche Österreicher. (Abg. Hanger: Bist du jetzt dafür oder dagegen? – Zwi­schenruf der Abg. Disoski.) Bei unserem Modell hätten wir nicht mehr, son­dern gleich viel wie der durchschnittliche Österreicher bekommen. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Ja, genau! – Ruf bei der ÖVP: Mit dir geht sich das nicht aus!) – Das ist soziale Handschrift! (Ah-Rufe bei der ÖVP.)

Ich weiß, das ist Ihnen fremd, aber wenn Sie sich die Zahlen ansehen, dann werden Sie sehen, welche Partei hier eine soziale Handschrift hat, und das ist si­cher nicht die ÖVP; das sind leider auch nicht die Freiheitlichen, sondern das ist einzig und allein die Sozialdemokratie. – Vielen Dank. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ja, ja! – Abg. Wöginger: Kommunismus war das! – Abg. Matznetter: Dagobert Duck ... ÖVP! – Abg. Michael Hammer: Ein Kern-Anhän­ger, der Abgeordnete Krainer!)

10.01

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka|: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Abgeordneter Fuchs. – Bitte.